Alle 207 Texte von Citronella

Mathilde aus Mainz schreibt seit Jahren / akribisch genau Memoiren. / Nach zweitausend Seiten / aus stürmischen Zeiten / geht’s weiter mit Ehegebaren. /

Der Friedrich, ein Träumer seit Jahren, / erwägt, sich mit Gegnern zu paaren. / Der Akt wird sehr teuer, / drum muss man ab heuer / für Tilgung jahrzehntelang sparen. /

Das Hobby von Emma aus Emden: / Sie bügelt sehr sorgfältig Hemden. / Noch sucht sie vergebens / den Mann ihres Lebens. / So bleibt’s bei den Hemden von Fremden. /

Dem Lehrer Lutz Lehmann aus Leer / fiel Lehren des Lehrstoffes schwer. / Er hat sich entschieden / und lebt nun zufrieden / als Sammler von Leergut - ganz fair! /

Beim Fischer Jens-Ole aus Drage / liegt Fisch selten frisch auf der Waage. / In Glanzfix gespült / im Kühlschrank gekühlt / verkauft er ihn noch vierzehn Tage. /

Stornierungsgerüchte auf Rügen / entpuppten sich schnellstens als Lügen: / Im Dünengras kauern / kaum Rechte und lauern. / Die sind noch auf Stimmenfischzügen. /

Die alte Frau Weber aus Wahren / betreibt schon seit mehreren Jahren / ein Brautmodehaus. / Doch damit ist’s aus. / Es gibt kaum noch Bräute bei Paaren. /

Der Franz wollte gestern in Füssen / beim Bierfest die Fatima küssen. / Doch fünf ihrer Brüder / sah‘n das sehr viel prüder. / Der Franz hat sich krankmelden müssen. /

Der Rennradler Rudi aus Sassnitz / (man nennt ihn auch Rudi, den Pass-Blitz) / trainiert für Mont-Dore / wie niemals zuvor. / Doch macht er das selten in Sassnitz. /

Die smarte Susanne aus Kalter / hat länger schon Pläne fürs Alter. / Nach ewiger Zeit / ist’s nunmehr so weit: / Denn gestern ging endlich ihr Walter. /

Frau Traudel aus Traun an der Traun / kann Franz, ihrem Mann, nicht mehr traun. / Ihr Pudel, der Wumm, / kam jüngst im Fluss um. / Seitdem tut der Franz hämisch schaun. /

Der Werner aus Wernigerode / verwechselte An- und Kathode / beim Werkeln im Heim. / Hier endet der Reim: / Der Werner ist nun Episode. /

Der Altenclub Jammerthal-Aichen / muss Namen von Zeit zu Zeit streichen. / Doch Kurtchen bleibt fit. / Er tröstet im Schnitt / drei Witwen pro Jahr, das muss reichen. /

Per Maßkrug zog Toni aus Kaitl / dem Sepp kurz vor elf einen Scheitel. / Der Mann ging k.o. / und war sowieso / spätabends im Bierzelt nicht eitel. /

Erst gestern flog Anni aus Ahlbeck / beim Strandlauf der tiefblaue Schal weg. / Von Oma gestrickt / mit Lettern bestickt / fehlt der nun als Mittel zum Wahlzweck. /

Zwei Partner betonten in Mitte / die Dringlichkeit geldlicher Schritte, / kreierten Milliarden / für Neu-Avantgarden. / Da freut sich die grünende Dritte. /

Der smarte Jan-Malte aus Kerben / möcht endlich die Oma beerben. / Doch Oma ist kregel / und kann jetzt in Tegel / bei Demos ein Zubrot erwerben. /

Der Luggi aus Haar liebt die Wiesn / und lockert wie stets einen Riesen / für knapp sechzehn Tage / und neunzig Maß (vage). / Mit Hendln käm er in die Miesen. /

Der Rennradler Rudi aus Rheine / bleibt manchmal im Team gern alleine. / Der Sieg ist ihm schnuppe, / er legt in der Gruppe / viel Wert auf die hübschesten Beine. /

Die Hausfrau Roswitha aus Rathen / kredenzte dem Bernd häufig Braten, / am liebsten vom Schwein. / Jetzt is(s)t sie allein. / Sein Arzt hat vom Fleisch abgeraten. /

Die Kripo fand Basti aus Bayern / bekokst auf 'ner Yacht (schwer am Feiern) / im Starnberger See / mit drei Kilo Schnee. / Das half seinen Job zu entschleiern. /

Der Mann von Frau Müller aus Hagen / verwöhnt sie in fast allen Lagen. / Doch jetzt hat er Rücken / und kann sich nicht bücken. / Wer soll jetzt den Müll runtertragen? /

Poetin Sophia aus Stein / schlief gestern nach reichlich viel Wein / zwölf Stunden am Stück. / Doch fiel ihr zum Glück / im Traum noch ein Limerick ein. /

Auf Wunsch färbt der Hühnerhof Meier / vor Wahlen auch gerne die Eier. / Beliebt sind die grünen / vor Wahlkampftribünen. / Man fühlt sich nach Eierwurf freier. /

Die alte Gerlinde aus Drage / beschäftigt seit Langem die Frage: / Wann endet das Leben, / wird’s Nachspielzeit geben? / Die Antwort erahnt sie schon vage. /

Den Braten hat Wähler Hans-Jochen / aus Wuppertal nicht gleich gerochen. / Nach mehreren Drinks / votierte er Links. / Er will jetzt auf ungültig pochen. /

Die Oma Johanna aus Kamen / versucht jetzt mit anderen Damen / sich gut zu vernetzen / und Zeichen zu setzen. / Doch bleibt es im staatlichen Rahmen. /

In Dresden entschied sich Carola: / Zum Abschied mach ich statt La Ola / 'nen sauberen Bruch / und geh mit dem Spruch: / Baut Brücken doch gleich in Angola. /

Ein seidiger Frühnebel schwebt / gemächlich flach über den Auen / als sei er von Feen gewebt / die nächtens ihr Wolkenschloss bauen. / Das Licht des noch schläfrigen Tages, / ganz zart in Pastellbunt getönt, / birgt Hoffnung, die...

Das Meer nagt ungestüm am Dünenrand / und Westwind schiebt beständig neue Wogen. / Die Brandung überspült den breiten Strand, / Touristen haben sich zurückgezogen. / Ein Möwenschwarm auf wahrem Höllenritt / erwägt nicht mal, den...

Im Mittagslicht erstrahlt der stille Fluss, / November schlägt heut Wetterkapriolen. / Weil Wasser jetzt bei Flut kurz ruhen muss, / steht’s unbewegt entlang mattgrauer Molen. / Der Süllberg protzt als sei hier Mittelmeer, / vor Blankenese...

Noch fallen nur vereinzelt Blätter, / der Sommer kann sich kaum entscheiden. / Ein goldenes September-Wetter / verwöhnt den Norden - zum Beneiden. / An grünen Deichen grasen Schafe, / das Wetter intressiert sie nicht. / Den Schäfchen...

Die weiten Almen sind vom Schnee bedeckt. / Wo noch im Herbst der Wandrer Ruhe fand, / hat auch der letzte Grashalm sich versteckt. / Kein Murmeltier pfeift jetzt im Oberland. / Das Rindvieh ist schon längst im Tal verschwunden, / beim...

Warum, hört man Wähler erzählen, / soll ein Bürger heute noch wählen? / Das Land ist mit allem am Ende / und doch gibt‘s so bald keine Wende. / Umgeben von Fronten und Mauern / getrieben von Hetzern die lauern / missachten...

Auf der Mauer, leicht verpeilt, / lauert jetzt der große Fritze. / Wacht, dass niemand drüber eilt, / guckt in jede kleinste Ritze. / Neben ihm zum selben Zweck / hockt sehr breit der lange Franke. / Manchmal nickt er kurz mal weg, /...

Die Bigband spielt jetzt ständig lauter / so kurz vorm Aufprall auf das Riff. / Der Kahn wirkt etwas umgebauter, / doch ist er nur ein Geisterschiff. / Die Passagiere bleiben stille, / sie sehn gespannt auf das, was naht. / Denn letztlich...

Es fehlt nicht erst seit Mittwoch dort und hier / sehr vieles, doch ganz sicher nicht Papier. / Die meisten Deutschen möchten schnellstens wählen, / doch dann hört man erstaunt Frau Brand erzählen: / So schnell geht das nun wirklich...

Jetzt kämpfen sie vereint, weil die Schimäre / den meisten dunkel-bräunlich scheint, nicht blau. / Genaues Wissen? Nur das Ungefähre, / dazu geschichtlich vager Unterbau. / Sie übersehn die Opfer an den Rändern, / und über tote Kinder...

Er wackelt hin, er wackelt her / und weiß schon mittags gar nicht mehr / welch Statement er am Morgen gab. / Drum gibt er abends neue ab. / Man könnte ja, man wolle wohl, / und jede Phrase bleibt doch hohl. / Er will nicht, das erkennt ein...

„Mit denen sprech ich nicht", erklärte Fritz, / „das ist mir zu gefährlich und kein Witz! / Nur eine starke Mauer gibt uns Halt, / auf diese Art stelln wir die Bösen kalt.“ / „Ganz richtig“, setzten auch die Freunde ein. /...

Wach auf, mein kleiner Bruder, wach doch auf! / Die Welt verändert grade ihren Lauf. / Was gestern vielen gut und richtig schien, / geboren auch aus Allmachtsphantasien, / steht jetzt als Resteramsch zum Abverkauf. / Drum, Bruder, wach doch...

Man fragt sich, wo die Stimmen sind, / die vor der Katastrophe warnen. / Erkennen kann doch jedes Kind, / wie Bellizisten Schulden tarnen. / Sie feiern es als großen Sieg, / die Schuldenbremse aufzugeben. / Der kleine Mann will keinen...

Lass uns / die kalten Lichter löschen, / wir zünden warme Kerzen an. / Spiel keine alten Weihnachtslieder, / auch nie Last Christmas oder Jingle Bells. / Ich möcht gern Bach und Händel lauschen, / ombra mai fu, getragen durch die...

Mum Bev war auch dabei. Und sie genoss die Veranstaltung, die sie wohl niemals in ihrem allzu bescheidenen, teilweise katastrophalen Leben vorhergesehen hatte. / Ich hätte diese kleine Person in ihrem etwas unpassenden Outfit (knallrotes...

Der Monitor auf dem Schreibtisch von Mark Müller-Breitfuß ist eingeschaltet, die Portraits der sechs übrigen Teilnehmer der Video-Konferenz werden nach und nach zum Leben erweckt: Drei Männer und drei Frauen, ihre Gesichter alles andere als...

Lieber Gott, / bitte beschütze mich vor allen größeren Veränderungen in unserem Land und lass uns in gewohnter Weise weitermachen wie bisher. / Beschütze mich auch vor allen bösen Angriffen von Rechten, die nichts als Unfrieden in unsere...

Detlef Walmerott hatte eine Aufgabe. Nein, eigentlich war es mehr als eine Aufgabe, es schien ihm als durch und durch gläubigem Menschen wie eine Bestimmung. / Seine Kindheit war nicht leicht gewesen: Der Vater, ein auch nach 1945 immer noch...

Vor glutrotem Horizont / vereinzelt Wattewölkchen / als Hoffnungsträger /

Das Heile-Welt-Bild / nach der Messerattacke / ungeframt in Scherben /

... auf der schmutz'gen Hühnerleiter / unbelehrbar stetig weiter, / schaun gequält nach vorne, nie zurück / auf die Lügen im Husarenstück, / das man jahrelang uns präsentierte / und nur unzulänglich kommentierte. / Warum sollte...