Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich
Predigt zum Thema Glaube
von tulpenrot
Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich. (Lukas 18,27)
Unmöglich bei Menschen - aber doch möglich!
Weshalb machst du so etwas, wurde ich kürzlich gefragt. Weshalb liest du in der Bibel, warum gehst du in den Gottesdienst? Weshalb predigst du? Was bringt das? Mach doch was Gescheiteres. Gib es doch auf. Und fange an zu leben! Das kann doch kein Leben sein - unmöglich!
Unmöglich sagen wir zu vielem, was uns umgibt. Unmöglich zu wissen für manche unter uns, wie eine Glühbirne funktioniert. Oder unser Telefon. Wissen wir, wie jeden Tag unser Strom in die Leitungen kommt? Oder wie können wir verstehen, dass man mit einer Null und einer Eins ganze Lexika mit Wissen füllen kann? Ganze Bibliotheken, Bilder und Töne erzeugen kann? Wissen wir, dass damit ein Computer, das Internet funktioniert?
All das war undenkbar vor einigen Jahrzehnten. Unsere Vorfahren wussten von all dem nichts! Man konnte noch nicht einmal davon träumen. Wenn man jemanden erwecken würde aus alter Zeit, dann würde er sagen: Unmöglich, dass man drahtlos mit einander kommuniziert, unmöglich, dass man fotografiert und ein Bild auf dem Bildschirm erscheint. Dass man übers Internet gleichzeitig mit 4 Leuten telefonieren und sich vernetzen kann. Unmöglich, dass man mit Mikrowellen kochen und backen kann. Dass man mit Laserstrahlen heilen, operieren kann. Unglaublich.
Wie viele Unmöglichkeiten umgeben uns? Wie viel unseres Lebens verstehen wir? Und gehen dennoch damit um, so ganz selbstverständlich? Wir leben, auch wenn wir nicht alles verstehen. Andere mögen es vielleicht verstehen. Aber wir?
Wir beobachten die Welt und wundern uns.
Manches kommt als Trick daher, verblüfft uns nur und es ist dennoch nichts dahinter - bestenfalls ein wenig Unterhaltung vielleicht. Manches zunächst Unerklärbare ist doch erklärbar, manches wird eines Tages erklärbar sein. Die Welt funktioniert - trotz der Rätsel, der Katastrophen, trotz des Unerklärlichen, trotz des Unmöglichen.
Wozu also braucht es Gott, der etwas möglich macht? Was sollte uns Menschen unmöglich sein? Ist es nicht eher eine Frage der Zeit, bis alle Rätsel gelöst sind? Ist es nicht eine Frage der Zeit, bis möglich ist, was uns heute unvorstellbar vorkommt?
Manches geht über unseren Horizont hinaus, manches geht uns über die Hutschnur. Wir verstehen nicht, was andere Menschen tun, wie sie reagieren - wie unmöglich sie sind.
Wie viele Unmöglichkeiten können wir ertragen?
Was bei den Menschen unmöglich ist, muss nicht unmöglich bleiben. Unser Wissensdurst treibt uns voran, unser Erfindergeist treibt Blüten, bringt Ergebnisse - gute und schlechte. Vieles Unmögliche wird möglich gemacht.
Selbst Humanität ist unter den Menschen nicht unmöglich. Auch Liebe ist nicht unmöglich. Der Mensch kann tatsächlich Unmögliches möglich machen.
„Unmögliches wird sofort erledigt, Wunder dauern etwas länger“ hängt an mancher Bürotür. Alles eine Frage der Zeit. Alles eine Frage unseres Wollens und Könnens. Manche mission impossible wurde erfolgreich durchgeführt.
Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.
Unmöglich für mich … dieses Wort aus der Bibel, diese Losung! Ich wiederhole: Einfach unmöglich! Geradezu ärgerlich.
Hab ich das richtig verstanden? Bei Gott sind alle Dinge möglich, die bei uns Menschen unmöglich sind? Ich mag dieses Losungswort nicht. Ein ganzes Jahr soll es mich womöglich ärgern. Ich mag es nicht, weil es hohe Erwartungen weckt - und meiner Ansicht nach ist die Enttäuschung vorprogrammiert. Denn warten nicht Kranke vergeblich auf Gesundheit, ein Blinder auf sein Augenlicht? Ein Arbeitsloser bekommt doch keinen Cent mehr durch dieses Wort, der Streit mit dem eigenen Kind oder dem Nachbarn hört deswegen nicht auf - Gott macht so was doch nicht möglich. Die Ehe eines Freundes bleibt ein ewiger Kampf - das ist eher möglich, als dass es unmöglich ist. Wo greift Gott da ein? Kein einziger Krieg wird beendet, die Umwelt weiter zerstört. Hoffnungen zerplatzen.
Und Gott steht auf der Verliererseite. Er verliert an Glaubwürdigkeit - wie kann man so etwas behaupten, dass bei Gott alles möglich ist, was bei den Menschen unmöglich ist? Unter diesem Blickwinkel scheint Gott nicht allmächtig zu sein. Deswegen ärgert mich diese Textstelle. Ich mag sie nicht.
Was also ist auf jeden Fall unmöglich bei den Menschen und möglich bei Gott?
Was kann man erwarten? Was darf man erwarten? Wie hoch darf ich meine Hoffnungen ansetzen?
Wie immer schau ich mir die Bibelstelle genauer an. Und stelle fest: Diese Aussage macht Jesus selber. Das hat also Gewicht. Und alle drei Synoptiker haben sie fast wörtlich übernommen. Sind die nicht darüber gestolpert? Vor allem Lukas war doch ein gebildeter Mann! Hat er, haben sie keine Bedenken gehabt? Wieso kann Lukas so etwas in seinem Bericht über Jesus aufnehmen?
Lukas schreibt, wörtlich übersetzt:
„Das Unmögliche ist bei den Menschen, (hat seinen Ursprung bei den Menschen),
das Mögliche ist bei Gott (hat seinen Ursprung bei Gott).“
Es hört sich in meinen Ohren so an, als ob er sagen wolle: Die Menschen haben ihre Grenzen, aber bei Gott gibt es keine Grenzen.
Lukas schreibt sehr kunstvoll. Er ist ein intelligenter Mann. Es ist schön, ihn zu lesen - er benutzt hier ein rhetorisches Stilmittel: Er parallelisiert in ganz einfachen Sätzen.
Unmöglich - möglich
Mensch - Gott
Warum schreiben auch Markus und Matthäus fast dasselbe?
Markus schreibt:
„Bei den Menschen ist es unmöglich, nicht aber bei Gott. ALLES ist möglich bei Gott.“ Das ist ein wenig anders. Markus betont, dass Gott ALLES - und wirklich alles, möglich machen kann. Alles Erdenkliche. Alles Wunderbare, alles Unausdenkliche.
Und Matthäus betont:
„Bei den Menschen ist DIESES unmöglich,
bei Gott aber ist ALLES möglich.“
Hört sich fast so an, wie ein toller Werbespot!
Dabei erinnere ich mich daran, dass Lukas an anderer Stelle (1,34ff) schon einmal etwas Unmögliches berichtet. Er schreibt über Maria, die ihre Bedenken gegenüber dem Engel äußert, als er ihr verkündet, dass sie ein Kind erwarten wird. „Wie soll das geschehen, “ erwidert Maria erstaunt, „da ich von keinem Mann weiß? Unmöglich - ich kann doch kein Kind erwarten!“ Der Engel jedoch weist darauf hin, was Gott schon an Unmöglichem getan hat: Auch Elisabeth erwartet ein Kind in ihrem hohen Alter. Das ist nahezu unmöglich und doch wunderbar - das Unmögliche ist ein Wunder, das göttlichen Ursprunges ist. „Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.“ erklärt der Engel. Und Maria? Sie reagiert mit Hingabe: ich gehöre dem Herrn. Mir geschehe wie du gesagt hast.“ Eine tolle Reaktion.
Aber dieses Wort: Bei Gott sind alle Dinge möglich … das ist doch eine tolle Werbung für Gott! Meinen alle drei Autoren, dies sei ein gutes Motto: „Kommt her zu Gott, hier habt ihr alles, was ihr euch wünscht. Unser Gott ist für das Unmögliche zuständig, was ihr als Menschen nicht könnt. Er aber kann es.“? Kommen sie so plump daher? … Warum schreiben sie es?
Diese Zeilen sind ja nicht eine isolierte Aussage, die einfach je nach Gutdünken vielseitig verwendbar ist, sondern eine Geschichte gehört dazu. Eine Begegnungsgeschichte und eine Erklärung, die mit dem berühmten Satz unserer Losung endet.
Die unmögliche Geschichte dazu
Zu Jesus kommt ein vornehmer, einflussreicher, wohlhabender junger Mann. Reich zu sein, und das in jungen Jahren, ist etwas Besonderes, es wurde als göttliche Belohnung angesehen für gutes und richtiges Handeln. Der junge Mann ist der beste Beweis dafür: Er hat nach eigener Aussage, alle Gebote gehalten: Er hat keinen Ehebruch begangen, er hat seinen Vater und seine Mutter geehrt, er hat nicht gemordet und nicht gestohlen. Er hat nichts Verleumderisches über andere gesagt. Und offensichtlich hat Gott ihn mit Reichtum und Ansehen bei den Menschen gesegnet. Er hat sich nichts vorzuwerfen.
Dennoch fragt er komischerweise Jesus: „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu ererben?“ Sehnt er sich nach noch mehr Vollkommenheit? Oder ist er vielleicht auch sehr selbstsicher, und erwartet, dass Jesus ihn wegen seines untadeligen Lebenswandels lobt vor seinen Jüngern, in der Öffentlichkeit? Jesus antwortet sehr merkwürdig - obwohl er Sympathie für ihn hat - und wirft mit seinen Worten alle Maßstäbe über Bord. Er lobt ihn nicht, er würdigt nicht seine Verdienste, seine tolle Haltung und sein Pflichtbewusstsein, nein, sondern er sagt, er solle all seinen Besitz verkaufen und ihn den Armen geben! Das klingt unmöglich. Die Belohnung also gilt nichts? Den ehrbar erworbenen Reichtum soll er nicht behalten dürfen? Nicht genießen dürfen? Alles ist für die Armen, die nichts haben? Ja, es soll geteilt werden. Erst daran wird Vollkommenheit gemessen, nicht daran, wie gut jemand die Gebote einhält.
Die Gebote zu halten ist eigentlich selbstverständlich und nichts Besonderes und reicht bei weitem nicht, um ewiges Leben zu erlangen. Den Segen, der aus einem gottesfürchtigen Leben kommt, zu teilen - das hat Bedeutung vor Gott. Das ist Jesu Forderung an den jungen Mann.
Er war sehr reich - und er wurde sehr traurig durch diese Antwort. Ich denke, er war nicht allein deswegen traurig, dass er sich von seinem Reichtum trennen sollte, sondern weil er nicht so gut da stand, wie er erhofft hatte. Das, was ihn in Sicherheit wiegen ließ, zerfiel ihm zu einem Nichts. Er ist weit weg von Gottes Reich. Das war eine harte Nuss.
Auch die Zuhörer, die Jünger waren entsetzt über Jesu Antwort. Ja, sogar entmutigt: „Wer soll denn da das ewige Leben bekommen?“ fragen sie hilflos. Wer kann denn so ein Leben führen? Jesus steigert das Entsetzen noch durch einen zusätzlichen Vergleich: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr (geht ein dicker Strick durch ein Nadelöhr), als dass ein Reicher an Gottes Reich Anteil hat. Also einer, der allen Segen Gottes durch sein eigenes Rechttun nur für sich allein genießt, hat an Gottes Reich keinen Anteil. Es ist einfach unmöglich, das ein solcher Mensch in Gottes Reich kommt, dass er ewiges Leben ererbt. Kein Mensch kann das auf diesem Weg erreichen. Unmöglich! Der Mensch hat keine Möglichkeiten, vollkommen zu werden, das Reich Gottes durch das Einhalten von Geboten zu ererben. Der Reichtum, der Segen, der daraus kommt, ist keine Garantie.
Das ist unglaublich hart. Ich möchte am liebsten dem jungen Mann hinterher laufen. Ich möchte ihm zurufen: „Verkauf es doch, teil es doch! Was du verlierst, ist mehr als dein Reichtum. Was du aber gewinnst, ist tausendmal mehr wert als aller Reichtum. Kehr um!“ Aber er ist gegangen - man weiß nicht, ob er zurückkam, ob er es sich überlegt hat. Jesus meint, die Reichen haben es schwerer als ein dickes Irgendwas durch ein Nadelöhr zu kommen. Eine Unmöglichkeit bei Menschen! Und dann kommt Jesu beruhigende Antwort: … aber möglich bei Gott.
Das Mögliche bei Gott
Dieses Mögliche ist ein merkwürdiges Wort. Ich will wissen, woher es kommt. Unsere neutestamentlichen Autoren verwenden ein Wort, das mit Dynamik verwandt ist. Das bedeutet, es hat mit Kraft und mit Macht zu tun. Es bedeutet: die Fähigkeit zu besitzen, etwas zu bewirken. Es sagt uns, Gott ist mächtig, er ist kraftvoll, er ist fähig.
Wo Menschen unfähig sind, da ist Gott fähig, wo Menschen ohnmächtig sind, da ist Gott mächtig. Wo Menschen schwach sind, da ist Gott stark. Gott zeigt seine göttliche Macht, wenn Menschen ins Reich Gottes kommen. Gott kann Menschenherzen bewegen, dass sie nicht traurig weggehen müssen und ihren Segen und Reichtum für sich behalten und dabei alles verlieren, sondern, dass sie umkehren und ihren Segen und Reichtum teilen und dabei alles gewinnen. Er kann sie erreichen - in ihrem stillen Kämmerlein, mitten im Gewühl, oder sonst wo. Sie sind seine Geschöpfe - und er verpasst keine Gelegenheit, ihnen nahe zukommen und sie anzusprechen: „Komm, folge mir nach.“
Solche Anrede Gottes verändert das Leben, solche Umkehr macht ein Leben erst wirklich reich - und das in alle Ewigkeit, über die irdischen Segnungen hinaus. Das Wort hat Sprengkraft, es ist Dynamit! Ein Mensch begreift: Ich kann reich werden durch Loslassen, ich kann ewiges Leben geschenkt bekommen, ohne es mir zu verdienen durch Einhalten der Gebote, sondern ich folge Jesus nach und teile, was ich habe mit anderen.
So also ist das Wort gemeint.
Kein Werbespot für Gott, kein zu kurz gegriffenes Versprechen, ALLES Mögliche von Gott zu erwarten.
Ein Wunder? - sicher.
Ein Wunder, das sich in einem Leben abspielt, das zurück findet zu Gott. Das umkrempelt. Und anfängt, ein Leben zu ändern. Das ist bei Gott möglich - dazu hat er Kraft genug. Dazu ist er mächtig genug. Auch ein Reicher kann durchs Nadelöhr schlüpfen.
Ein unmöglicher Petrus zum Schluss
Dieses Problem also ist lösbar. Der junge Mann zwar ist gegangen, aber wir können Hoffnung haben, dass ihn Gott dennoch erreicht, dass er dennoch umkehrt. Die Jünger sind aber noch da, sie haben alles mit angehört. Sie haben sich entsetzt und ihre Antwort erhalten. Sie sollten also auch beruhigt sein. Da hält es Petrus nicht mehr länger aus. „Aber wir…!“ Ich schmücke die Stelle etwas aus. Ich stelle mir Petrus’ Stimmung aus einem Gemisch an Unsicherheit und Überheblichkeit vor. „Aber wir ... Wir sind doch auf der richtigen Seite. Oder? Uns trifft doch dein Tadel nicht. Stimmt’s? Wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Du erinnerst dich? Das ist es doch, was du wolltest. Arm sein um deinetwillen, nichts für uns behalten, dir nachfolgen, mit dir sein. Nicht wahr, wir sind doch in Ordnung? Auf uns kannst du zählen.“
Ein bisschen unmöglich, ja anmaßend finde ich Petrus schon … Aber Jesus tadelt ihn nicht, übergeht geschickt diese Peinlichkeit. Er wandte sich seinen Jüngern zu und sagte: „Ich versichere euch: Niemand bleibt unbelohnt, der irgendetwas aufgibt, um die gute Nachricht verkünden zu können, dass Gott jetzt seine Herrschaft aufrichtet. Wer dafür etwas zurücklässt - sei es Haus, Frau, Geschwister oder Eltern oder Kinder - wird schon in dieser Welt ein Vielfaches davon wieder bekommen und in der kommenden Welt das ewige Leben.“
So also wird die Frage des jungen Mannes nach dem ewigen Leben beantwortet.
Es ist eine gute Antwort. Sie gilt auch uns, auch mir. Deswegen hab ich diese Predigt geschrieben, deswegen bin ich da und tue, was andere für unsinnig halten. Zusammen mit vielen anderen, die sich auch haben rufen lassen. Und wir predigen um Gottes Lohn! - und das ist nicht der Schlechteste!
Und obendrein bin ich nun auch ausgesöhnt mit der Jahreslosung.
Amen.
Unmöglich bei Menschen - aber doch möglich!
Weshalb machst du so etwas, wurde ich kürzlich gefragt. Weshalb liest du in der Bibel, warum gehst du in den Gottesdienst? Weshalb predigst du? Was bringt das? Mach doch was Gescheiteres. Gib es doch auf. Und fange an zu leben! Das kann doch kein Leben sein - unmöglich!
Unmöglich sagen wir zu vielem, was uns umgibt. Unmöglich zu wissen für manche unter uns, wie eine Glühbirne funktioniert. Oder unser Telefon. Wissen wir, wie jeden Tag unser Strom in die Leitungen kommt? Oder wie können wir verstehen, dass man mit einer Null und einer Eins ganze Lexika mit Wissen füllen kann? Ganze Bibliotheken, Bilder und Töne erzeugen kann? Wissen wir, dass damit ein Computer, das Internet funktioniert?
All das war undenkbar vor einigen Jahrzehnten. Unsere Vorfahren wussten von all dem nichts! Man konnte noch nicht einmal davon träumen. Wenn man jemanden erwecken würde aus alter Zeit, dann würde er sagen: Unmöglich, dass man drahtlos mit einander kommuniziert, unmöglich, dass man fotografiert und ein Bild auf dem Bildschirm erscheint. Dass man übers Internet gleichzeitig mit 4 Leuten telefonieren und sich vernetzen kann. Unmöglich, dass man mit Mikrowellen kochen und backen kann. Dass man mit Laserstrahlen heilen, operieren kann. Unglaublich.
Wie viele Unmöglichkeiten umgeben uns? Wie viel unseres Lebens verstehen wir? Und gehen dennoch damit um, so ganz selbstverständlich? Wir leben, auch wenn wir nicht alles verstehen. Andere mögen es vielleicht verstehen. Aber wir?
Wir beobachten die Welt und wundern uns.
Manches kommt als Trick daher, verblüfft uns nur und es ist dennoch nichts dahinter - bestenfalls ein wenig Unterhaltung vielleicht. Manches zunächst Unerklärbare ist doch erklärbar, manches wird eines Tages erklärbar sein. Die Welt funktioniert - trotz der Rätsel, der Katastrophen, trotz des Unerklärlichen, trotz des Unmöglichen.
Wozu also braucht es Gott, der etwas möglich macht? Was sollte uns Menschen unmöglich sein? Ist es nicht eher eine Frage der Zeit, bis alle Rätsel gelöst sind? Ist es nicht eine Frage der Zeit, bis möglich ist, was uns heute unvorstellbar vorkommt?
Manches geht über unseren Horizont hinaus, manches geht uns über die Hutschnur. Wir verstehen nicht, was andere Menschen tun, wie sie reagieren - wie unmöglich sie sind.
Wie viele Unmöglichkeiten können wir ertragen?
Was bei den Menschen unmöglich ist, muss nicht unmöglich bleiben. Unser Wissensdurst treibt uns voran, unser Erfindergeist treibt Blüten, bringt Ergebnisse - gute und schlechte. Vieles Unmögliche wird möglich gemacht.
Selbst Humanität ist unter den Menschen nicht unmöglich. Auch Liebe ist nicht unmöglich. Der Mensch kann tatsächlich Unmögliches möglich machen.
„Unmögliches wird sofort erledigt, Wunder dauern etwas länger“ hängt an mancher Bürotür. Alles eine Frage der Zeit. Alles eine Frage unseres Wollens und Könnens. Manche mission impossible wurde erfolgreich durchgeführt.
Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.
Unmöglich für mich … dieses Wort aus der Bibel, diese Losung! Ich wiederhole: Einfach unmöglich! Geradezu ärgerlich.
Hab ich das richtig verstanden? Bei Gott sind alle Dinge möglich, die bei uns Menschen unmöglich sind? Ich mag dieses Losungswort nicht. Ein ganzes Jahr soll es mich womöglich ärgern. Ich mag es nicht, weil es hohe Erwartungen weckt - und meiner Ansicht nach ist die Enttäuschung vorprogrammiert. Denn warten nicht Kranke vergeblich auf Gesundheit, ein Blinder auf sein Augenlicht? Ein Arbeitsloser bekommt doch keinen Cent mehr durch dieses Wort, der Streit mit dem eigenen Kind oder dem Nachbarn hört deswegen nicht auf - Gott macht so was doch nicht möglich. Die Ehe eines Freundes bleibt ein ewiger Kampf - das ist eher möglich, als dass es unmöglich ist. Wo greift Gott da ein? Kein einziger Krieg wird beendet, die Umwelt weiter zerstört. Hoffnungen zerplatzen.
Und Gott steht auf der Verliererseite. Er verliert an Glaubwürdigkeit - wie kann man so etwas behaupten, dass bei Gott alles möglich ist, was bei den Menschen unmöglich ist? Unter diesem Blickwinkel scheint Gott nicht allmächtig zu sein. Deswegen ärgert mich diese Textstelle. Ich mag sie nicht.
Was also ist auf jeden Fall unmöglich bei den Menschen und möglich bei Gott?
Was kann man erwarten? Was darf man erwarten? Wie hoch darf ich meine Hoffnungen ansetzen?
Wie immer schau ich mir die Bibelstelle genauer an. Und stelle fest: Diese Aussage macht Jesus selber. Das hat also Gewicht. Und alle drei Synoptiker haben sie fast wörtlich übernommen. Sind die nicht darüber gestolpert? Vor allem Lukas war doch ein gebildeter Mann! Hat er, haben sie keine Bedenken gehabt? Wieso kann Lukas so etwas in seinem Bericht über Jesus aufnehmen?
Lukas schreibt, wörtlich übersetzt:
„Das Unmögliche ist bei den Menschen, (hat seinen Ursprung bei den Menschen),
das Mögliche ist bei Gott (hat seinen Ursprung bei Gott).“
Es hört sich in meinen Ohren so an, als ob er sagen wolle: Die Menschen haben ihre Grenzen, aber bei Gott gibt es keine Grenzen.
Lukas schreibt sehr kunstvoll. Er ist ein intelligenter Mann. Es ist schön, ihn zu lesen - er benutzt hier ein rhetorisches Stilmittel: Er parallelisiert in ganz einfachen Sätzen.
Unmöglich - möglich
Mensch - Gott
Warum schreiben auch Markus und Matthäus fast dasselbe?
Markus schreibt:
„Bei den Menschen ist es unmöglich, nicht aber bei Gott. ALLES ist möglich bei Gott.“ Das ist ein wenig anders. Markus betont, dass Gott ALLES - und wirklich alles, möglich machen kann. Alles Erdenkliche. Alles Wunderbare, alles Unausdenkliche.
Und Matthäus betont:
„Bei den Menschen ist DIESES unmöglich,
bei Gott aber ist ALLES möglich.“
Hört sich fast so an, wie ein toller Werbespot!
Dabei erinnere ich mich daran, dass Lukas an anderer Stelle (1,34ff) schon einmal etwas Unmögliches berichtet. Er schreibt über Maria, die ihre Bedenken gegenüber dem Engel äußert, als er ihr verkündet, dass sie ein Kind erwarten wird. „Wie soll das geschehen, “ erwidert Maria erstaunt, „da ich von keinem Mann weiß? Unmöglich - ich kann doch kein Kind erwarten!“ Der Engel jedoch weist darauf hin, was Gott schon an Unmöglichem getan hat: Auch Elisabeth erwartet ein Kind in ihrem hohen Alter. Das ist nahezu unmöglich und doch wunderbar - das Unmögliche ist ein Wunder, das göttlichen Ursprunges ist. „Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.“ erklärt der Engel. Und Maria? Sie reagiert mit Hingabe: ich gehöre dem Herrn. Mir geschehe wie du gesagt hast.“ Eine tolle Reaktion.
Aber dieses Wort: Bei Gott sind alle Dinge möglich … das ist doch eine tolle Werbung für Gott! Meinen alle drei Autoren, dies sei ein gutes Motto: „Kommt her zu Gott, hier habt ihr alles, was ihr euch wünscht. Unser Gott ist für das Unmögliche zuständig, was ihr als Menschen nicht könnt. Er aber kann es.“? Kommen sie so plump daher? … Warum schreiben sie es?
Diese Zeilen sind ja nicht eine isolierte Aussage, die einfach je nach Gutdünken vielseitig verwendbar ist, sondern eine Geschichte gehört dazu. Eine Begegnungsgeschichte und eine Erklärung, die mit dem berühmten Satz unserer Losung endet.
Die unmögliche Geschichte dazu
Zu Jesus kommt ein vornehmer, einflussreicher, wohlhabender junger Mann. Reich zu sein, und das in jungen Jahren, ist etwas Besonderes, es wurde als göttliche Belohnung angesehen für gutes und richtiges Handeln. Der junge Mann ist der beste Beweis dafür: Er hat nach eigener Aussage, alle Gebote gehalten: Er hat keinen Ehebruch begangen, er hat seinen Vater und seine Mutter geehrt, er hat nicht gemordet und nicht gestohlen. Er hat nichts Verleumderisches über andere gesagt. Und offensichtlich hat Gott ihn mit Reichtum und Ansehen bei den Menschen gesegnet. Er hat sich nichts vorzuwerfen.
Dennoch fragt er komischerweise Jesus: „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu ererben?“ Sehnt er sich nach noch mehr Vollkommenheit? Oder ist er vielleicht auch sehr selbstsicher, und erwartet, dass Jesus ihn wegen seines untadeligen Lebenswandels lobt vor seinen Jüngern, in der Öffentlichkeit? Jesus antwortet sehr merkwürdig - obwohl er Sympathie für ihn hat - und wirft mit seinen Worten alle Maßstäbe über Bord. Er lobt ihn nicht, er würdigt nicht seine Verdienste, seine tolle Haltung und sein Pflichtbewusstsein, nein, sondern er sagt, er solle all seinen Besitz verkaufen und ihn den Armen geben! Das klingt unmöglich. Die Belohnung also gilt nichts? Den ehrbar erworbenen Reichtum soll er nicht behalten dürfen? Nicht genießen dürfen? Alles ist für die Armen, die nichts haben? Ja, es soll geteilt werden. Erst daran wird Vollkommenheit gemessen, nicht daran, wie gut jemand die Gebote einhält.
Die Gebote zu halten ist eigentlich selbstverständlich und nichts Besonderes und reicht bei weitem nicht, um ewiges Leben zu erlangen. Den Segen, der aus einem gottesfürchtigen Leben kommt, zu teilen - das hat Bedeutung vor Gott. Das ist Jesu Forderung an den jungen Mann.
Er war sehr reich - und er wurde sehr traurig durch diese Antwort. Ich denke, er war nicht allein deswegen traurig, dass er sich von seinem Reichtum trennen sollte, sondern weil er nicht so gut da stand, wie er erhofft hatte. Das, was ihn in Sicherheit wiegen ließ, zerfiel ihm zu einem Nichts. Er ist weit weg von Gottes Reich. Das war eine harte Nuss.
Auch die Zuhörer, die Jünger waren entsetzt über Jesu Antwort. Ja, sogar entmutigt: „Wer soll denn da das ewige Leben bekommen?“ fragen sie hilflos. Wer kann denn so ein Leben führen? Jesus steigert das Entsetzen noch durch einen zusätzlichen Vergleich: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr (geht ein dicker Strick durch ein Nadelöhr), als dass ein Reicher an Gottes Reich Anteil hat. Also einer, der allen Segen Gottes durch sein eigenes Rechttun nur für sich allein genießt, hat an Gottes Reich keinen Anteil. Es ist einfach unmöglich, das ein solcher Mensch in Gottes Reich kommt, dass er ewiges Leben ererbt. Kein Mensch kann das auf diesem Weg erreichen. Unmöglich! Der Mensch hat keine Möglichkeiten, vollkommen zu werden, das Reich Gottes durch das Einhalten von Geboten zu ererben. Der Reichtum, der Segen, der daraus kommt, ist keine Garantie.
Das ist unglaublich hart. Ich möchte am liebsten dem jungen Mann hinterher laufen. Ich möchte ihm zurufen: „Verkauf es doch, teil es doch! Was du verlierst, ist mehr als dein Reichtum. Was du aber gewinnst, ist tausendmal mehr wert als aller Reichtum. Kehr um!“ Aber er ist gegangen - man weiß nicht, ob er zurückkam, ob er es sich überlegt hat. Jesus meint, die Reichen haben es schwerer als ein dickes Irgendwas durch ein Nadelöhr zu kommen. Eine Unmöglichkeit bei Menschen! Und dann kommt Jesu beruhigende Antwort: … aber möglich bei Gott.
Das Mögliche bei Gott
Dieses Mögliche ist ein merkwürdiges Wort. Ich will wissen, woher es kommt. Unsere neutestamentlichen Autoren verwenden ein Wort, das mit Dynamik verwandt ist. Das bedeutet, es hat mit Kraft und mit Macht zu tun. Es bedeutet: die Fähigkeit zu besitzen, etwas zu bewirken. Es sagt uns, Gott ist mächtig, er ist kraftvoll, er ist fähig.
Wo Menschen unfähig sind, da ist Gott fähig, wo Menschen ohnmächtig sind, da ist Gott mächtig. Wo Menschen schwach sind, da ist Gott stark. Gott zeigt seine göttliche Macht, wenn Menschen ins Reich Gottes kommen. Gott kann Menschenherzen bewegen, dass sie nicht traurig weggehen müssen und ihren Segen und Reichtum für sich behalten und dabei alles verlieren, sondern, dass sie umkehren und ihren Segen und Reichtum teilen und dabei alles gewinnen. Er kann sie erreichen - in ihrem stillen Kämmerlein, mitten im Gewühl, oder sonst wo. Sie sind seine Geschöpfe - und er verpasst keine Gelegenheit, ihnen nahe zukommen und sie anzusprechen: „Komm, folge mir nach.“
Solche Anrede Gottes verändert das Leben, solche Umkehr macht ein Leben erst wirklich reich - und das in alle Ewigkeit, über die irdischen Segnungen hinaus. Das Wort hat Sprengkraft, es ist Dynamit! Ein Mensch begreift: Ich kann reich werden durch Loslassen, ich kann ewiges Leben geschenkt bekommen, ohne es mir zu verdienen durch Einhalten der Gebote, sondern ich folge Jesus nach und teile, was ich habe mit anderen.
So also ist das Wort gemeint.
Kein Werbespot für Gott, kein zu kurz gegriffenes Versprechen, ALLES Mögliche von Gott zu erwarten.
Ein Wunder? - sicher.
Ein Wunder, das sich in einem Leben abspielt, das zurück findet zu Gott. Das umkrempelt. Und anfängt, ein Leben zu ändern. Das ist bei Gott möglich - dazu hat er Kraft genug. Dazu ist er mächtig genug. Auch ein Reicher kann durchs Nadelöhr schlüpfen.
Ein unmöglicher Petrus zum Schluss
Dieses Problem also ist lösbar. Der junge Mann zwar ist gegangen, aber wir können Hoffnung haben, dass ihn Gott dennoch erreicht, dass er dennoch umkehrt. Die Jünger sind aber noch da, sie haben alles mit angehört. Sie haben sich entsetzt und ihre Antwort erhalten. Sie sollten also auch beruhigt sein. Da hält es Petrus nicht mehr länger aus. „Aber wir…!“ Ich schmücke die Stelle etwas aus. Ich stelle mir Petrus’ Stimmung aus einem Gemisch an Unsicherheit und Überheblichkeit vor. „Aber wir ... Wir sind doch auf der richtigen Seite. Oder? Uns trifft doch dein Tadel nicht. Stimmt’s? Wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Du erinnerst dich? Das ist es doch, was du wolltest. Arm sein um deinetwillen, nichts für uns behalten, dir nachfolgen, mit dir sein. Nicht wahr, wir sind doch in Ordnung? Auf uns kannst du zählen.“
Ein bisschen unmöglich, ja anmaßend finde ich Petrus schon … Aber Jesus tadelt ihn nicht, übergeht geschickt diese Peinlichkeit. Er wandte sich seinen Jüngern zu und sagte: „Ich versichere euch: Niemand bleibt unbelohnt, der irgendetwas aufgibt, um die gute Nachricht verkünden zu können, dass Gott jetzt seine Herrschaft aufrichtet. Wer dafür etwas zurücklässt - sei es Haus, Frau, Geschwister oder Eltern oder Kinder - wird schon in dieser Welt ein Vielfaches davon wieder bekommen und in der kommenden Welt das ewige Leben.“
So also wird die Frage des jungen Mannes nach dem ewigen Leben beantwortet.
Es ist eine gute Antwort. Sie gilt auch uns, auch mir. Deswegen hab ich diese Predigt geschrieben, deswegen bin ich da und tue, was andere für unsinnig halten. Zusammen mit vielen anderen, die sich auch haben rufen lassen. Und wir predigen um Gottes Lohn! - und das ist nicht der Schlechteste!
Und obendrein bin ich nun auch ausgesöhnt mit der Jahreslosung.
Amen.
Anmerkung von tulpenrot:
Predigt über die Jahreslosung 2009 am 1. Januar in der Dorfkirche zu Buchenberg