Schwarz gefahren

Kurzprosa zum Thema Bahnhof

von  NormanM.

Entspannt saß ich in der Bahn und genoss die Landschaft um mich herum. Meine Ruhe wurde gestört, als der Schaffner kam.
„Schönen guten Tag, die Fahrausweise bitte!“, brüllte er. Konnte er das nicht in normaler Lautstärke sagen, es war schließlich nicht jeder schwerhörig. Ich mochte diese Kontis nicht, ich fand sie nervig. Wie der schon aussah, ein Gesicht zum reinhauen.
Er war noch etwa zwei Sitzreihen von mir entfernt, ich schloss die Augen und tat als schliefe ich.
„Schönen Guten Tag, Ihren Fahrausweis bitte!“, hörte ich seine nervige Stimme neben mir, er meinte dann wohl mich. Am liebsten hätte ich einfach nur gesagt: „Halt ´s Maul und verpiss dich!“, aber ich reagierte nicht und ließ meine Augen geschlossen.
Er schüttelte mich am Arm, am liebsten hätte ich ihn eine geknallt. „Ihren Fahrausweis“, sagte er noch lauter. Ich öffnete ganz langsam meine Augen, als sei ich eben erst wach geworden.
„Was?“, fragte ich verschlafen.
„Ihren Fahrausweis!“, sagte er genervt.
„Ich weiß nicht, wat Se wolln“, zuckte ich mit den Schultern und schloss meine Augen wieder.
„Ihre Fahr-kar-te möchte ich se-hen“, erklärte er.
„Meine?“, fragte ich.
„Ja, IHRE!“
„Ach so, ja, Moment, muss ich mal eben suchen.“ Ganz gemütlich und langsam griff ich in meine Manteltasche. Da war kein Portemonnaie drin. Ich griff in die andere Manteltasche, da war es auch nicht drin. Ich sah ihn an und lachte ganz verschämt. Er stand nur ganz genervt da.
„Etwas schneller bitte“, drängte er.
Ich griff in die Innentasche meines Mantels, und dort befand sich auch mein Portemonnaie.
„Ah, da haben wir es ja“, lachte ich laut. „Sie kennen das sicherlich auch, dass Sie manchmal vergessen, wo Sie Ihr Portemonnaie hingetan haben.“
„Nein, kenne ich nicht“, meinte er darauf.
„Oh“, meinte ich nur.
„So, ich habe jetzt immer noch nicht Ihren Fahrausweis gesehen. Was ist denn jetzt damit?“
„Ach so, ja, den haben Sie ja noch nicht gesehen, richtig. Wissen Sie, ich bin nämlich noch nicht ganz wach“, lachte ich wieder.
„Na, so etwas auch“, er wieder.
Ich öffnete das Portemonnaie, wo sich keine Fahrkarte drin befand.
„Na nu, seltsam, ich hätte glatt gedacht, dass ich sie darein getan habe“, sagte ich ganz erstaunt. „Tja, dann muss sie wohl, woanders sein, näch?“
So stand ich auf und griff in beide Hosentaschen. Nichts. „Tja, wo könnte sie denn dann sein, mal überlegen…“
„Vielleicht haben sie ja auch gar keine?“, stellt er dann fest.
„Ich? Natürlich habe ich eine, was denken Sie von mir? Ich muss sie nur finden!“ Ich durchsuchte meine Arbeitstasche. Auch nichts.
„So, das reicht jetzt, Schluss mit dem Theater“, verkündete der Schaffner. „Ihren Namen bitte!“
„Das darf nicht wahr sein, ich hab sie verloren“, meinte ich verzweifelt.
„Ihren Namen!“
„Wirklich, wirklich, glauben Sie mir, ich hatte eine Fahrkarte, ich hab sie nur verloren“, sprach ich hektisch auf ihn ein. „Und jetzt fahr ich schwarz, wie konnte das passieren? Ich kann es nicht fassen. Wie konnte ich nur meine Fahrkarte verlieren und jetzt schwarz fahren. Ich wollte das nicht, bitte glauben Sie mir, es tut mir so leid.“
„Schon gut, ich glaube Ihnen ja, dass es keine Absicht war, aber ich muss dennoch Ihre Personalien aufnehmen“, erklärte er.
„Oh Nein, was passiert jetzt? Werde ich angezeigt? Dann bin ich ja vorbestraft und ich komme ins Gefängnis“, kam es voller Panik aus mir heraus.
„Nein, beruhigen Sie sich doch. Sie kommen nicht ins Gefängnis. Sie müssen nur 40 Euro zahlen, und Sie bekommen auch keine Anzeige.“
„40 Euro???? Das ist doch zu viel, ich habe eine Frau und drei Kinder zu ernähren. Wie soll ich es denen nur beibringen. Und wenn ich das Geld nicht bezahlen kann, krieg ich doch eine Anzeige. Hilfe, mein ganzes Leben ist vorbei.“
„Bitte bitte, beruhigen Sie sich!“
„Nein, ich kann nicht, es ist alles vorbei. Ich werde alles verlieren, meine Familie, alle werden mich für einen Verbrecher halten. Ich kann so nicht mehr weiter leben. Ich bring mich um!“
Ich nahm eine Tüte und stülpte sie mir über den Kopf. „Ich darf mit dieser Schuld nicht weiterleben, ich muss meinem Leben ein Ende setzen.“
Der Schaffner riss mir die Tüte vorm Kopf. „Schon gut, schon gut, Sie müssen keine 40 Euro zahlen, ich werde die Sache vergessen“, sprach er schweißgebadet auf mich ein.
Wir waren inzwischen auch schon am nächsten Bahnhof angekommen, er rannte kreidebleich raus. Alle Leute im Zug sahen mich ebenso kreidebleich an.
Ich blies meine Backen auf und setzte mich wieder, während ich die Luft auspustete. Irgendwie wurde es mir langsam zu anstrengend, jedes Mal dieselbe Show durchzuführen. Das nächste Mal würde ich mir einfach ´ne Fahrkarte holen.


Anmerkung von NormanM.:

Inspiriert durch einen Sketch zu dem Thema. Weiß leider den namen dieser sendung nicht mehr, ist auch schon sehr alt.

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Kommentare zu diesem Text

Lacrima (20)
(14.12.07)
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 NormanM. meinte dazu am 14.12.07:
Es soll ja mehr eine lustige geschichte sein, wobei es um die pointe geht. Dass sich da einer umbringen will und im nächsten moment sich herausstellt, dass es nur eine show ist. Aber irgendwie scheint es nicht rüber zu kommen.
Und selbst wenn es ernst gemeint wäre, so wie die bahn die kunden verarscht, hat sie auch mal einen denkzettel verpasst.

Gruß Norman

 Omnahmashivaya antwortete darauf am 04.05.15:
Watn kommentar, echt...

 Omnahmashivaya (04.05.15)
Gelungene Geschichte und passend zum Streik - nur gehen dieses Mal die anderen leer aus... Pointe direkt verstanden und freue mich, wenn es wieder einmal "aufgeführt" wird...
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