Morgenmanns Versuch die Distanz zu wahren

Monolog

von  S4SCH4

Morgenmann liegt im Halbschlaf und sinniert über die jüngsten Gedanken des heutigen Abends.

 

Gestern,

Du gewitzter Teufel und Scharlatan. Spionierst mir mein ureigenes Leiden aus und verwendest es gar gegen mich, das Fragment einer entwendeten und geschickt gedrehten Spiegelscherbe meiner Ansichten, sehe ich in den Ecken meiner Augen noch aufblitzen. Deine Worte sind gerade das, was mir dein Vorhaben als Mitstreiter und Schuldner verschafft.
Du saugst mich ein, unter falschen Vorzeichen.
Du saugst mich aus, als ein Nachahmer.
Du machst keine Vorwürfe, gibst keinerlei Richtung an, aus dem der Wind deiner Worte weht.
Du suggerierst lediglich.
Du liest mich aus und scheibst mich ab; auf andere Seiten und in ein anderes Buch.
Du bist die Zeit, die durch verpasste Zeit geschieht.
Und du bist zweifellos ich, doch ich muss nicht du sein.

M.

 

Er dreht sich um und schläft ein.



Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 Wastl (01.11.25, 11:31)
Ein (-e Art) Insichhinein-Gespräch?

Liebe Grüße

Wastl

 S4SCH4 meinte dazu am 01.11.25 um 17:26:
Der Monolog eines Halbschlafenden, wobei er die Eindrücke verarbeitet, die sich unterbewusst durch seinen Antagonisten Gestern lieferten. 

LG

 Saira (01.11.25, 15:18)
Dieser Text wirkt auf mich wie der erste Versuch, sich gegen das eigene Spiegelbild zu behaupten.
Der „Morgenmann“ will sich von „Gestern“ lösen – und erkennt doch, dass die beiden untrennbar miteinander verbunden sind.

Besonders stark finde ich den Satz: „Du bist die Zeit, die durch verpasste Zeit geschieht.“
Er beschreibt dieses paradoxe Gefühl, dass man das Leben oft erst versteht, wenn es schon vorbei ist.

Der Schluss – „Er dreht sich um und schläft ein.“ – klingt wie ein leises Aufgeben, als hätte der Gedanke sich selbst erschöpft.
Der Text endet nicht mit einer Lösung, sondern mit der Einsicht, dass man sich von sich selbst nicht trennen kann.

 S4SCH4 antwortete darauf am 01.11.25 um 17:21:
Hat M. vorher (Teil 4) bereits versucht sich kämpferisch zu geben, will er sich nun behaupten. Ja. U.a. mit der fast schon mantraartigen Distanzhaltungsparole eines „Du…usw.“.
Ferner ist es, wie du erkannt hast, jenes paradoxe Gefühl, das mitschwingt, indem es den M. unter Druck setzt, denn er will nicht „vorbei“ sein.
Die Einsicht am Ende ist nur eine Teillösung, nicht eine ganze-.  Und mit dieser Teillösung opfert sich ein ich auf, indem es sich teilt, und damit einen wohl ewigen Konflikt schürt. Doch was wäre die Alternative?
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online: