Wochen und Monate zogen ins Land und mit ihnen auch die Jahreszeiten.
Es war schon wieder Frühling und langsam schien es so, als ob der Kummer langsam aber sicher wie die Tautropfen auf den großen Blättern der Pflanzen, davon rann.
Chow lin Xing sprach, spielte und lachte wieder.
Er hatte es sehr gut bei seiner Tante und sie ermöglichte ihm ein wunderschönes Kinderdasein in ihrer kleinen Hütte am Fluss.
Da sie ihr Leben mit dem Flechten von Körben und Taschen verdiente, war sie stets zu Hause und konnte für ihren kleinen Schützling da sein. Sie liebte ihn wie seinen eigenen Sohn und er brachte ihr ebenfalls sehr viel Dank und Liebe entgegen.
Chow lin Xing war ein aufgewecktes Kind, wissbegierig und ebenfalls sehr kreativ veranlagt.
Schon früh lernte er die asiatischen Schriftzeichen und malte und verzierte von da an Leinenreste, alte Zeitungen und den Vorhang seiner kleinen Kammer.
Manchmal jedoch dachte er auch noch an seine Eltern, was natürlich vollkommen verständlich war. Seine Tante jedoch machte sich in diesen Momenten manchmal ernsthafte Sorgen, ob er die Sache wirklich verarbeitete und einfach durch das Kindsein an sich besser mit der Situation klar kam oder aber das Geschehen verdrängte. Letzteres wäre natürlich nicht gut für den Kleinen gewesen.
Chow lin Xing und seine Tante fuhren oft mit dem Boot über den Fluss. Chow lin Xing, immer öfter auch Chow lin genannt, liebte diese Tage. Wenn sie an den Bäumen vorbeifuhren, deren Äste und Blätter zum Teil ins Wasser ragten, wenn sich der Himmel zum Teil an ruhigeren Stellen des Flusses im Wasser spiegelte und die glänzenden und glitzernden Pigmente des Wassers an kleineren Schnellen zu sehen waren. All das faszinierte Chow lin.
Es war so beruhigend auf eine gewisse Art und Chow lin war stets vergnügt und redete wie ein Wasserfall oder sang sein Lieblingslied vom kleinen Pandabären
Wo die Bäche silbern sind
und Gräser schaukeln sanft im Wind,
wo alles still und friedlich ist,
wo Bäume steh'n im satten Grün
und leuchtend bunte Blumen blühn,
wo jeder frei und glücklich ist,
dort lebt Tao Tao,
unser Tao Tao,
kleiner Pandabär paß auf!
Paß gut auf dich und deine Freunde auf!
Und wenn Chow lin einmal schwieg, dann konnte seine Tante an seinem entspannten Gesichtsausdruck sehen, wie sehr er eins mit der Natur wurde und machte sich keine Sorgen, dass Chow lin ernsthafter Grübelei verfiel. Chow lin liebte die Natur, das stand fest.
Er sah den Menschen am Ufer zu, den Wasservögeln, wie sie von dannen schwammen oder nach Fischen tauchten, den Blütenblättern, sie kreisende Bewegungen auf der Wasseroberfläche machten und den Insektenschwärmen.
Abends, wenn beide hungrig waren, durfte Chow lin bei der Zubereitung seiner Lieblingsspeise helfen – Reisbällchen mit Lotuskern im Sesammantel.
Er liebte diese klebrigsüße Köstlichkeit über alles und wippte unruhig mit seinem kleinen Hosenboden auf dem Sitzkissen herum, bis die Bällchen fertig waren und er sie verputzen konnte.
Oft spielte er auch mit den Nachbarskindern Rhei la, Shi la und Lu das Tao-Zen-Steinspiel.
Dazu brauchten Sie fünfzig etwa gleichgroße dunkle runde Steine und einen etwas kleineren weißen Stein. Dieser kam in die Mitte einer großen roten mit hellem Sand gefüllten flachen, quadratischen Holzkiste. Jeder besaß diese Utensilien. Nun ging es darum, wer in kürzester Zeit das schönste und sogleich ordentlichste Ornament legen könnte. Eine Zeitspanne war festgelegt und wenn der Schiedsrichter den kleinen Gong schlug, mussten sie aufhören.
Chow lin gewann meist, obwohl Rhei la und Shi la, die übrigens Zwillinge waren, fast zwei Jahre älter als er waren. Der kleine Lu war der jüngste und machte sich nicht immer wirklich viel aus den Ornamenten. Er verscheuchte lieber die lästigen Ratten mit den Steinen und steckte für jede verscheuchte Ratte einen kleinen Bambusstab in den Sand neben der Hütte.
So hatte Jeder auf seine eigene Art Vergnügen an dem Spiel. Chow lin am Legen, die Geschwister am wetteifern und Lu an seiner eigenen Spielmethode.
Bald sollte Chow lin in die Dorfschule kommen. Von Shi la und Rhei la hatte er schon sehr viel davon gehört und er war gespannt. Eines Morgens war es dann endlich so weit. Eine Feder, Tusche und ein Block lagen auf seinem Platz am Tisch, eingepackt in kostbarem Seidenpapier, mit einem selbst gemalten Schriftzeichen sowie eine frischen, leicht rosa farbigen Lotusblüte verziert. Chow lin hatte glänzende Augen und freute sich wie ein kleiner Schneekönig. Vor lauter Aufregung bekam er kaum einen Bissen herunter und auch sein Jasmintee, den er für sein Leben gern trank wurde verschmäht und wurde an diesem Morgen kalt. Seine Tante konnte seine Aufregung verstehen und erinnerte sich lächelnd an ihren eigenen ersten Schultag. Dann brachte sie Chow lin zur Schule.
Chow lin drehte sich noch schnell einmal um und betrachtete das Boot am Wasser. Leise murmelte er: „Jetzt ist darf ich endlich zur Schule gehen, Papa“ und wendete seinen Blick wieder nach vorn und stapfte mit großen Schritten und einem breiten Grinsen neben der Tante her.
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