Heimat - Wehrpflicht - Kant

Skizze zum Thema Gesellschaft/ Soziales

von  S4SCH4

Heimat, dem Menschen als etwas Urtümliches und Ursprüngliches bekannt, etwas wo Gefühle und Empfindungen, soziale Beziehungen, gesellschaftliche Errungenschaften und Träume verwurzelt sind, will geschützt und gepflegt werden. 


Die Wehrpflicht wäre ein Mittel, um diesen Schutz und die Pflege einer Heimat, durch staatliche Sorge herbeizuführen, wobei die Gerechtigkeit und die Ausgestaltung dieses Wehrapparates, seitens des Staates im Folgenenden keine Rolle spielt.
Außer, und dies ist zentraler Bestandteil, dem Punkt, dass dieser Staat es zu verstehen hätte, einen mündigen Bürger zu entwickeln, und einen Bürger, der von Werten und Vereinbarungen über (s)eine Pflicht erzogen wäre. Man merkt leicht, dass wir hinsichtlich jener Bestandteile bei der Philosophie eines Kant (Immanuel Kant * 22. April 1724; † 12. Februar 1804) landen und es stellt sich zumindest einmal die Frage, ob und was jener Philosoph wohl direkt gesagt hätte zu einer Wehrpflicht? Ein entsprechendes Postulat ist meiner Recherche nach nicht unmittelbar aufzufinden, am ehesten jedoch sieht er etwas (besseres als stehende Heere) in der (1) „freiwilligen periodischen Übung der Staatsbürger in den Waffen bewandt, sich und ihr Vaterland dadurch gegen Angriffe von außen zu sichern“.
Fern der staatlichen Sorge um eine Wehrpflicht, die, wo sie entsprechend ausgestaltet, dafür sorgen würde, dass alle Menschen mit gleichem Heimatsbegriff sich zwecks Verteidigung dieser Heimat, unter einem Dach zusammenfänden, ist es der prinzipielle Vorzug, dass alle Denkrichtungen um die diese Wehrpflicht, Berücksichtigung fänden und sie sich damit, selbst am Leben, an der Realität, erprobt, was dazu führt, dass sie weniger noch Vorgabe zu sein scheint, als vielmehr eine kulturelle Vereinbarung menschlicher Natur. Es scheint mir erwähnenswert, dass die Ersatzleistung eines Wehrdienstes, wie auch in der jüngsten Geschichte bereits ausgestaltet, eine valide Option zum Wehrdienst sei, bzw. diesen ergänzt. 


Zur Mündigkeit trägt (gem. Kant) (2) bei,“ dass man sich auch ohne Anleitung eines anderen, seines Verstandes bedienen könne …“, was vielleicht hinsichtlich der strengen Befehlsketten und Hierarchien des bekannten Wehrapparates etwas widersinnig klingt, was aber, sofern man es näher betrachtet und danach fragt, wie man sich in sozialen Gruppen auch als Individuum einfügt, eher Herausforderung und weniger Hürde eines Widersinnes wäre, zumal, wie gesagt, die Ausgestaltung eines Wehrapparates, außer der grundsätzlichen Eignung seiner Mitglieder, hier im Text keine Rolle spielt.
Diese Mündigkeit erfordert also Handlungsbereitschaft, Einsatz usw., und dieses über das gesamte Spektrum der Menschlichkeit hinweg. Jene Mündigkeit wird durch Grenzerfahrungen reifer und durch Wahrung der (physischen und psychischen) Grenzen stabiler.
Nicht zu verkennen wären ebenso die Effekte, mit der die Konfrontation und die Verarbeitung von Kräften zum Erfordernis einer Verteidigung, in den gemeinsamen Händen einer Wehrpflicht lägen, die so nicht nur gegen Kräfte von außen schützt, sondern auch Gelegenheit bietet, innerstaatliche und „inner-individuelle“ Kräfte zu verarbeiten und zu reflektieren. (Die Möglichkeiten eines Ersatzdienstes, als Betreuer, Psychologen, Therapeuten usw. vor Ort wären vielfältig.) 


Nach Kant ist Pflicht (3) „die Notwendigkeit einer Handlung aus Achtung fürs Gesetz“ und in Verbindung mit dem kategorischen Imperativ dem „Prinzip aller Pflichten“, das da meint (frei zitiert) (3) : „, dass eine Handlung stets derart ausgerichtet sei, dass sie auch als allgemeines (Sitten)gesetzt tauge“.
Dieses Norm- und Wertgebende in der Pflicht führt zu einer gemeinsamen Nötigung, obgleich sie etwas fair Umfassendes wäre, dass man sich freiwillig und um der Freiheit willen gibt. Der gute Wille ist zentraler (Macht)aspekt und entscheidend, gefordert eben durch jene Handlung aus genannter Pflicht.
Eine gegenteilige Position zur Pflichtethik oder auch der Deontologie wäre das Handeln im Sinne einer Teleologie, bei dem das moralische Handeln durch die Folgen und die Erreichung eines bestimmten Ziels bestimmt wird.
Dass aber die Ausrichtung auf ein Ziel nicht immer Gutes mit sich bringt, leuchtet ein und man denke nur an Dinge wie „Kollateralschäden“. Anders sieht es aus, wo die Handlungen auf Werten und Vereinigungen basierten, die den guten Willen bedienen und gleichzeitig diesen allgemeingültigen Charakter im Sinne des kategorischen Imperatives hätten. Sicherlich etwas als „Frieden“ zu propagieren und zu bewerben ist teleologisch wirksamer als Taten sprechen zu lassen, die eben (ungesagt) darauf hinausliefen und einen etwaigen Charakter haben, der da meint: „Ausnahmen bestätigen die Regel.“ Immerhin sind wir Menschen.



Anmerkung von S4SCH4:

Motivation:
Angeregt wurde mir das Schreiben dieses Textes, durch Moppel im Zuge ihres Textes: 
 https://keinverlag.de/500601.text

Sowie ein Nachtrag zu Moppels Thema, von dubdidu im Zuge seines Textes:
 https://keinverlag.de/500676.text


Woran mir lag: Es sollte eine bejahende Position zur Wehrpflicht eingenommen - und dabei gefragt werden, inwiefern solch eine Wehrpflicht sich mit Mündigkeit und Pflicht (nach Kant) verträgt. Der Text ist mir, aus Gründen, mehr eine Skizze geworden, die grob auf die vorgenannten Fragen in den Motivationsgebenenden Texten eingeht und eine Diskussion darüber anregen kann. Zuletzt sei noch angemerkt, dass mir ein Mangel am Text dahingehend wohl offenkundig ist, hinsichtlich des Nicht-Behandelns der Ausgestaltung eines Wehrapparates, der aber an einigen Stellen doch mit gewissem „Wunschdenkens“ diesbezüglich daherkommt, sowie der schlussendlichen utopischen Idee, dahingehend, dass eine „pflicht“gemäße Umsetzung des Wehrdienstes mit mündigen Menschen niemanden je töten müsse, sondern im Gegenteil, man könnte sich diesem Übel selbst erwehren.


Quellen:
[1] https://www.jstor.org/stable/resrep14591.5 (und folgende Verweise)
[2] "Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?" erstmals 1784 in der Berlinischen Monatsschrift
[3] Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, verbesserte Auflage 1786 (EA: 1785). Erster Abschnitt: Übergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntnis zur philosophischen

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (05.07.25, 23:51)
Ich gehe davon aus, daß es eine allgemeine Wehrpflicht nur im Zusammenhang mit einem stehenden [dauerhaft existierenden] Heer geben kann. Unter Voraussetzung dieser Annahme paßt das folgende Zitat aus "Zum ewigen Frieden":

3. „Stehende Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören.“

Denn sie bedrohen andere Staaten unaufhörlich mit Krieg, durch die Bereitschaft, immer dazu gerüstet zu erscheinen; reizen diese an, sich einander in Menge der Gerüsteten, die keine Grenze kennt, zu übertreffen, und, indem durch die darauf verwandten Kosten der Friede endlich noch drückender wird als ein kurzer Krieg, so sind sie selbst Ursache von Angriffskriegen, um diese Last loszuwerden; wozu kommt, daß zum Töten, oder getötet zu werden in Sold genommen zu sein einen Gebrauch von Menschen als bloßen Maschinen und Werkzeugen in der Hand eines andern (des Staats) zu enthalten scheint, der sich nicht wohl mit dem Rechte der Menschheit in unserer eigenen Person vereinigen läßt. Ganz anders ist es mit der freiwilligen periodisch vorgenommenen Übung der Staatsbürger in Waffen bewandt, sich und ihr Vaterland dadurch gegen Angriffe von außen zu sichern. [...]

Der letzte Satz macht klar, daß Wehrdienst freiwillig sein sollte, wenn auch eine Aufgabe für Staatsbürger.
Vor allem ist Kant gegen Söldnerheere, wie er es deutlich sagt.

Kommentar geändert am 05.07.2025 um 23:52 Uhr

 S4SCH4 meinte dazu am 05.07.25 um 23:56:
Käme das Freiwillige am Wehrdienst nicht mit der „sachgemäßen“ Pflicht ganz automatisch? Ich denke, ja. Im Idealen zumindest.

 Graeculus antwortete darauf am 06.07.25 um 00:01:
Also, er ist tendenziell gegen stehende Heere und ganz strikt gegen Söldnerheere.
Die periodischen Waffenübungen von Staatsbürgern sollen freiwillig sein.
So ganz verträgt sich das mit einer allgemeinen Wehrpflicht m.E. nicht. Eventuell in einer Form, wie es sie damals noch nicht gab und die daher jenseits seines Horizontes lag: nämlich mit einem Recht auf Wehrdienstverweigerung, wie heute im Grundgesetz vorgesehen.

 Graeculus schrieb daraufhin am 06.07.25 um 00:06:
Besser paßt diese Verbindung von Heimat (sofern man diese als den eigenen Staat versteht) und Wehrpflicht m.E. zu Hegel.

 S4SCH4 äußerte darauf am 06.07.25 um 00:09:
Nun es geht mir eigentlich (auch) schon um eine allgemeine Wehrpflicht, die man mit Alternativen versehen kann (Ersatzdienst), die aber, wie gesagt, gewissermaßen freiwillig begangen wird. Die "Nötigung" dazu scheint notwendig, im Zuge der Vereinbarung auf übergeordnete freiheitliche Werte, die ein jeder genießt. Es scheint mir hier eine gewisse Gratwanderung (allgemein - freiwillig und "freiwillig") zu sein, deren Ausarbeitung vielleicht lohnen würde. Danke für die Gedanken dazu.

 S4SCH4 ergänzte dazu am 06.07.25 um 00:18:
Es ging mir weniger um die Verbindung von Wehrpflicht zu Heimat, als vielmehr um den Umstand, dass diese Skizze gewachsen ist an anderen Texten, die diese Themen behandelten. Der Kant war mir gerade griffbereit und bot diesbezüglich eine interessante Spannung (was die Sache innerhalb einer Wehrpflicht betraf), denn ich hatte ihn unter diesen Gesichtspunkten noch nie betrachtet. 

Hegels Heimatbegriff deckt sich aber mit dem im Text verwendenten -, weitesgehend, und es ist sicherlich ein guter Hinweis, ihn zumindest einmal genannt zu haben.
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online: