Tag der Wahrheit

Kurzprosa zum Thema Chancen

von  NormanM.

Er lächelte, als er in der Bahn saß und sich dabei an einige schöne Momente, die er mit ihr verbracht hatte, erinnerte. Gleich würde er sie wieder sehen, darauf hatte er sich schon die ganze Zeit gefreut.
Diesmal war es aber kein Treffen wie sonst auch, sondern er wollte ihr nun endlich die Wahrheit sagen, nämlich, was er für sie empfand. Er spürte sein Herz klopfen, was es jedes Mal tat, wenn er sie sah, aber diesmal klopfte es besonders intensiv.
Er musste aussteigen. Gleich war es soweit, gleich würde er sie sehen. Er fror, obwohl es gar nicht so kalt draußen war und er eigentlich gar nicht so schnell fror. Eine Zigarette wäre nicht schlecht zur Beruhigung. Aber er hatte leider keine.

Sie war noch nicht da, als er am Treffpunkt ankam. Er zitterte förmlich, wie würde sie reagieren, wenn sie die Wahrheit erfuhr. Er wusste nur, dass sie nicht so empfand wie er, aber das verlangte er auch nicht. Er wollte sich nur befreien und es endlich rauslassen. Hauptsache, sie würde ihn dann nicht aus dem Weg gehen.

Sie kam. Es tat so gut, sie zu sehen. Sie zu sehen genügte, um ihn glücklich zu machen. Wenn sie das wüsste. Gleich würde sie es wissen. Nur wollte er nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, sondern begrüßte sie herzlich, wie sonst auch. Er wollte auf den richtigen Moment warten. Im Café wollte er es ihr sagen.
Im Café waren ihm aber zu viele Leute. Was wäre, wenn sie geschockt wäre und aufstehen und gehen würde. Alle würden es mitkriegen. Draußen, wenn sie das Café verließen, wollte er es ihr dann sagen. Die ganze Zeit grübelte er darüber nach, während sie dort saßen und er redete kaum.
Als sie das Café verließen und sie sich langsam auf den Weg machen musste, fand er, dass das auch nicht der geeignete Zeitpunkt wäre. Besser wäre, es ihr zu sagen, wenn sie mehr Zeit hätten.
Und so verabschiedeten sie sich.

Wieder hatte er es ihr nicht gesagt, weil es keinen geeigneten Moment dazu gab. Enttäuscht setzte er sich in die Bahn und fuhr nach Haus. Nach Hause, was soll ich da, dachte er sich.
Natürlich wusste er, dass er die Gelegenheit gehabt hatte, es ihr zu sagen, aber nur wieder zu feige war, aus Angst, dass sie ihm dann aus dem Weg gehen würde. Dabei war sein heutiges Verhalten ihr gegenüber wahrscheinlich noch schlimmer. Die ganze Zeit hatte er nur da gesessen und rumgegrübelt und kaum ein Wort gesagt. Gelangweilt hatte er sie wahrscheinlich. Dass er auf den richtigen Moment warten wollte, war nur eine Ausrede. Was ist schon der richtige Moment? Gibt es überhaupt einen richtigen Moment? Eins wurde ihm klar, wenn er weiterhin auf dem richtigen Moment wartete, würde es eines Tages vielleicht zu spät sein. Und wer weiß, vielleicht war es schon zu spät.

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Kommentare zu diesem Text


 Omnahmashivaya (08.12.07)
Ja, manchmal ist es dann zu spät. Aber manchmal kommt man auch darüber hinweg. Ich habe mir vorgenommen, nun immer sofort ehrlich zu sein bzw. mich zu trauen, es zu sagen. Manchmal empfindet das Gegenüber genau so und traut sich auch nicht. Ist mir auch schon einmal passiert. Lg Sabine

 NormanM. meinte dazu am 08.12.07:
Ja, so ist es oft, aber man denkt immer, das gegenüber empfindet so nicht und man hat angst, alles zu zerstören, wenn man die wahrheit sagt. Aber sagt man sie nicht, kann man auch viel zerstören, egal, ob das gegenüber auch so empfindet oder nict. Lg Norman
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