Meine Liebe, entlasse Juan noch nicht. Ich habe ihn angewiesen, zu bleiben, während Du mein Schreiben liest. Dafür hatte ich meine Gründe.
Hole sofort Bedienstete und Knechte, die ihm den Zuber bereiten sollen. Danke ihm für seine treuen Dienste, aber bestehe darauf, dass er ein Bad genießt. Scherze, wenn nötig, über den Zustand seiner Kleider, und die Gerüche seiner Reise. Lass ihn nicht zu den Unterkünften, oder gar in die Stadt. Ich flehe Dich an – und erkläre es Dir später! Bitte!
Du sollst wissen, dass der einzige Grund, warum wir hier in den Bergen von der Pest verschont geblieben sind, ein noch viel größeres Grauen ist. Dort oben in den entlegenen Bergdörfern geht ein Fluch um, der älter ist als die Menschheit selbst.
Adolpho, Juan und ich sind diesem Fluch auf die Spur gekommen, und haben versucht, ihn zu bekämpfen. Ihm den Garaus zu machen.
Ob wir erfolgreich waren, wird sich morgen bei Einbruch der Dämmerung zeigen. Aber wenn Du diese Zeilen liest, wisse, dass ich meinen Einsatz bereits mit dem Leben bezahlt habe. Denn ansonsten würde ich Dir längst in den Armen liegen und unverwandt Deine süßen Lippen küssen.
Aber ich bereue nichts. Was wir getan haben, musste getan werden, und Du weißt - es konnte niemand außer uns tun.
Die Zweifel treiben mich um, beißen mir in die Seele. Ich sitze hier, und kenne noch nicht den Ausgang unseres Unternehmens. Ob wir wirklich erfolgreich sein werden. Falls dies der Fall ist, wirst Du diese Zeilen niemals lesen. Ich werde den Brief frohen Herzens vernichten, und mich jetzt gerade in Deiner zärtlichen Umarmung befinden. Aber ich kann nicht sicher sein, dass dies wirklich der Fall ist.
Darum dieser Brief – wenn unsere Expedition eine Wendung zum Schlimmsten genommen hat, musst Du, liebste Quintana, vollenden, was wir nicht geschafft haben. Damit mein Tod nicht umsonst war.
Bitte lass nicht Trauer Deinen Blick trüben, Schwärze Deine Seele befallen. Quintana, ich brauche Dich, im Tod vielleicht mehr als im Leben. Finde die Stärke, die ich immer so bewundert und geliebt habe, finde sie tief in Dir, um das, worum ich Dich bitte, zu tun.
Wenn Juan sich im Zuber befindet, geh’ zu ihm. Ich weiß, dass sich das nicht schickt: Sende die Knechte und Mägde fort. Es ist wichtig, dass Du mit ihm alleine bist.
Sag ihm, Du seiest aufgelöst, außer Dir. Vielleicht musst Du ihm nicht einmal etwas vorspielen. Wasche ihn, und höre zu, was er Dir erzählt.
Dabei untersuche seinen Körper. Finden sich Spuren eines Kampfes? Verletzungen oder Wunden gar?
Lass Dich nicht täuschen – diese könnten auch bereits verheilt sein. Schau, ob er frische Narben am Körper hat, glatt verheilt. Wenn Du irgendetwas findest, und sei es der kleinste Kratzer, muss ich Dich bitten, hierher zurück zu kommen und auch den letzten Teil meiner Anweisungen zu lesen. Zögere nicht, Quintana, und tue, um was ich Dich bitte.
Wenn es ihm gut geht, wenn Du nichts an seinem Körper findest – dann schicke ein Stoßgebet an die Jungfrau Maria und vernichte diesen Brief. In diesem Fall verabschiede ich mich nun von Dir und erwarte Dich in einer besseren Welt. Du warst mir die beste Gefährtin, die sich ein Mann wünschen kann.
Und bitte tu’ alles, was in Deiner Macht steht, um Juan und seiner Familie ein gutes Leben zu ermöglichen. Er hat mir immer treu gedient und verdient jede Aufmerksamkeit, die Du ihm angedeihen lassen kannst.
Nie habe ich Dich mehr und stärker geliebt als in diesem Moment, wunderschöne Quintana.
Dein Immanuel