Niemals gut genug

Kurzgeschichte zum Thema Kritik/ Kritiker

von  Martina

Leni lockerte die Zügel, mit denen sie sich selbst immer viel zu fest im Zaum hielt. Zuerst hatte sie es nicht bemerkt, es kam schleichend. Nun dachte sie beschämt über alles nach.

Diese überhohen Ansprüche, die man an sich selber stellte, und denen man nie gewachsen zu sein schien. Diese ewige Unzufriedenheit, die Löcher in die Seele nagte, wie in einem Leerdamer Käse.

Mittlerweile bezog sie sogar ihre Umwelt mit ein. Es gab immer etwas auszusetzen, immer etwas zu verbessern. Sie konnte einfach nichts akzeptieren, wie es war. Ihre Augen machten sich immer auf die Suche, Fehler aufzuspüren.

Kein Wunder, dass sich die Menschen vor ihr zurückzogen und sie mieden. Leni wurde zwar noch gemocht, denn man kannte sie noch von früher, als sie noch ganz anders war, als sie noch fünfe gerade sein lassen konnte.

Aber heute konnte ihr niemand mehr etwas recht machen. Es gab dauernd etwas, das sie störte und ihren Widerwillen auf sich zog. Leni kam es nicht in den Sinn, dass sie der Grund war, warum keiner mehr kam. Sie schob es auf die wenige Zeit, auf den Stress, oder darauf, dass die anderen wohl gerade eine schwere Phase durchmachten.

Sie nahm es hin, und wartete geduldig auf die Veränderung. So vergingen Wochen und Monate. Nichts veränderte sich. Da ging ihr langsam, ganz langsam, allmählich ein Licht auf.

Sie traf auf Menschen, die ihr Verhalten spiegelten. Immer wieder gab es kleine Zwischenfälle, die ihr die Augen immer mehr für das wirklich Wichtige öffneten. Stück für Stück, bis sie endlich klar sehen konnte.

Gleich würde ihre Freundin kommen. Und sie würde ihr nicht sagen, dass der lila Pulli unmöglich zu der grünen Cordhose passte. Dass sie wohl wieder etwas zugenommen hatte und ihr Gang in den neuen Pumps schrecklich aussah.

Diesmal würde sie sehen, welche Anstrengung und welche Botschaft sich hinter all dem verbarg. Die Mühe, schön zu sein für andere und dazuzugehören, die würde sie diesmal nicht übersehen.

Nein! Diesmal würde sie ihre Freundin einfach in den Arm nehmen und ihr lachend ins Gesicht sagen: Es ist alles toll an dir! So wie du bist, bist du richtig, genauso mag ich dich.

Nie wieder wollte sie der Feundin Tränen der Entäuschung in die Augen treiben und sie kränken.
Wie konnte sie nur so unsensibel sein? Sie wollte nicht daran denken, was sie mit ihrem losen Mundwerk und ihrem Wahn, alles vollkommen machen zu wollen, angerichtet hatte.

Leni würde ihrer Freundin stolz unter den Arm greifen und mit ihr durch die Stadt schlendern. Das wollte ihre Freundin schon sehr lange mit ihr tun, aber sie hatte sich immer für sie geschämt. Für den heutigen Tag (und für die Zukunft nur wenns angebracht und gerechtfertigt ist) würde es nichts geben, was zu verbessern wäre, ausser ihrem Spleen, dass alles perfekt zu sein hat.


Anmerkung von Martina:

Steckt nicht in vielen von uns irgendwo ein bisschen Leni? Ich hab mich da doch etwas erkannt*räusper*
Ist aber immer nur gut gemeint =))

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Kommentare zu diesem Text

The_black_Death (31)
(05.02.07)
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 Martina meinte dazu am 05.02.07:
..und mir gefällt, dass du sofort erkannt hast, worauf es mir ankam. Lieben Dank dafür, Tina
Brunnenfrosch (34)
(05.02.07)
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 Martina antwortete darauf am 05.02.07:
Liebe Carina...sicher hast du Recht...Ich meinte das in meiner Geschichte aber eher so, wie Black Death das schon so treffend erkannt hat. Nämlich solche Menschen, die schon krankhaft unter ihrem Perfektionismus leiden:-)
Natürlich ist es gut, wenn eine Freundin ihre Meinung sagt, aber auch hierbei kommt es auf das WIE an ....Ich glaube, du weißt jetzt auch was ich meine...oder? Hab mich vielleicht nur nicht verständlich genug ausgedrückt...Grüße dich ganz lieb, deine Freundin Tina
Sensor (63)
(05.02.07)
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 Martina schrieb daraufhin am 05.02.07:
Schön, dass es dir gefiel....freut sich Tina
Klopfstock (60)
(05.02.07)
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 Martina äußerte darauf am 06.02.07:
Ja, liebe Irene...genau so ist es! Ich kann nur jedes Wort unterstreichen. Natürlich ist Kritik gut, wenn sie richtig angebracht ist. (deine zähle ich in jedem Falle dazu, grins, sie ist so- wie im zweiten Teil von dir beschrieben. Hilfreich und ehrlich) In meiner Geschichte geht es aber um den ersten Teil. Hab ich wohl, wie ich bei Carina schon angedeutet hab, vielleicht nicht passend genug rüber gebracht? Bezieh diese Geschichte in keinem Fall und an keiner Stelle auf dich.- Ich hatte schon befürchtet, das du es vieleicht so auffassen könntest. Aber so ist es keineswegs. Ich bin froh und schätze deine Tipps(ich nenne es für mich nicht Kritik) sehr.Bei diesem Text hab ich an einen anderen Menschen aus meiner Kindheit gedacht, der mir oft das Leben schwer machte, weil ich ihre Erwartungen nie erfüllen konnte. Hab es in diesem Text mal etwas verarbeitet. Einen lieben Gruss ion den hoffentlich schön werdenden Morgen, wünscht dir Tina
Klopfstock (60) ergänzte dazu am 06.02.07:
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steinkreistänzerin (46)
(06.02.07)
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 Martina meinte dazu am 06.02.07:
Jep, sis..so ist es...schön, das du dir die Zeit genommen hast, diesen längeren Text zu lesen. Meist kommen die gar nicht so gut an, habe ich festgestellt...Lg deine Tina
SweetAngel (28)
(16.02.07)
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