Baab Patrik:

Auf beiden Seiten der Front

Eine Rezension von  Beislschmidt
veröffentlicht am 19.04.24

Das Buch "Auf beiden Seiten der Front" vom Politikwissenschaftler und Publizisten Patrik Baab ist kein  leichter Lesestoff, eher eine Herausforderung für den Leser zwischen den vielen historischen Ausführungen wieder in den Kontext der Erzählung und den Gesprächen mit den Menschen vor und hinter der Front zurückzufinden.

Zunächst zum Haptischen: Das Buch im Softcoverformat umfasst 254 Seiten, kostet 24 Euro und ist im Fiftyfifty Verlag erschienen. Der Druck ist eng gehalten, beim Layout hätte ich mir mehr Absätze und kurze Zusammenfassungen gewünscht. Auch ist der Zeileneinzug in der Buchmitte zu klein geraten, wodurch man das Buch beim Lesen ständig "aufbiegen" muss.

Inhaltlich bewegt sich Baab zwischen menschlichen "close ups", die er detailgetreu und unterhaltsam schildert und historischem Hintergrundwissen.

Der Leser erfährt viel über die Geschichte der Ukraine, bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion und der Staatsneugründung. So auch, dass die Staatsgrenze der Ukraine von Präsident Cruschtschow in der Zeit der Sowjetunion ohne Rücksicht auf ethnische Zugehörigkeit gezogen wurde, weil ein Zusammenbruch der Sowjetunion damals undenkbar war.

Ausgiebig wird der neuzeitliche Einfluss der Oligarchen, die hinter dem Regierungsapparat in Kiew ihre Machtposition nutzen, beschrieben. Auch wie durch Gesetzesänderungen der Zugriff von ausländischem Kapital ermöglicht wurde.

Die Konfliktsituation, die zum Kriegsausbruch führte, wird über die gescheiterten Minsker Verträge, die Unterdrückung und Tötung der russischstämmigen Bevölkerung in der Ostukraine seit 2014 von Baab faktenbezogen und objektiv beschrieben.

Baab, der das Referendum der Volksabstimmung journalistisch begleitete, kommt immer mit den einfachen Menschen ins Gespräch und erfährt so ein ganz anderes Bild, als das was wir aus den gängigen Nachrichten kennen.
So schreibt Baab ...

...Denken die Menschen in Deutschland wirklich so schlecht von uns, wie die Politiker reden? Wollt ihr Russland wirklich ruinieren.? Das kann ich nicht glauben. Ich kratzte mich am Kopf: - ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal an einem Grillstand in Südrussland für den selbstverliebten Größenwahn der deutschen Außenministerin rechtfertigen müsste

Baab, der verschiedene Wahlbüros in der Ostukraine besuchte, kommt angesichts der hohen Wahlbeteiligung zum Schluss, dass ein Scheinreferendum ein nicht haltbarer  Begriff ist, auch dass niemand zur Stimmabgabe gezwungen wurde. Das passt natürlich nicht zur interessengeleitete Zweckpropaganda im Westen. Baab schlägt zudem den Bogen zur Volksabstimmung im Kosovo, die vom Westen damals als Selbstbestimmungsrecht gepriesen wurde, von Serbien aber nie anerkannt wurde.

Baabs Schilderungen, unter direktem Beschuss oder von Minenfeldern sind nicht überdramatisiert aber vermitteln trotzdem wie gefährlich einzelne Abschnitte verliefen. Zu Fuß mit Zigarettenschmugglern auf Schleichwegen, zeigen abenteuerlich das Bild des "wilden Ostens".

Baabs Zukunftsvision für die Ukraine, die keine Kriegsgewinnchance beinhaltet, ist düster.
So schreibt Baab ...

.... die Geldgeber, insbesondere der internationale Währungsfond, die USA, die EU und die Investmentgesellschaften, haben dauerhaft die Regierung in Kiew in der Hand. Wenn man noch die Gebietsverluste, die zerstörte Infrastruktur, die verseuchte Umwelt, zehntausende Kriegstote und dauerhaft ins Ausland Geflüchtete berücksichtigt, bleibt der Ukraine nur anhaltende Unterentwicklung, finanzielle Abhängigkeit, Ausverkauf an Konzerne und politische Instabilität. Dies sind die westlichen Werte, für die eine korrupte Elite ihr eigenes Volk in den Tod schickt.
.... wer angesichts solcher volkswirtschaftlicher Zustände die Aufnahme in die EU propagiert, ist entweder ein Zyniker oder ein Illusionist.

Im letzten Drittel wird auch Baab Opfer der hybriden Kriegsführung, als ihm durch den Vorwurf er würde mit seinen Recherchen russische Propganda betreiben, die Lehrerlaubnis entzogen, gegenüber dem er sich juristisch erfolgreich gewehrt hatte. Baab berichtet auch vom Wandel des politischen Journalismus', dass zum Beispiel einem Scholl Latour niemand vorgeworfen hatte für den Vietkong zu schreiben. Auch Egon Kirsch oder Gerd Ruge, die vor Ort den Lauf von Revolutionen recherchierten wurden nicht in die Ecke von Kolaboratruren gestellt aber die Situation hat sich für den heutigen politischen Journalismus drastisch gewandelt, was Baab an der "Heimarfront" schmerzlich erfahren musste.
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Kommentare zu dieser Rezension


 Quoth (19.04.24, 21:16)
faktenbezogen und objektiv
Woran machst Du das fest? Ich begreife, dass die gute alte CAU einen so eindeutig prorussischen Dozenten nicht mehr haben wollte. Wäre auch nur mit einem Wort mal von den russischen Greueln die Rede, würde ich mir das Buch vielleicht besorgen. Da waren Andrej Kurkows "Graue Bienen" (von mir  hier besprochen) aufschlussreicher.

 Beislschmidt meinte dazu am 20.04.24 um 11:14:
Als nach 2014 sogar die Tagesschau von 14000 Toten durch die Bombardierung Kiews berichtete und auch verurteilte, ist das Narrativ des Donbass Konflikts mehr und mehr in die nordatlantische  Ausrichtung gerückt.
Dazu kommen die nicht unwesentlichen Gesprächsprotokolle der Betroffenen im Donbass, wo es kaum jemand gibt, der nicht Freunde oder Verwandte verloren hat.
Wie unter anderem auch die Stiftung Wissenschaft und Politik 2019 berichtet hat ...

https://www.swp-berlin.org/10.18449/2019S03/


Darüberhinaus wäre anzumerken, dass auch Oskar Lafontaine (ua) unermüdlich in Schriften und Vorträgen die Einseitigkeit der russischen Schuldzuweisung zum Inhalt hat.

Dass irgendwelche Universitäten den nicht staatsgetreuen Berichterstattungen folgen, ist das bekannte Produkt von Appeasement und Framing. Selber denken bleibt ein Privileg von wenigen.

 Quoth antwortete darauf am 20.04.24 um 13:43:
Das Selberdenken ist im breiten Strom russischer Propaganda auch nicht jedem gegeben!

Der von Dir gegebene Link passt zu den "Grauen Bienen" besser als zu diesem Buch. Eine gute und nüchterne Bestandsaufnahme der Vorkriegssituation im Donbas.

 Beislschmidt schrieb daraufhin am 20.04.24 um 16:20:
Eine Fernanamese vom Teledoktor ersetzt keine Pulsmessung in der Praxis.
So ist es auch bei gewissen Büchern. Da hilft nur Lesen und Notizen machen, kein leichter Stoff also.

 Quoth äußerte darauf am 24.04.24 um 08:19:
Nun, erstmal freue ich mich, dass es in den USA zu einer großen Koalition der Vernunft gekommen ist. Allein die Militärhilfe für Israel halte ich mit Bernie Sanders für absurd, weil es sich bei seinem Notwehrexzess gegen die Hamas selber schadet.

 Beislschmidt ergänzte dazu am 24.04.24 um 09:11:
dass es in den USA zu einer großen Koalition der Vernunft gekommen ist.
So, so, du freust dich also?  Das ist doch ganz im Sinne von Frau Strack Rheinmetall. Auf zur Front.

 Quoth meinte dazu am 25.04.24 um 18:22:
Ob es mir noch vergönnt ist, auch die hiesigen Moscow Marjories mit den Zähnen knirschen zu hören?

Antwort geändert am 25.04.2024 um 20:51 Uhr

 Beislschmidt meinte dazu am 25.04.24 um 19:56:
Ich ahne, dass du eine andere Meinung hast aber vermute, dass es dir zu viel Mühe ist. selbige auch zu begründen. 
Stattdessen lädst du dein einfach dein Zeuch hier ab.
Nun denn.

 Quoth meinte dazu am 25.04.24 um 20:51:
Ich habe nur versucht, Dir auf der Ebene Deiner Frau Strack Rheinmetall zu erwidern ...

 Beislschmidt meinte dazu am 26.04.24 um 07:16:
Überflüssige Diskussion.

 Beislschmidt meinte dazu am 28.04.24 um 17:34:
Die mögliche Wiederwahl von Biden wird den Krieg nach Europa bringen und auch deutsche Soldaten werden für die korrupte U sterben.

Der Verfasser Stephan Bryen ist nicht irgendwer...

NATO’s plan to try and ward off disaster seems to be to fill in gaps in Ukraine’s forces by importing “advisers,” waiting for the US to commit its army to the battle after the election in November. The Russians know this and are in a race to try and collapse Ukraine’s army before Biden returns to office, if in fact he does. If the Russians are successful, a bigger war in Europe will be avoided. If not, with the introduction of US forces, Europe will be plunged into World War III.

Hier der komplette Artikel
https://asiatimes.com/2024/04/nato-starts-deploying-troops-as-russia-races-to-win/

Antwort geändert am 28.04.2024 um 17:36 Uhr

 Pfeiffer (06.05.24, 16:43)
Putins brutaler Angriffskrieg gegen die Ukraine, der bis heute täglich das Leben unschuldiger Menschen kostet, ist durch nichts zu rechtfertigen - durch nichts! Er ist auch nicht, wie Baab es versucht, durch Hinweise z.B. auf Fehler des Westens/der USA zu relativieren. Was in der Ukraine geschieht, ist und bleibt ein Kriegsverbrechen
Im übrigen: Baab ist bekannt für einseitige "Berichterstattung" und wird in seriösen Journalistenkreisen sicherlich nicht in einem Atemzug mit Scholl-Latour, Ruge oder Kisch genannt.

 Beislschmidt meinte dazu am 06.05.24 um 17:49:
Mir ist wohl bewußt, dass ich in der Position, die Amerika als Kriegshetzer und Völkerrechtsverletzer sieht, in einer Minderheit bin. Aber so einfach ist die Situation eben nicht, dass Putin an allem schuld ist, denn wer fragt heute noch nach den 14 000 Zivilisten die in der Ostukraine von Kiew getötet wurden? Man kann es sich einfach machen und Roderich Kiesewetter applaudieren, mir aber geht es auch um die Russen in der Ostukraine, die gnadenlos von Kiew niedergemetzelt wurden.

Da unsereins ja für die Gegenseite unglaubwürdig ist und alles Vorgebrachte mit Standardfloskeln schnell abgebürstet wird, bringe ich halt einige Zitate aus dem Beitrag von Bernie Sanders für "Foreign Affairs":

Seit dem Zweiten Weltkrieg hätten beide Parteien mit der Verbreitung von Angst und Lügen die USA in "katastrophale und nicht zu gewinnende militärische Konflikte im Ausland verwickelt". In Südostasien seien dabei bis zu drei Millionen Vietnamesen, Kambodschaner und Laoten sowie mehr als 58.000 amerikanische Soldaten getötet worden .

Dazu kämen Putsche wie im Iran, in Guatemala, im Kongo oder Chile, die von Washington durchgeführt oder unterstützt worden seien. Dem folgte später der von der Bush-Regierung gestartete "Globale Krieg gegen den Terror" in Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001. Dabei wurden "fast zwei Millionen US-Soldaten und über acht Billionen Dollar" eingesetzt, abgesehen von den katastrophalen Kriegen in Afghanistan und im Irak – letzterer wurde dabei "auf einer glatten Lüge aufgebaut".

Aber aus den Desastern habe man nichts gelernt, so Sanders weiter: "Allein in den letzten zehn Jahren waren die Vereinigten Staaten an Militäroperationen in Afghanistan, Kamerun, Ägypten, Irak, Kenia, Libanon, Libyen, Mali, Mauretanien, Mosambik, Niger, Nigeria, Pakistan, Somalia, Syrien, Tunesien und Jemen beteiligt. … Das US-Militär unterhält rund 750 Militärstützpunkte in 80 Ländern und verstärkt seine Präsenz im Ausland, da Washington die Spannungen mit Beijing verschärft."

Denn solange Konzerne und Milliardäre das ökonomische und politische System kontrollierten, würden außenpolitische Entscheidungen von den materiellen Interessen dieser Gruppen angeleitet und nicht von den Bedürfnissen des größten Teils der Bevölkerung.

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