Die Perlenkette

Kurzgeschichte zum Thema Zuneigung

von  Martina

Du kennst doch noch meinen Exstiefvater. Er ist krank, todkrank. Knochenkrebs. Wir hatten nie viel Kontakt, und doch geht es mir nah, näher eigentlich, als wir uns standen. Weißt du:
Eine Perlenkette aus Plastik schenkte er mir, vor 20 Jahren, so eine, wie man sie auf der Kirmes oft als kleinen Preis in einer Schießbude oder im Ballonpfeilwerfen bekommt. Für mich aber war sie etwas ganz besonderes. Sie kam gemeinsam in einem Paket, in dem auch noch Geschenke für meine Geschwister darin waren. Zu Weihnachten war es, ich erinnere mich kaum noch daran, weil ich noch so jung war, noch nicht mal in der Schule. Welche Farbe sie hatte? Ich glaube bunt wie mein Gefühle, die so ein kleines Mädchen erröten lassen, weil man sie als junge Dame behandelt. Junge Damen haben doch Perlenketten. Ja, er hat mich auf den Weg dahin gebracht. Beschwören könnte ich Form und Farbe nicht, aber dass ich gelächelt hab, ganz tief in mich hinein. Seit dem Tag, an dem ich mir meines Geschlechtes bewusst wurde, wirklich bewusst wurde, durch diese alberne Plastikkette, seit dem Tag, spüre ich eine lose, doch immer währende Freundschaft. Nichts inniges, und doch gerade so viel, dass ich da bin, wenn er mich brauchen sollte. Ich vergesse niemals jemanden, der mich glücklich gemacht hat, wenn es auch nur für ein paar Sekunden war. Ich bin dankbar, auch über Jahrzehnte hinweg. Nein, es lag nicht an dieser Perlenkette, es lag an dem Gefühl, das ich bekam. Das Gefühl etwas besonderes zu sein. Ich begriff mich als Individuum. Wenn ein Mann einem Mädchen eine Kette schenkt, egal wie wertlos sie im Material ist, so ist es immer, immer ein besonderes Erlebnis, welches sich tief einprägt. Mit dir hatte ich auch Erlebnisse, auch sie haben mich geprägt, mich zu der gemacht, die ich heute bin. Auch dafür bin ich dankbar, und auch dafür werde ich für dich da sein, egal, wann es sein sollte. Es verjährt nicht. Auch du hast mir eine Kette geschenkt, deine war silbern, mit einem Herzanhänger. Und ich, ich schenke auch Ketten, immer noch, nur anderer Art. Sie sind durchsichtig und verbinden mich lebenslang. Und sie sind wertvoller, als jedes Schmuckstück es sein könnte. Unbewusst verschenke ich es denjenigen, die gut zu mir waren. Wie du!

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Kommentare zu diesem Text

SweetAngel (28)
(04.10.06)
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