Diese Fremdsprache.

Erzählung

von  redangel

Diese Fremdsprache, in der die beiden  sich  verständigten, hatte keine Worte, keine Buchstaben, um welche zu bilden, keine Grammatikgesetze, keine Satzzeichen, um etwas zu betonen.
Es gab die Vergangenheit nicht, keine Zukunft, es gab nur die Gegenwart.Sie mußten sie auch nicht mühsam erlernen, davon wußten  sie  nur bisher noch nichts.
Ich meine damit, daß sie sehr ahnungslos waren in der  Hinsicht. Diese Fremdsprache hatten sie  immer schon  beherrscht.Er sagte, er käme vom Mars und wäre nur zufällig hier. Sie sagte, sie käme von der Venus und wäre nur wegen ihm hierher gekommen. Doch, sie gefiel ihm. Als sie sich das erste Mal trafen, fragte er sie mit den Augen aus.
Sie antwortete ihm darauf augenblicklich zurück und verband das ganze mit einem bestätigenden Lächeln.
Er sah sie fragend an.
Danach wäre sie ihm überall hin gefolgt, ohne ihn im Geringsten zu kennen. Er konnte es anfangs einfach nicht glauben. Ich meine, er hätte nie gedacht, daß es so einfach sein würde, sie anzusprechen.
Die Sprache in der sie sich verständlich machen konnten hatte nichtmal einen eigenen Namen.
Vermutlich war sie der Sternensprache nicht unähnlich.
Auch die Sterne waren Lichtjahre voneinander entfernt, trotzdem kommunizierten sie miteinander in einer Form, die Raum und Zeit umging. Wellenartig glitzernde strahlenförmige Blitze, die so hell waren, daß wir Menschen die Augen dabei schliessen mußten. Genau so verständigten sich Sterne untereinander. Blitzartig kam die Antwort aus dem All zurück. Dort oben in der Nacht, herrschte Stille, totale Stille.
Still war es auch zwischen der Frau von der Venus und dem Mann vom Mars. Als er deutlich ihr Einverständnis gespürt hatte, die Tatsache, daß sie mit zu ihm gehen würde, lächelte auch er.
Sie folgte ihm in einen hohen Raum, der noch fast leer war. Der Mann vom Mars war noch nicht lange hier. Ein großer Tisch stand darin mit sechs unterschiedlichen Stühlen.
Nachdem sie sich in Augenhöhe  gegenüber saßen, hatten sie nur noch Augen für sich.
Sie hatten beide keine Ohren für andere Dinge,  der Mann nicht und die Frau nicht. Sie kamen gut ohne Ohren aus, denn sie mußten nicht hören auf irgendetwas.
In ihrer Sprache gab es keine Laute.  Sie brauchten Augen, Hände, Fingerspitzen, Haut, die Lippen, ihren Körper, mehr nicht.
Er berührte mit seinen Fingerspitzen ihre. sie erzählte mit ihren Händen Geschichten auf seiner Haut. Er malte mit seinen Lippen die Antwort küssend auf ihre.  Die frau von der Venus liebte von Anfang an.  Seine Haut, seinen Geruch, seine Augen, seine Lippen, seine Hände, ihn.
Sie redeten und redeten, ohne ein einiziges Wort zu sagen die ganze Nacht.
Als der Morgen kam, mußte die Venusfrau gehen.
Der Mann vom Mars ließ sie. Er hielt sie nicht auf.
Die Mißverständnisse, die sich dann mit der Zeit zwischen ihnen einstellten, hatten nichts mit der Sternensprache zu tun.
Sobald sie zusammen waren, sie anwandten, gab es keine mehr. Sobald sie sich aber voneinander entfernten, waren die Mißverständnisse wieder da. In der Sternensprache konnten keine Briefe geschrieben werden. Sternengesänge konnte man nicht aufzeichnen. Also gingen sie tagsüber verloren.
Tagsüber verstanden sie sich nicht, die Frau von der Venus und der Mann vom Mars.
Sie wurde schnell wütend auf ihn.
Er verletzte sie, ohne es zu wollen oder doch.
Absichtlich, oder auch nicht, wer weiß das.
Darüber vergingen viele Nächte, in denen sie beide einsam waren, Lichtjahre voneinander entfernt. Teilweise vergaßen sie in der Sprache zu kommunizieren, die nur ihnen gehörte, sie wurden sich immer fremder.
Wenn die seltenen Nächte nicht gewesen wären.
Wenn die Sterne nicht gewesen wären, die sie beide manchmal  wieder zusammenbrachten.
Und wenn sie nicht die Einzigen gewesen wären,
die sie konnten, die sie kannten, diese Fremdsprache:
das Sternenlatein.

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