An meinen Sohn

Erlebnisgedicht zum Thema Nachdenkliches

von  Füllertintentanz

Nicht berühren noch erreichen
Kannst du mich mit Wort und Hand,
weil der Finger Arme schleichen
durch der Weite Unverstand.
Viel zu kurz ist dein Erfassen,
viel zu hoch dein täglich Blick.
Du durchschreitest Selbstverlassen,
speist die Geier im Genick.


Wesentliches staubt in Ecken,
wird vom Irrtum gut bewacht.
Feigheit schlägt es ein in Decken,
spürt der Nichtigkeiten Macht.
Nichts nützt dir dein leeres Wissen,
bist durch Dogmen fehlgeführt.
Sinnesscheite sind zerzissen,
Arroganz den Schaden schürt.


Stolzer Dünkel ziert die Lippen,
frisst an Eigenlob sich satt.
Noch mal an dem Fettnapf nippen,
täglich Schmieren gibt Rabatt.
Der Natürlichkeit gekündigt,
schmückt dir nun Erfolg dein Haus.
Auch Empfinden ist entmündigt,
denn nichts Spüren zahlt sich aus.


Deine Sätze sind geknebelt.
Schweigen hüllt der Fehler viel.
Menschen werden ausgehebelt,
Köpfe sind der Füße Ziel.
Werden Sprossen deiner Leiter,
jeder Schritt ein neuer Sturz.
Dich zu Stoppen wär’ gescheiter,
doch mein Arm ist viel zu kurz.


Hier im Schoß hast du gesessen,
warst gestillt durch meine Brust.
Heute ernte ich Vergessen
und ertrink in dem Verlust.
Grundsatzwerte die uns trennen,
längst begraben hast du sie.
Doch dein Ich ist am Verbrennen,
flammt in deiner Hierarchie.


Schämend fühl’ ich mich betrogen,
um den hilfsbereiten Sohn.
So hab’ ich dich nicht erzogen.
Sag ist das der Liebe Lohn?
Lauf zur Suche deiner Findung.
Spring zurück in wahres Sein,
zahlbar nur durch Geistentblindung,
nie zuvor warst du so klein.

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Kommentare zu diesem Text


 Traumreisende (14.09.05)
vielleicht hätt ich nicht solche worte, aber wisse, ich weiß wovon du redest.... jaaaaa!!! lg silvi

 Füllertintentanz meinte dazu am 15.09.05:
Liebe Silvi,
ich hatte bei diesem Text einen erwachsenen Sohn vor Augen. Unser Großer ist zwar schon 20, doch an ihn dachte ich dabei auch nicht.
Ich habe mich also fiktiv in eine Rolle gedacht, die ich in meiner Familie zwar leider erlebt habe, doch nicht aus Sicht der Mutter. Doch glaube mir, alles aus Sicht einer Schwester, Nichte oder Tante zu sehen macht es auch nicht schöner.
Es ist manchmal schlimm zu sehen, wie zwei Kinder, die alle das gleiche Elternhaus hatten, sich so völlig verschieden entwickeln können. Das meine ich bezogen auf die Menschlichkeit. Woran liegt es, dass sie so oft verloren geht?
Ich hoffe jedenfalls, dieses mit meinen Kindern nie erleben zu müssen... Doch es ist noch ein langer Weg bis dahin.

Sei lieb gegrüßt, Sandra
Aeternitas (26)
(14.09.05)
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 Füllertintentanz antwortete darauf am 15.09.05:
Hallo Aeternitas,

danke für deinen netten Kommentar. Ja es stimmt, ich habe es erlebt, doch nicht aus Sicht einer Mutter... Meine Kinder wären dafür auch noch viel zu jung. Ich habe nur versucht, mein Erlebtes, aus Sicht einer Mutter zu beschreiben, in der Hoffnung, dieses nie zu den eigenen Kindern mal sagen zu müssen....
Nette Grüße, Sandra

 rela (15.09.05)
Wirklich ein starker Text. Die Entfremdung zwischen Mutter und Sohn ist sehr gut herauszulesen. Geht einem nahe wenn man ähnliche Empfindungen kennt. LG Rela

 Füllertintentanz schrieb daraufhin am 15.09.05:
Hallo Rela,

da es Entfremdung auch zwischen einer Menge anderer Familienmitglieder geben kann, kennt wohl leider fast jeder dieses Problem. Vielleicht nicht aus diesen Gründen, doch vom Grundsatz her. Wer hat als erwachsener Mensch wirklich noch viel Kontakt zu seinen Geschwistern, Tanten, Onkel usw.... Wenn sie nicht gerade um die Ecke wohnen, dann lebt doch jeder irgendwo sein Leben.
Und auf den schrecklichen Familienfeiern wird sich dann regelmäßig profiliert.... Ist sicher nicht immer so, doch viel zu oft.

Nette Grüße, Sandra

 AndreasG (16.09.05)
Hallo Füllerchen.
Ein sehr starkes und bewegendes Gedicht. Puh.
Doch fällt mir dazu ein, dass auch meine Mutter die Grundaussage weitgehend unterschreiben würde... Oje. - Ist es also nicht vielleicht sehr subjektiv?
Letztlich liegt die Verantwortung nicht mehr bei den Erziehenden, denke ich. Jeder ist selbstentscheidend für sein Leben verantwortlich; auch wenn es vielleicht schmerzt.
Liebe Grüße, Andreas

 Füllertintentanz äußerte darauf am 17.09.05:
Hallo Andreas,
was die Verantwortung betrifft muss ich dir recht geben. Diese liegt irgendwann nicht mehr bei den Eltern. Doch es geht im Leben ja nicht nur darum, wer für was verantwortlich ist. Es kann auch unheimlich schmerzend sein, wenn man eine Sache hilflos betrachten muss, für die man nicht verantwortlich ist. Allein die Tatsache, selbst zu sehen wie sich ein Familienmitglied negativ verändert, was diesem selbst jedoch gar nicht auffallen will, kann sehr schwer auf der Seele wiegen. Nicht nur auf der einer Mutter. Auch wenn sich der Bruder, Vater, Mutter oder wer auch immer negativ verändert bringt es die gleiche Hilflosigkeit mit sich...

Sei lieb gegrüßt,
Sandra
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