Morgenmanns kämpferisches Zuvorkommen, um den Coup von Gestern aufzuhalten, indem er ihm die Leviten liest

Brief zum Thema Abrechnung

von  S4SCH4

Gestern,


wohlwissend, dass ich einiges an Zeit und Gedanken an dich verloren habe, gebe ich den Tag nicht kampflos her. Übermannst du mich auch mit deiner Decke und deinem Bollwerk aus ungehorsamer Stille und stundendem Schlaf, rufst du auch deinen Bruder in den ruhigsten Minuten meiner Müdigkeit heran, damit er mir einen Gnadenstoß versetze, ich bleibe doch wehrhaft und bei mir. 

Dein Plan, mich im süßen Delirium deiner Illusionen und Trugschlüsse zu einem Streiter deiner ausgedachten Sache zu machen, wird Dir nicht gelingen!
Eiskalte Duschen, Unmengen an Kaffee und die Endlosschleife von „Bohemian Rhapsody“ im Radio werden mich schon wachhalten, bis Du schließlich in einem Bewusstsein verschwindest, dass sich Deiner annähme und Dich zum Leben läutern wird.
Jener imaginäre Schneeball, von dem Du mir faseltest, ist mir nichts anderes wie der zunehmende Mond deiner geistigen Umnachtung, der als einziger ein Quäntchen Helligkeit anbietet, und zwar eine, die der Welt nur so abgewandt und widerspenstig erscheint als möglich.
Und mich würde nicht wundern, solltest du hinterrücks jener fanatischen Mondscheinbegegnung, mit dem Tross des Helios in einer Unterredung stehen, dahingehend, dass du Wagenlenker eines zweiten Sonnengestürmes werden würdest, das sich den Himmel im Widerspruche zum bekannten Tag aufteilt und Verblendung zu allen Seiten verursacht.

Du, der du Verantwortliche suchst, wie der Butzemann hinter leichtgläubigen Kindern her ist, bist nichts anderes als das „Gutmenschenwesen“, das auf dem Trittbrett eines Busses steht, den Menschen aus Fleisch und Blut zu lenken versuchen. Das deine allseits angebotenen Fahrkünste und Anleitungen sich darauf verstehen, den süßesten Honig eines goldfarbenen Versprechens in den Tank zu gießen und die warme Milch einer Einsicht im Getriebe zu verteilen, macht dich zu einer Gefahr für alles, was in der Welt annehmbar funktioniert.
Als Wolf im Schafspelz trägst du den Wollpullover eines Mechanikers, dazu seine himmelblaue Latzhose und fährst das Gefährt doch nur in den Spalt, der zwischen Sonne und Mond nichts verheißt.


Morgenmann 



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Kommentare zu diesem Text


 Saira (31.10.25, 15:26)
In diesem Teil verdichtet sich der Konflikt: der Morgenmann erhebt sich zum Kämpfer, doch seine Waffen sind dieselben Worte, gegen die er sich wendet.
Du fächerst hier rhetorische Kraft, Ironie und Paranoia in einem Atemzug auf. Das ist zugleich überbordend und präzise.

Der Text liest sich wie ein Aufbäumen gegen die eigene Ohnmacht.
Ich habe das Gefühl, wir stehen erst am Rand eines noch größeren inneren Krieges.

Herzliche Grüße
Saira

 S4SCH4 meinte dazu am 31.10.25 um 17:19:
Die Fronten zwischen M. und G. sind nun klar.

Vermag man es wirklich, sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen?

Vielleicht hat G. (s)ein Ziel bereits erreicht und M.s Ehrgeiz geweckt?

M. ist nun Akteur in einem Disput rund um Macht, Geist und Verantwortung, den G. mit seinem nächtlichen Brief ja heraufbeschwor.


Liebe Saira, es freut mich sehr, dass Du so rege Anteil an dem bisherigen Werk genommen hast und mich noch einmal mit Eindrücken und Perspektiven in Verbindung brachtest, die mir das ein oder andere erhellten. 

Allerbeste Grüße und herzlichen Dank,
Sascha
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