Die Namenlose

Text

von  tulpenrot

Die Namenlose

„Nimm alles nicht so schwer“, sagt sie zu mir, einfach so auf der Straße. „Mach dir jeden Tag eine Freude. Seitdem ich meine Schwester so nehme, wie sie ist, geht es mir viel besser mit ihr. Ich hab viel dazu gelernt. Du musst es auch so machen. Nimm nicht alles so schwer.“

Sie ist eine kleine alte Frau. Sie hat sich ein kindliches Gemüt bewahrt, trotz ihres Alters.
„Geht es dir gut?“ fragt sie jedes Mal, wenn wir uns begegnen. Wir begegnen uns selten. Ich weiß eigentlich gar nicht, weshalb wir uns grüßen, wüsste nicht, was uns verbindet.
Sie fing eines Tages damit an:
„Einen wunderschönen Tag wünsche ich." Damit redet sie auch sonst die Menschen an, und mit einem kleinen Knicks betont sie ihre Worte. "Geht es dir gut?“ So begann es vor Jahren. Im Supermarkt.

So findet sie ihre Gesprächspartner.

„Und wie geht es dir?“ frage ich immer ein wenig verlegen.
„Nachmittags und abends geht es mir besser.“ antwortet sie heute. Es ist eben zwölf Uhr. Ziemlich genau sogar, weil ich noch schnell vor Toresschluss bei der Post war. Und die schließt um zwölf.

„Und wie geht es deiner Tochter?“, will sie wissen. „Sag ihr einen schönen Gruß.“ Den sage ich gerne weiter. „Und nimm nicht alles so schwer. Du musst es auch wirklich tun “, ruft sie mir hinterher.
Ich lache und verspreche es ihr. Wenn diese kleine Person wüsste, wie wichtig sie heute für mich ist. Wie heißt sie noch gleich? Ich kann mir ihren Namen einfach nicht merken.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (16.02.08)
Eine seltsame, aber offensichtlich wichtige Begegnung. Vielleicht erfährt sie auch einmal den Namen. LG

 tulpenrot meinte dazu am 16.02.08:
Ich habe ihren Namen einmal erfahren - aber ich weiß ihn nicht mehr. Es ist mir peinlich. Aber so geht es manchmal.
Danke für deine Empfehlung!
LG
Angelika
chichi† (80)
(16.02.08)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 tulpenrot antwortete darauf am 16.02.08:
Wahrscheinlich ist sie das. Aber ihr sonniges naives Gemüt tut einfahc gut - und heute war es wirklich aml wieder erfrischend - wenn ich auch immer nicht zuuu lange stehen bleiben mag.
Danke für dein Empfehlung.
LG
Angelika
P.S. Ich werde die RSFehler noch ausbessern. Hatt keine richtige Zeit dazu.

 AlmaMarieSchneider (21.02.08)
Es gibt Menschen, die die große Gabe haben auf andere Menschen zuzugehen. In Asien ist es ein Lächeln und Menschen plaudern miteinander. Mit Einsamkeit hat das wenig zu tun, eher mit der Fähigkeit als ein soziales Wesen zu leben. In Deutschland hat man das leider verlernt oder vergessen.
Abschotten, abgrenzen, einzäunen, den Anderen übersehen, das hat sich so eingestellt. Lächelt der Andere ist er einsam und hat Mitleid verdient. Warum?

Schöne Geschichte. Sie hat sehr viel Inhalt ohne daß es direkt ausgesprochen wird.

Liebe Grüße
Alma Marie

 tulpenrot schrieb daraufhin am 23.02.08:
Liebe Alma Marie,

einen ganz lieben Dank für deine Worte und für deine Empfehlung.
Du hast Recht, eigentlich ist es nicht richtig anzunehmen, solche Leute seien einsam. Da ich einfach absolut nichts weiß über diese Frau, d.h. ich weiß durch ihre Worte, dass sei mit ihrer Schwester zusammenlebt, kann ich auch nciht wissen, ob sie einsam ist oder nicht. Sie hat so etwas kindlich Herziges, dass man sich ihr nciht entziehen kann - sie zaubert mir immer ein Lächeln auf die Lippen. Es ist erfrischend - auf keinen Fall lächerlich oder bemitleidenswert, wie sie mit einem umgeht. Die ganzen Tage seit der letzten Begegnung dachte cih anihre Worte - und merkte, wie schwer mir das fällt: "Nimm alles nicht so schwer."

Liebe Grüße
Angelika

 Maya_Gähler (25.02.08)
Diesen gutgemeinten Ratschlag der Frau anzunehmen ist einfach. Ihn umzusetzen sehr schwer. Ihn zu leben noch mehr.
Aber wenn es einem gelingt ihn wenigstens ab und zu zu beherzigen, dann hat man sich schon viel Gutes getan.
Eine weise Frau, deine Namenlose.
Herzliche Grüsse,
Maya

 tulpenrot äußerte darauf am 25.02.08:
Liebe Maya,

das ist wahr! Und vor allem, wenn man sie sieht - diese kleine alte Frau, dann traut man ihr so viel Lebensweisheit gar nicht zu. Ich denke auch immer noch darüber nach und merke, wie weit ich davon in meinem Leben weg bin.

Danke für deinen Kommentar und deine Empfehlung. Das freut mich, wenn du diesen Text so gut bewertest.

LG
Angelika
Jonathan (59)
(26.01.13)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 tulpenrot ergänzte dazu am 27.01.13:
Pointe verpeilt! aber macht nichts - ich kenne sie und das ist die Hauptsache.
Und die Sternchen, für die ich dir danke
Grüße lieb
tulpe
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram