Kartoffelernte

Kurzprosa zum Thema Erinnerung

von  Momo

Gestern machte ich einen Herbstspaziergang am Rande der Stadt, dort, wo sich der Fluss und seine kleineren Nebenarme durch ebenes Marschland schlängeln und der Blick die Weite des Himmels wahrnehmen kann. Der Himmel war von einem beruhigenden blassblau, unter dem ein paar weiße Wolken hingen und das Licht der Herbstsonne tauchte das Sonnenblumenfeld neben mir, die grünen Weiden, die sich vor mir erstreckten und die noch blühenden Wildkräuter und den plusterig silbrig schimmernden Samenstand vieler Pflanzen in ein mild glänzendes ländliches Panorama. Ich beschloss, einer plötzlichen Eingebung folgend, über ein metallenes Gatter zu klettern, das den Weg von einer Viehweide abgrenzte, um einem kleinen Flussnebenlauf folgen zu können. Weiter weg standen einige Kühe, aber sie waren noch sehr jung, so dass ich nichts von ihnen zu befürchten hatte, selbst, wenn sie voller Neugier näher kommen sollten, um mich in Augenschein zu nehmen.
Ich ging langsam einen gerade noch erkennbaren Pfad entlang, der das Gras auf der Weide ein wenig ausgetrampelt hatte und passte höllisch auf, dass ich nicht in kleinere Kuhfladen trat, die in einigen Abständen überall lagen. Ich blieb oft stehen, nahm den schon spürbaren Ausklang der Natur in mich auf, die Luft, die an manchen Stellen nach Kuhdung und hin und wieder nach geerntetem Mais und feuchtem Gras roch – und plötzlich erinnerte ich mich daran, wie ich als Kind auf den Feldern meiner Oma bei der Kartoffelernte mitgeholfen hatte.
Meine Oma hatte einen großen Bauernhof, der, als ich Kind war, aber schon von meinem Onkel und seiner Frau bewirtschaftet wurde. Damals gab es noch keine modernen Erntemaschinen, die die Kartoffeln aus der Erde und sofort auf einen Traktoranhänger schafften. Sie wurden von einem Kartoffelpflug  rausgeschaufelt und blieben dann auf der Erdoberfläche liegen und die zur Verfügung stehenden Erntehelfer, Nachbarn, Tanten, Kinder, alle wurden auf das Feld geschickt, um die Kartoffeln in Körbe aufzusammeln.
Ich war damals vielleicht fünf oder sechs Jahre alt und stolz, dabei sein zu dürfen und ich genoss das Gemeinschaftsgefühl, dazuzugehören zu einer Gruppe, die eine wichtige Arbeit verrichtete.
Es war keine leichte Arbeit. Wir standen auf den schwarzen aufgebrochenen Erdschollen und sammelten mit unseren Händen mit gebücktem Rücken die Kartoffeln ein, die so furchtbar gut rochen nach Erde. Sie dufteten nach Erde und dem kommt kein Geruch gleich.
Später, im Kartoffelkeller, wenn sie dort lagerten in einer großen Holzkiste, rochen sie wieder ganz anders, ein wenig moderig, aber auch gut. Aber dort draußen auf dem Kartoffelacker, ganz frisch gerade aus der Erde gerodet, lagen sie da, nackt, bloß und ungeschützt, sich mit ihrem hellen Ocker abhebend von der schwarzen Erde, von der sie gerade eben noch ein Teil gewesen waren. Und uns, den eifrigen Sammlerinnen, entging so gut wie keine von ihnen.
Am Nachmittag gab es Vesper. Eine Tante brachte dann riesige Kaffeekannen und jede Menge belegte Brote. Dort draußen auf dem weiten Kartoffelfeld habe ich wohl den ersten Kaffee meines Lebens getrunken und nie wieder hat er mir so gut geschmeckt wie damals als kleine Kartoffelerntehelferin zwischen anderen Arbeiterinnen auf dem Acker.

Ja, daran erinnere ich mich manchmal, nicht oft, wenn ich Herbst rieche und weite, grüne Weiden und Felder sehe und dann bin ich froh, dass ich als Kind noch die Ursprünglichkeit der Natur erleben durfte.

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Kommentare zu diesem Text

chichi† (80)
(25.09.08)
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 Momo meinte dazu am 25.09.08:
An ein Kartoffelfeuer kann ich mich nicht erinnern, bei anderen Gelegenheiten ja, aber wenn ich an Kartoffelernte denke, habe ich immer diese Bilder vor Augen. Die haben bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Zwetschgenkuchen, hmm, lecker - bei uns gab’s nur belegte Brote, die schmeckten aber auch sehr gut.

Ich danke dir, Chichi, dass du meinen Text gelesen hast und freue mich, dass ich dich wieder für einen Moment in deine Kindheit entführen konnte. Danke auch für deine *.

Liebe Grüße
Momo
steyk. (55)
(26.09.08)
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 Momo antwortete darauf am 26.09.08:
Danke für deine Begleitung, Stefan. Freue mich darüber.
Hattest du auch einen Bauernhof in deiner Verwandtschaft?
Ich glaube, ohne die Erinnerungen daran wäre ich ein bißchen ärmer.

Liebe Grüße
Momo

 Dieter_Rotmund (22.10.18)
Guten Tag.

Momo, was die Lobhudler Dir eisern verschwiegen haben ist, dass schon im erste Satz etwas korrigiert werden muss, nämlich schlängelt-schlängeln (weil Plural!).

 Momo schrieb daraufhin am 23.10.18:
Hallo Dieter,

da schlängelt nichts, sie schlängeln, richtig.

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 18.09.19:
Insgesamt auch viel zu viele sperrige Schachtelsätze.

 Momo ergänzte dazu am 18.09.19:
Huch, nach einem Jahr noch einmal gelesen und für nicht gut befunden.
"Insgesamt auch viel zu viele sperrige Schachtelsätze."

Sagt jetzt wer? Ich meine, hältst du dich für die Instanz hier, die das generell beurteilen kann oder ist es deine Meinung, für dich, für deine Lesart zu sperrig.
Beispiele?

Ich habe mir den Text jetzt noch einmal durchgelesen und ich finde ihn durchaus lesbar. Also nicht so, dass man hinten nicht mehr weiß, was vorne gesagt wurde.
Es ist meine Art zu schreiben, das heißt, es war, denn der Text ist ja schon ein bisschen älter. :)

 Dieter_Rotmund (18.08.21)
blassblau -> Blassblau

Inhaltlich ist mir das etwas zu nostalgisch, es fehlen auch ein konsequenter Handlungsaufbau, Konflikte und innere Entwicklungen...
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