sabbernde Unendlichkeit

Text

von  autoralexanderschwarz

Mit zunehmenden Alter war auch sein Ekel vor den Menschen gewachsen, die ihm jetzt häufig nur noch wie Vieh erschienen; gedanken- und persönlichkeitslose Fleischmassen, die sich lediglich noch in dem Ausmaß ihrer Primitivität voneinander unterschieden, die sie so routiniert in der Öffentlichkeit zur Schau stellten. So saß er in den überfüllten Straßenbahnen seiner Zeit und betrachtete sie zuweilen aus dem Augenwinkel, wie sie in die Bahn schwappten, wie sie sich umsahen, wie sie versuchten, den besten Platz für sich selbst zu ergattern und dann sofort, sobald der Körper einen Halt gefunden hatte, auf ihr Smartphone starrten, mit dem Daumen und den Fingernägeln über das Display fuhren und starrten, starrten, starrten, sich versenkten, von einem Inhalt zum anderen sprangen und sich lächelnd in die sabbernde Unendlichkeit scrollten, ab und zu einmal gehetzt aufblickten und sonst ganz und gar in dem kleinen Gerät gefangen waren, das wie ein antiintellektuelles Biozid jeden eigenen Gedanken in ihnen so nachhaltig abtötete, dass ihre Augen diesen stumpfen Glanz bekamen, der sie so ununterscheidbar und dabei hässlich machte. Selbst die Kinder boten dabei keine Ausnahme, sie füllten die Lücken zwischen den Erwachsenen und waren dabei ganz wie sie, versunken und gefangen in einer kleinen, dummen Welt, in der Daten und Algorithmen ihnen das Gefühl gaben, etwas ganz Besonderes zu sein. Was nur, fragte er sich manchmal in solchen Momenten schonungslos, was soll nur aus dem Menschen werden?



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Kommentare zu diesem Text


 Wastl (14.11.25, 19:37)
In der Hand, ein kleiner Gott ...

Gruß

Wastl

 Jack meinte dazu am 14.11.25 um 19:54:
Die Selbstdigitalisierung ist aber das geringste Problem.

 Wastl antwortete darauf am 14.11.25 um 21:04:
Eine gut durchdachte Vorbereitung zum halbkünstlich-halblebendigen Mensch.

 Kama (15.11.25, 16:27)
Das ist seltsam. Mich erfasst eine unendlich schwere Traurigkeit in solchen Momenten, kein Ekel.

 autoralexanderschwarz schrieb daraufhin am 16.11.25 um 08:40:
Das ist wohl ohne Frage auch die schönere (und menschlichere) Reaktion, wobei hinter dieser wahrscheinlich das gleiche Gefühl von Hilflosigkeit (oder des Ausgeliefertseins) steht wie bei meinem Protagonisten.

 Mikael (16.11.25, 11:37)
Der Selbstekel des nicht dazugehörenden Intellektuellen schön beschrieben...tragisch in gewisser Weise mehr für ihn als für die anderen, die er beurteilt ohne das geringste über sie zu wissen

 Jack äußerte darauf am 16.11.25 um 23:56:
Hier steht die Wahrheit ziemlich genau in der Mitte zwischen dem Text und deinem Kommentar.
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