im Nordwesten nichts Neues

Alltagsgedicht zum Thema Erkenntnis

von  Maroon

alte Briefe gelesen
die Welt war früher
nicht besser als heute
nur auf wundersame
Art und Weise anders
die Tage lang
die Nächte kurz
die Zukunft rosig
die Vergangenheit vorbei
die Probleme lösbar
das Glück tief
der Moment ewig
alle Schlüssel golden
und Antworten wahr

wir fallen durch Jahre
wie Steine in einen Brunnen
so tief, wie das Leben

alte Lieder gehört
die Musik war früher
nicht besser als heute
nur auf wundersame
Art und Weise neu
wir hörten sie nicht
um uns zu erinnern
wir hörten sie
um aufzubrechen
um uns zu erkennen
um Worte zu finden
um Eltern zu ärgern
und um abzuhotten
auf endlosen Parties

wir beschallen
unsere grauen Alltage
mit Vergangenheit

alter Liebe gedacht
Gefühle waren früher
nicht anders als heute
nur auf wundersame
Art und Weise tiefer
wie Schmetterlinge
und Achterbahnen
es machte Zoom
wir liefen vor Laternen
hatten Brause im Bauch
gingen Hals über Kopf
in Anderen verloren
waren unzurechnungsfähig
und zeitweise blind

wir reichen uns Hände
nicht um zu berühren
nur zum Festhalten

alte Bücher gelesen
die Texte waren früher
nicht wahrer als heute
nur auf wundersame
Art und Weise weiter
dehnten Horizonte
zeigten neue Wege
öffneten unsere blicke
wühlten uns auf
veränderten Sichtweisen
statt sie zu festigen
ermutigten uns
und dachten nicht daran
für uns zu denken

wir konsumieren Inhalte
um uns zu bestätigen
nicht um zu entdecken


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Kommentare zu diesem Text


 Saira (05.11.25, 12:29)
Moin Maroon,
 
„Nicht besser, nur anders“ – das ist wohl das ehrlichste Fazit, das man einer ganzen Epoche widmen kann.
 
LG
Saira

 Hannes (05.11.25, 20:31)
 diese Zeilen konsumiert
nicht nur 
um mich zu bestätigen
sondern um mich
wieder mal zu entdecken
starkes Herzklopfen
atemlos
Der
Hannes

 AchterZwerg (06.11.25, 06:56)
Lieber Maroon,
eigentlich hat das (gute) Gedicht in meinen Augen etwas Überlänge - andererseits passt gerade dies vorzüglich zum ewigen Kreislauf des Werdens und Vergehens.

LG
der8e

 TassoTuwas (06.11.25, 09:28)
Moin Maroon,
vor Nostalgie ist keine Generation sicher. 
Es braucht nur ein bisschen Alter, etwas Restgesundheit und ein wenig Erinnerungsvermögen, mit einem Wort, Glück.
Wenn ich daran denke, was auf dieser Welt in den nächsten fünfzig  Jahren auf  die Jugend von heute zukommt, erscheint mir so ein traurig/schöner Rückblick kaum vorstellbar.
Ich würde es ihr gönnen!
Herzliche Grüße
TT

Kommentar geändert am 06.11.2025 um 09:31 Uhr
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