im Prinzip. dialogisch.

Prosagedicht zum Thema Kommunikation/ Dialog

von  Vaga

einen Gesichtspunkt schenke ich dir
hänge das Dingliche an den Nagel
und an deinen Lippen
von denen philosophisches Mehrwasser tropft
direkt in meinen offenen Mund

auf meiner Zunge liegen Stolpersteinchen
die klirrend zu Boden fallen
dir zu Füßen
das Löschblatt im Schoß
frage ich mich zu dir

es kostet uns nur die Welt
die dicht am Auglid beginnt
um unsre Sprache zu emanzipieren
um loszukommen vom bloßen Geplapper
uns zu lösen vom Zitieren und Kopieren

in Zwietracht berühren wir das Native
initiieren das Naive
das uns auf
und das Komplizierte
das uns anregt zum Impulsieren

nicht zu Ende stricken wir
den Komplex aus diffizilen Maschen
die wir fallen lassen
sobald unsre Ansätze vergreisen
im Sekundentakt

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Kommentare zu diesem Text


 souldeep (13.04.07)
das ist sehr eindrücklich.
ich fühle mich aufgefordert, hier noch einige male hindurch
zu reisen...
wie so oft bei dir - und doch hier besonders dicht und dadurch
vielschichtig deutbar, denke ich.

liebe grüsse
kirsten

 Vaga meinte dazu am 13.04.07:
Ich habe den Beginnsatz des Gedichtes gerade leicht modifiziert und hoffe, jetzt "fordert" es noch deutlicher auf . Danke u. lG dir.

 Isaban (13.04.07)
Zum 1,2,3 mal lesen, wieder was finden, noch mal lesen.
Wortgeschöpfte Bilder, spannend getropft, Zwietracht mal anders.

LG, Sabine

 Vaga antwortete darauf am 14.04.07:
Ja - ich wollte der Zwietracht positive Seiten gewinnbringend betrachten in Bezug auf das Kommunizieren. Danke Isaban - u. lG.
jaccolo (44)
(13.04.07)
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 Vaga schrieb daraufhin am 14.04.07:
Es freut mich, dich begeistern zu können durch Worte, Jaccolo. Das lyrische Ich zieht hier alle Register, um auf den Punkt zu bringen, was ihm erträumens- und erstrebenswert ist im Dialog, und dieser "Traumvariante" schließt sich das reale Ich der Verfasserin an . Wenn es auch nur ab und zu gelingt, ist diese Art der Kommunikation nicht mit Gold aufzuwiegen (denke ich)! LG dir!

 Bergmann (14.04.07)
Starke Verse, - aber teils zu intellektuell. (Das Rationale ist deine Gefahr...)

 Vaga äußerte darauf am 14.04.07:
Wie Recht du doch hast in deinem Kritikpunkt. Anstatt über die Dornen des Rationalen, die mir das Hirn zerstechen, zu lamentieren, sollte ich wieder einmal von den wilden Rosen in meinem kleinen Garten erzählen, die meinem Fühlbauch entwachsen. Zurzeit scheinen sie mir jedoch noch zu kurz"stilig" und ihre Blüten zu tief-schlummernd im Knospenstand, so dass ich geneigt bin zu warten, bis sie sich streckend öffnen und duften und strömen bis in meinen Schreibhandkelch, um sich entfaltend über Fingerspitzen hinweg zu setzen aufs glatte, fühlwarme Blatt, das erwartungsvoll, wohlweis-schneewittich und blutleer bereit liegt auf dem Sekretär . Herzlichst mit Dank grüßt die ebenholzige Vaga.

 Bergmann ergänzte dazu am 14.04.07:
Schon im Denken über dich selbst gesundest du - im übrigen finde ich das Rationale eine grundsätzlich wertvolle Stärke in deinem Schreiben! Auch das Hirn ist eine erotische Zone! Herzlichst: Uli

 Vaga meinte dazu am 14.04.07:
Oh - da drängt sich mir spontan eine Fragenkette auf: Gibt es Zonengrenzen im Hirn? Und wenn ja: Stocken wir diese nicht fortwährend selbst auf, um uns mental einzuschränken, anstatt diese "Mauern" klein zu halten, damit wir sie jederzeit überspringen können von einer Freiheit in die andere?

 Bergmann meinte dazu am 15.04.07:
Es gibt Zonenrandgebiete. Die Grenzen sind übrigens fließend. Mein Gehirn habe ich derart trainiert, dass die Mauern, von denen du sprichst, das Feuer der Freiheit nicht abschirmen. Willy Brandt sagte sehr richtig, es kommt zusammen, was zusammen gehört. Ein kultiviertes Gehirn ist auf starke Beanspruchung eingestellt. Mein Gehirn liebt jede Friktion. (Novalis: Alle Friktion ist Liebe.)

 Vaga meinte dazu am 15.04.07:
Ich mag deine Antwort, muss ein wenig schmunzeln bei dem Satz, du habest dein Gehirn trainiert. Es klingt so, als seiet ihr beide Partner. Du und dein Gehirn. Du bist es, der dich trainiert, du bist es, der die Friktion liebt. Dein Gehirn bist du . Oder? Wir können es nicht trennen von uns, sonst sind wir nicht (mehr).

 Bergmann meinte dazu am 15.04.07:
Ja, ich verstehe mich gut mit meinem Hirn. Ich entwerfe mich selbst, wenn ich mit mir rede. Ich entwerfe ein Über-Ich über dem Über-Ich, ein transzendentes Ich sozusagen, oder ein virtuelles, wie man will, und merke: Indem ich mich so denke, klone ich mich, ohne auseinander zu brechen, in mir ist eine Steuerungsinstanz, die alles trennt und zugleich zusammenhält, ich empfinde mich als Welle und Korpuskel, ich erlebe mich manchmal als Korpuskelwelle - und das erklärt auch das erogene Potential: Der Schwanz - um nur ein Beispiel zu nennen - hat de facto seinen Sitz im Hirn, nur de jure zwischen den Beinen. Und nie ist es möglich, noch nicht einmal denkbar, dass zwischen den Beinen mein Hirn sitzt oder ein zweites, das mit dem im Kopf in Konkurrenz träte. Was wir das Virtuelle nennen, ist in Wahrheit eine ganz reale, materiale Kraft. Und die Transzendenz, die ich jederzeit entwerfen kann und die ich spielerisch übersteige, so oft ich will, zeigt deutlich, wie göttlich ich bin, wenn ich nur will. So gesehen ist der Schwanz, von dem eben en passant die Rede war, eine göttliche Kraft, Welle und Korpuskel in einem, keine Welle ohne Korpuskel und keine Korpuskel ohne Welle, und so ist es auch mit dem Verhältnis von Wort und Tat. Ja, ich verstehe mich gut mit meinen Worten, und meine Taten verleugnen mich nicht.

 Vaga meinte dazu am 15.04.07:
Auch hier will ich meine Antwort kurz "formulieren": Du näherst dich in deinem Kommentar meinem Geist in dessen Bereitschaft zur Empfängnis. Verführerisch legst du dar, was geistige Kreativität vermag. Enthoben vom Geschlecht ist der Geist fähig, sich selbst zu befruchten, sich selbst immer wieder neu zu gebären, sich fortzupflanzen in sich und außer sich. Darin liegt Gott und Teufel, Erlösung und Gefahr. Dieses Potenzial zu erkennen erscheint mir wichtig. Denn die ungeschlechtliche Konzeption funktioniert auch extrakorporal, indem Geist und Geist sich finden im Augenblick der Konzeptionsbereitschaft. Die Ableger deiner Geisteskraft pflanzen sich in mein Hirn und dort fort. Dieser Prozess ist die Vorbereitung zu geistigen Kopfgeburten und - im Idealfall - Grundlage dafür, geistige Erkenntnisfähigkeit zu erlangen. (Interessieren würde mich, ob du diesen "Kommentar" als Text bereits vorbereitet hattest, oder ob du durch "Inspiration" meinerseits kreativlich dazu genötigt wurdest . LG dir u. Dank - Vaga.

 Bergmann (25.02.08)
Schöner Dialog zwischen mir und dir. Gern wiedergelesen.

 Vaga meinte dazu am 28.04.20:
Unser Dialog damals (2007): M. E. beispielhaft für 'inspirierende Kommunikation'. Herzliche Grüße - Vaga.

 Bergmann meinte dazu am 29.04.20:
Liebe Vaga,
in der Tat! Das ist nun schon so viele Jahre her! Ich denke, damals war kv noch sehr viel anders, angenehmer.
Ich wäre viel engagierter geblieben, wenn es so weiter gegangen wäre. Ich habe viel gelernt im Umgang mit sozialen Medien - aber ich merkte dann doch, dass mir die Kommunikation mit Autoren, die ich persönlich kennenlernen konnte, wichtiger ist, und echter - und literaturbezogener. - Aber ich will nicht zu sehr klagen. Ich habe nach wie vor persönliche Beziehungen mit kv-Autoren, gewesenen und aktuellen. - Herzlichst: Uli
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