Mutter im XXL_Format

Erzählung

von  Sanchina

Mutter im XXL-Format


Schaut mal, die drei dort, sind das denn Kinder?
Das sind drei dressierte Äffchen. Sie halten sich mit den Ärmchen Mund, Augen und Ohren zu, um nichts zu sagen, zu sehen, zu hören.

Kinder, denen schlecht wird vor Angst auf dem kurzen Weg zwischen Zuhause und Schule, egal, in welche Richtung sie gehen. Sie heißen Patricia, Petra und Perdita, alle mit „P“ wie „Papa“, denn der Vater hat ihre Namen gewählt. Seitdem überlässt er die Kinder der Mutter, welche die Mädchen durch ihre Kindheit hetzt, als gälte es, drei Teufelchen auszutreiben.

Teufelsbrut, die den Körper der Mutter verschandelt hat, eins nach dem andern, denn die Mutter ist nach den Schwangerschaften nie wieder schlank geworden. Sie frisst ihren Gram in sich hinein, den Kummer darüber, dass sie aussieht, als ginge sie mit drei Elefanten schwanger. Egal, ihr Mann mag sie so, wie sie ist. Er betrinkt sich nur jeden Tag.

Die Familie sitzt beim Abendbrot um den großen Tisch. Petra hat gar keinen Appettit. Patricia löst Brotrinde ab und knabbert daran. Nur Perdita schmiert dick Butter aufs Brot. „Esst anständig!“ befiehlt die kauende Mutter und greift nach den eingelegten Gurken, denn sauer macht lustig. Sie braucht die Gurken, um lachen zu können, obwohl es überhaupt nichts zu lachen gibt. Der Vater steht andauernd auf, um an den Kühlschrank zu gehen und einen Schluck Schnaps aus  der Flasche zu trinken.

„Jetzt wird der Tisch abgeräumt und der Abwasch gemacht, und dann geht ihr ins Bett!“ ordnet die Mutter an. Es ist kurz vor acht Uhr und gleich beginnt das Fernsehprogramm. Vorher geht Walzburga, wie die Mutter heimlich genannt wird, noch mit in die Küche, um darüber zu wachen, dass die Mädchen ihre Arbeit ordentlich machen. Sie stopft sich schnell noch Wurst ohne Brot in den Mund, Fleischsalat löffelweise und den Rest des Bratens vom Sonntag. Vor dem Fernsehgerät steht schon eine große Schüssel, die gefüllt ist mit gesalzenen Nüssen, Salzletten und dergleichen. Der Vater holt eine Flasche Wein aus dem Keller. Die Kinder flüchten. Es ist besser, ins Bett zu gehen. Sie machen das Licht nicht schnell genug aus. Unten im Flur schreit der Vater: „Was macht ihr da noch? Wenn ich vom Klo reinkomm', ist das Licht aus!“

Licht ist natürlich aus. Die drei Mädchen liegen unter den Decken und kichern und kichern. Dass es jeden Tag etwas zu kichern gibt, ist ihr einziger Trost.

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Kommentare zu diesem Text

Alegra (41)
(19.10.10)
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 AZU20 (19.10.10)
Solls wirklich geben. Schlimm. LG
Manu (56)
(19.10.10)
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