Aufgespießt

Unverschämtheiten aus Politik, Promiszene und Alltag


Die Kolumne des Teams " Aufgespießt"

Montag, 25. Juni 2007, 22:10
(bisher 5.276x aufgerufen)

Wird der Bürger zum Strich-Code?

von  AlmaMarieSchneider


Ist dieser Gesellschaft eigentlich bewusst wie weit sich unsere Demokratie im „Kampf gegen den Terrorismus“ vom ursprünglichen freiheitlichen Selbstverständnis entfernt hat?

1983 wurde vom Bundesverfassungsgericht im „Volkszählungsurteil“ die systematische, maschinell gestützte Durchleuchtung der Bevölkerung verboten.
Jedermann könne grundsätzlich selbst entscheiden was er wem gegenüber von sich preisgeben möchte, heißt es dort.
Anhand der momentanen schon gängigen Praxis, die systematische Ausspitzelung der Bürger durch Behörden, wird erschreckend klar, wie fremd uns bereits das verfassungsrechtlich garantierte Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung, geworden ist.
Schritt für Schritt werden unter dem Deckmäntelchen der Terrorgefahr diktatorische Steuerungs- und Überwachungsmittel für Rechtens erklärt.
Plötzlich ist Behörden erlaubt Informationen über Bankbewegungen und Kontostände einzuholen, Reiseinformationen abzufragen, E-Mailverkehr und Telefonate zu überwachen und es wird noch schlimmer. Hat man nun biometrische Daten und Fingerabdrücke für Pässe bereits geschluckt sollen auch noch Gen- und DNA-Datenbanken angelegt werden. Natürlich würde aus Datenschutzgründen alles verschlüsselt werden, beruhigt man aufgebrachte Nachdenker und Skeptiker.
In Hessen, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen wurde ohne viel Aufhebens die Präventiv-polizeiliche Telekommunikationsüberwachung eingeführt. Hier genügt schon, dass ein mutmaßlicher Terrorist in der Nachbarschaft eines braven Bürgers wohnt um auch dessen Lebensumfeld und Freunde zu durchleuchten. Macht nichts, man hat ja nichts zu verbergen, denkt man.
Doch Klick für Klick verschieben sich mit den gesammelten Informationen auch politische Gewichte. Meinungsfreiheit wird zum Spießrutenlauf.

1949 stellte George Orwell in seinem Buch 1984 die Utopie eines totalitären Überwachungs- und Präventionsstaates vor. Big Brother galt einmal als Horrorvorstellung, unvereinbar mit Demokratie und freiheitlichem Denken.

Hoffentlich wird das Erwachen nicht zu entsetzlich!

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 AndreasG (26.06.07)
Bei diesem Thema bin ich sehr zerrissen, denn der unnützen Sammelwut von persönlichen Informationen (unnütz, weil niemand die riesigen Datenmengen überblicken kann) steht der genauso seltsame Trieb der völligen Abschottung gegenüber. Zwei Extreme, die ich nicht nachvollziehen kann - und die ich gefährlich finde. Besonders der Umgang mit den elektronischen Möglichkeiten ist in beiden Extremen unerträglich: völlige Durchleuchtung gegen völlige Anonymität. - Wichtig wäre es, dass eine starke Datenschutzstelle einer solchen Sammelstelle gegenüber steht und ihr auf die Finger klopfen kann. Aber dafür ist natürlich kein Geld da ... genauso wenig Wert wird auf eine unbedenkliche Auswertung gelegt oder überhaupt auf eine sachliche Auswertung. Das Motiv hinter der Sammelwut ist also zweifelhafter als das Sammeln selber. Sicherheit? Menschenleben? - Quatsch. Als wenn es darum ginge! - ... - Liebe Grüße, Andreas

 AlmaMarieSchneider (26.06.07)
Das Problem ist die staatliche Lenkung und dahinter steht schon lange nicht mehr das Volk, eher einzelne Interessengruppen.
Anhand des Urteils von 1983 und der 2007 praktizierten Realität wird die ursprüngliche Gewaltenteilung zur Farce.
Wer sollte vor Datenmißbrauch schützen. Da gibt es niemand.
Vermute, daß eher eines Tages die Mißbraucher geschützt werden.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram