Große Not und ein echtes Bibelwunder

Ballade zum Thema Glaube

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)
Tief im Spiritismus verstrickt, wurde mir am 5. Juni des Jahres 1985 der Tod eines engen Freundes angekündigt: 
Ich gut gelaunt am offenen Küchenfenster und genoss die angenehme Sommerluft. Vor mir lag wieder ein Bogen Papier mit dem kleinen Tischchen obenauf. Ich hatte „Onkel Willi“ gerade etwas Belangloses gefragt, als sich das Tischchen zu bewegen begann und ich kurz darauf las: Gleich_kommt_der_Juergen_vorbei

Ehrlich gesagt war ich über diese Nachricht schon etwas überrascht. Wir, also Jürgen, der schon erwähnte Freund und bekennende Atheist, und ich  waren nämlich nicht verabredet. Andererseits kam es aber durchaus vor, dass er mich spontan besuchte. Das Tischchen bewegte sich erneut: Er_wird_heute_Nacht_sterben
    Ein Satz, der mich traf wie  ein Pfeil in die Brust oder wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ich brach augenblicklich in Tränen aus und meinen Körper durchlief ein schluchzendes Beben.
Dies war wirklich ein schwerer Schock für mich und ich wusste ehrlich gesagt nicht, wie ich damit umgehen sollte. Nachdem ich den Nachmittag noch mit Jürgen zusammen verbracht und mich dann von ihm verabschiedet hatte, fuhr ich mit dem Fahrrad in die Düsseldorfer Altstadt. Hier hoffte ich auf ein wenig Ablenkung.
In der Innenstadt stellte ich überraschend fest, dass ich offensichtlich nicht der Einzige war, der in dieser Richtung unterwegs war. Auf den beiden Bürgersteigen längs der Straße strömten Menschen, hauptsächlich jüngeren Alters, in die Altstadt. Hier und da war Lachen und Singen zu vernehmen. Auffällig war auch, dass viele von ihnen in Lila und Weiß gekleidet waren und Rucksäcke trugen.
    Etwas irritiert fragte ich mich: Was geht hier vor sich? Auf jeden Fall schien es sich um ein größeres Ereignis zu handeln. Als ich in der Altstadt ankam, staunte ich nicht schlecht. Die beiden Hauptgassen waren gefüllt mit Menschen, links und rechts waren Stände aufgebaut. Es war beinahe wie in der Vorweihnachtszeit!

Ich schloss mein Fahrrad ab und begab mich neugierig zu einem der Stände. Es war ein Bücherstand mit politischen und religiösen Büchern und Heften. Und plötzlich sah ich ein Traktat mit der Aufschrift:  Evangelischer Kirchentag. Mit einem Mal begriff ich, dass ich  mitten in eine religiöse Großveranstaltung hineingeraten war.
Aus irgendeinem unerfindlichen Grunde kam ich plötzlich auf die Idee, mir eine Bibel erwerben zu wollen. Aber all meine Bemühungen waren zwecklos. Nirgendwo wurde eine zum Kauf angeboten!
  Schließlich gab ich die Suche frustriert auf und landete  in einer nahe am Rhein gelegenen katholischen Kirche, wo gerade ein Gottesdienst stattfand.

Mein Aufenthalt in der Kirche war jedoch nicht von langer Dauer, denn ich war in das Ende eines Gottesdienstes geraten. Kurze Zeit später wurde der Schlusssegen gesprochen und dann noch ein Lied gesungen. Dann ging es im Besucherstrom schon wieder nach draußen.
    Ich scherte schnell aus und blieb in der Nähe der Kirche stehen. Was nun? Da fiel mein Blick auf ein in der Nähe stehendes Gebäude. Die Fenster im ersten Stockwerk standen offen und einige Jugendliche waren zu sehen. Den  Geräuschen nach zu urteilen schien dort eine Party in Gange zu sein.
    Auf einmal hatte ich das Gefühl, dass eine innere Stimme zu mir sagte: Geh hinein! Dort wirst du eine Bibel finden!  Ich zögerte einen kurzen Moment, dann aber ging ich entschlossen auf den Eingang zu. Einen Versuch ist es wert, dachte ich.

Als ich ins erste Stockwerk kam, war dort vor dem "Partysaal" tatsächlich ein Büchertisch aufgebaut. Erfreut stellte ich fest, dass  dort auch  einige Bibeln zum Kauf angeboten wurden. Meine innere Stimme hatte mich also nicht getäuscht.
    Nach längerer Begutachtung  entschied ich mich für eine  katholischen Einheitsübersetzung, wegen der verständlichen Sprache und auch des günstigen Preises von zehn DM. Danach schaute ich noch einmal kurz in den "Partysaal" und verließ dann wieder das Gebäude.
Dies war im Grunde genommen das erste Zeichen oder Wunder, das erste Glied einer längeren Fügungskette, hin auf meine nachfolgende Bekehrung. Niemals wäre ich in dieses Gebäude gegangen, hätte ich diese innere Stimme zuvor nicht klar vernommen!


Anmerkung von Bluebird:

Folge 1 meiner autobiografischen Betrachtung

Zitat 1 stammt von:  hier
Zitat 2 stammt von   hier
Zitat 3 stammt von  hier

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (14.02.21)
Die christliche Botschaft des "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" ist mutiert zum Glauben an einen Gott, der einem bestimmten Individuum ständig Funkzeichen sendet - so wie ein heidnischer Römer immer nach Auspizien Ausschau hielt.

Kommentar geändert am 14.02.2021 um 00:28 Uhr

 loslosch (14.02.21)
könntest du dir vorstellen, dass mancher, der inneren stimme folgend, ins verderben rennt?

 Bluebird meinte dazu am 01.03.21:
Durchaus!

 DanceWith1Life (14.02.21)
Solltest du jemals auf die Idee kommen, dass allen Religionen die gleiche Botschaft zugrunde liegt, lass es mich wissen, bis dahin, gute Reise, und halt die Augen offen.
Das soll ja kein Werbetext für eine Bibelauflage sein, oder, sonst müsste ich meinen Kommentar ändern.

Kommentar geändert am 14.02.2021 um 12:06 Uhr

 Teichhüpfer (14.02.21)
Der endgültige Abschied, wir sind kein Wohltätigkeitsverein. Dazu haben sich in der Hinsicht viel mit Synthetischen Drogen das Gehirn weggeblasen.

Kommentar geändert am 14.02.2021 um 09:45 Uhr

Kommentar geändert am 14.02.2021 um 09:45 Uhr

 Dieter Wal (14.02.21)
Mich berührt die Geschichte. Bis auf Fettsatz und Farbmarkierungen erscheint sie gemessen an sonstigen Texten des Autors sorgfältig überarbeitet. Auch enthält sie diesmal (in meinen Augen) keine idiotischen Thesen. Die innere Stimme (=Gott) gab ihm einen Tipp, wo er eine Bibel findet, was sich bestätigt. Ich zumindest halte das für glaubwürdig und authentisch.

Kommentar geändert am 14.02.2021 um 12:07 Uhr

 DanceWith1Life antwortete darauf am 14.02.21:
@D.Wal
deinem Schlusssatz stimme ich zu, deine Gleichung
Innere Stimme = Gott, gibt mir noch ein paar Rätsel auf.
Wem nicht?
In Anbetracht dieses Rätsels schrieb ich meinen Kommentar.
Soviel als Kommunikationsbasis.
Und "dick auftragen" tun wir ja alle, also, da drücke ich ein Auge zu.

 Dieter Wal schrieb daraufhin am 14.02.21:
"deine Gleichung
Innere Stimme = Gott, gibt mir noch ein paar Rätsel auf.
Wem nicht?"

Für ihn scheint es so zu sein. Schön, dass er es nicht derart platt formulierte. Für ihn ist halt Religion "bluebird im Wunderland".

 DanceWith1Life äußerte darauf am 14.02.21:
@ D.Wal
frei nach Lewis Caroll, nehm ich mal an, ich gehe davon aus, dass die Möglichkeit Kommentare zuzulassen, auch ein Eingeständnis an andere Sichtweisen ist. Die oft bei seinen Textes erlebten teilweise "hitzigen" Debatten zum Thema, sind ja auch ein weltweites Problem.

 LotharAtzert ergänzte dazu am 14.02.21:
Nun, "Wunder im Rahm der Bekehrung des Holzweges" hätte dem Besenbinder Ätznatron deutlich besser gefallen.

 DanceWith1Life meinte dazu am 14.02.21:
ich muss schon sehr bitten, also Besenbinder und Dichter am selben Tag, ist heute irgendwo eine Handwerksmesse oder sowas.
Sauerrahm oder Schlagsahne?

Antwort geändert am 14.02.2021 um 15:01 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 14.02.21:
Die Vorstellung, dass die "Innere Stimme" auch "Gottes Stimme" sein könnte, halte ich für recht nett. Bei Platon findet sich für Sokrates auch der Daimon in eindrücklichen Beschreibungen. Das Phänomen dürfte dasselbe sein. Die Deutung sicher nicht. Da es für Bluebird ohne jede Frage Gottes Stimme ist, polarisiert. Es gibt wohl nicht allzu viele Menschen, die ihre innere Stimme ernst- und wahrnehmen.

 LotharAtzert meinte dazu am 14.02.21:
Herzschlagsahne

 Graeculus meinte dazu am 14.02.21:
Die Religion besteht im Glauben daran, daß alles, was uns geschieht, ungewöhnlich wichtig ist. Sie wird nie aus der Welt verschwinden, gerade aus diesem Grund.
(Cesare Pavese: Das Handwerk des Lebens; 13. Oktober 1938)

Was ist davon zu halten?

 DanceWith1Life meinte dazu am 14.02.21:
Nennt sich Humor, nach Billionen Lebensformen eine zu entwickeln die sich und alles was ihr passiert derart wichtig nimmt, dass sie alles andere vergisst, wird des öfteren auch freier Wille genannt.

 LotharAtzert meinte dazu am 15.02.21:
Büstenhalter?

 DanceWith1Life meinte dazu am 15.02.21:
lass mich überlegen, die waren doch gestern noch...

 LotharAtzert meinte dazu am 15.02.21:
@ Graeculus

Wohlwissend um die Sinnlosigkeit einer „ernsten“ Antwort, möchte ich es doch versuchen – im Zweifelsfall für Dance oder nur für mich selbst.
Die Körbchengröße.
Es gab im alten Griechenland (Ort und Zeit sind jedoch sekundär, auch wer es gesagt hat, spielt keine Rolle) den Spruch „Erkenne dich selbst“. Er ging noch etwas weiter, aber wie in der Neuzeit die Astronomen sich empört von den Astrologen abwandten, so wendeten sich auch die Philosophen vom zweiten, den Mystikern noch vertrauten Teil ab und entfernten das „werde, der du bist“ - als „esoterischen Unsinn“. (Solche Besserwisserei nannte man früher einmal „Hybris“)
Alle Dualisten stehen in der Tradition, sich von ihrem Nondual abzuwenden, es, je nach Charakter, zu beschneiden, zu beschimpfen, zu verhöhnen oder seine Nichtexistenz durch Logik zu „beweisen“.
„ … der du bist“ bedeutet, daß man es im Zeitlosen immer schon ist, aber im Zeitigen, namentlich in der dem Subjekt zugemessenen Teil der Lebenszeit … noch zu werden hat und zwar -in der Reihenfolge - physisch, seelisch und geistig.
Ob das einer glaubt, oder nicht – was sollte das ändern? Ob du Hinz und Kunz nach Rückbindung an den Ursprung befragst, auch das ändert nichts. Und ob der Rest der „Welt“ es sonstwie sieht, ja dir vielleicht sogar frenetisch Beifall zollt … alles ist, wie es ist.
So, und jetzt wieder ...

 Graeculus meinte dazu am 23.03.21:
"Erkenne dich selbst" war das Motto des delphischen Apollon. Z.B. Sokrates hat es sich zum Leitstern gemacht.
Ob ein Zusammenhang zum "Werde der, der du bist" des Pindar besteht, muß man überlegen - dann aber auf der Grundlage des unverkürzten Zitats, während Deine Deutung auf der verkürzten Version beruht.
γένοι', οἷος ἐσσὶ μαθών.
καλός τοι πίθων παρὰ παισίν, αἰεὶ
καλός.

Werde, der/welcher du bist, wobei/indem du gelernt hast [was du bist].
Schön ist der Affe für Kinder nur, stets
schön.
(Pindar: 2. Pythische Ode, V. 72 f.)

Da hat man eine Nuß zu knacken.

Antwort geändert am 23.03.2021 um 17:33 Uhr

 LotharAtzert (15.02.21)
Das oben Gesagte gilt natürlich auch für Bluebird.
Hier nochmal, um ihm noch ein paar Extraklicks zu verschaffen:

Wohlwissend um die Sinnlosigkeit einer „ernsten“ Antwort, möchte ich es doch versuchen – im Zweifelsfall für Dance oder nur für mich selbst.

Es gab im alten Griechenland (Ort und Zeit sind jedoch sekundär, auch wer es gesagt hat, spielt keine Rolle) den Spruch „Erkenne dich selbst“. Er ging noch etwas weiter, aber wie die Astronomen sich empört von den Astrologen abwandten, so wendeten sich auch die Philosophen vom zweiten, den Mystikern noch vertrauten Teil ab und entfernten das „werde, der du bist“ - als „esoterischen Unsinn“. (Solche Besserwisserei nannte man früher einmal „Hybris“)
Alle Dualisten stehen in der Tradition, sich von ihrem Nondual abzuwenden, es, je nach Charakter, zu beschneiden, zu beschimpfen, zu verhöhnen oder seine Nichtexistenz durch Logik zu „beweisen“.
„ … der du bist“ bedeutet, daß man es im Zeitlosen immer schon ist, aber im Zeitlichen, namentlich in der dem Subjekt zugemessenen Teil der Lebenszeit … noch zu werden hat und zwar -in der Reihenfolge - physisch, seelisch und geistig.
Ob das einer glaubt, oder nicht – was sollte das ändern? Ob du Hinz und Kunz danach befragst, auch das ändert nichts. Und ob der Rest der „Welt“ es anders sieht, ja dir vielleicht sogar frenetisch Beifall zollt … alles ist, wie es ist.
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