Mein Protagonist

Kurzgeschichte zum Thema Allzu Menschliches

von  Horst

Man erkannte wie immer jene Aknenarben, in seinem aufgedunsenem Gesicht, so dass es einer Kraterlandschaft ähnelte. Auch seine Augen waren wie immer zu unansehnlichen Sehschlitzen zusammengepresst und sein kleiner Mund, mit den schmalen Lippen, verliehen ihm einen bitteren Ausdruck. Aber nicht nur sein kaprizöses Aussehen bereitete ihm Probleme. Er hatte nämlich noch andere schwerwiegende Konflikte, sagen wir neurotischer Art und Weise. Diese Neurosen kann man in verschiedene Kategorien unterteilen , die ich hier an dieser Stelle ohne große Mühe aufzählen könnte, aber was sollte ihnen, liebe Leser, dies an Erkenntnis diesbezüglich bringen? Mein Protagonist, ein in der Fachsprache der Psychiatrie, ausgesprochener Anhedonist, ein Mensch also, der nicht mehr im Geringsten eine Spur von Freude empfinden kann. Das ist das genaue Gegenteil von einem Hedonisten, der im Leben nach purer Sinneslust strebt und vom Dasein, in all seinen Facetten, nicht genug bekommen kann. Mein Protagonist, kennt die eigentliche Freude, den Spaß am Leben haben, nur bruchstückhaft, nur noch aus seiner verblassten Erinnerung. Schon wenn der Morgen graut und dass sich aus dem Bett wälzen, mit einem klagenden Seufzer einhergeht, zeigt jene Trägheit, jenes Mannes, jenes neurotische Symptom, das er beinahe zwanzig Jahre sein Eigen nennen darf. War damals die Freude pur, in Bezug auf Frauen, Frauen jeglicher Art und Manieren, auch den zweimal wöchentlichen „Gruppensex“ frönend, auch die Prostituierten schätzen gelernt zu haben, aber natürlich auch der Alkohol, die Drogen und das ständige Rauchen spielten eine dominierende Rolle in seinem Leben und jetzt, steckt mein Protagonist, den Kopf einfach in den Sand und sieht im Spiegel sein trauriges Antlitz, dem er so gerne entfliehen würde, aber es nicht kann. Ja, jene Freude ist aus ihm gewichen, sie, die er jetzt so sträflich vermisst, aber wo kann sie denn nur geblieben sein?

Von seiner letzten Frau hat er sich aus nichtigen Gründen einfach scheiden lassen. Er, der er sie so sehr geliebt und geschätzt hat, sie seine „Prinzessin“, sie ist nun nicht mehr da, -vielleicht für immer! Mein Protagonist, der jetzt am frühen Morgen, seinen roten Bademantel tragend und mit diesem immer müden Gesichtsausdruck, auf seinem exquisiten Sofa hockte und dessen leerer Blick belanglos gegen die weiße Wohnzimmerwand fiel, drückte insgeheim jene Hoffnungslosigkeit aus, in dem sich mein Protagonist im Moment befand. Nichts könnte ihm je wieder jene ausufernde Freude einhauchen wie früher, als das sprühende Leben, mit ihm fröhlich spielte, mit ihm spielte wie mit einem naiven kleinen Kind, das noch jenes befreite Lachen lacht, das viele der Erwachsenen nicht mehr zu kennen scheinen. Meinem Protagonist, dem sein Blick auf eine Flasche Cognac auf seinem Wohnzimmertisch fällt und dem seine Alkoholsucht davon, den Speichelfluss in seinem im Munde anregt, holt er im Nu ein Glas aus seinem Küchenschrank und schenkt sich genüsslich, von dem guten Tropfen, reichlich ein. Er genehmigt sich einen nach dem anderen, bis die halbe Flasche rasch ausgetrunken ist. Meinem Protagonist, dem zwar alle Freude abhanden gekommen ist, erreicht durch den Alkoholgenus bedingt, einen Anflug von einnem zartem Lächeln, das seine spröden Lippen liebevoll umspielt. Meinem Protagonist fallen in jenem alkoholisiertem Zustand und der damit verbundenen  aufsteigenden Fröhlichkeit, die schönen und wertvollen Dinge des Lebens plötzlich wie im Fluge wieder ein. Vorallem die so bezaubernden schönen, jungen Frauen, auch dieHuren, die immer nur huren wollen, ja, alle hat er sie gehabt, aber die käuflichen Damen, die hatten etwas Besonders an sich, wie das gesamte Rotlichtmilieu überhaupt, meinte er.  Eine Frau, für „Sex“ zu bezahlen, ja, dass war für meinen Protagonisten, so eine außerordentliche Variante, auf die er auf keinen Fall verzichten wollte. Ein Psychiater wird ja auch dafür bezahlt, sich den „Seelenmüll“ seiner Patienten im Detail anzuhören, warum sollten dann Frauen(Prostituierte) für bestimmte Dienstleistungen, nicht entsprechend bezahlt werden dürfen, stellte sich mein Protagonist, jene schelmige Frage. Jetzt, wo der Alkohol seiner volle Wirkung entfaltete,so dass mein Protagonist meinte, zu schweben und wie leicht ihm auf einmal alles zu seien schien, ihm die Last buchstäblich von den Schultern fiel, wie ein Stein der rasant zu Boden fällt und ein bisschen Freude in seine leblosen, toten Augen dringt, so dass sich ein schüchternes Lächeln auf seinem schmalen Lippen zaghaft äußerte. Ja, mit einem Male entglitt meinem Protagonisten ein heftiger „Lachreiz“ und seine Augen, ja, die röteten sich und ein paar Freudentränen lösten sich und kullerten ihm die Backe herunter, doch als die Cognac-Flache endgültig geleert war und mein Protagonist von oben empört in die leere Flasche blickte und die Wirkung des Alkohols langsam nachließ, aber auch die vermeidliche Freude allmählich zu schwinden drohte, brach wie durch eine zerstörte Mauer, jene Melancholie, jene, die für ihn so schwer zu ertragen war, die ihn weit hinunter ziehen konnte, bis in den dunkelsten Keller hinab, dort wo nur die Hölle ihre Heimat hatte.

Mein Protagonist, der schon so lange in psychiatrischer Behandlung war, dem schon so manches Antidepressivum verabreicht wurde, die aber alle nicht geholfen haben, obwohl der behandelnde Psychiater ihm prognostizierte, das es bald besser werden würde, mit jener Art von Depression. Aber es wurde nicht besser, nein, er verfluchte seine „Depressionsschübe“, die ihn quälten bis aufs Blut und so dachte er hin-und wieder über einen Suizid nach, auch wenn er sich jenem bedrohlichem Gedanken, doch immer wieder widersetzen konnte.

In den frühen Morgenstunden, wenn das fahle Licht auf den dunklen Rhein fällt, wenn noch keine Menschenseele zu sehen und zu hören ist, dort wollte er sich in aller Stille ein Ende setzen. Aber er kämpfte, er kämpfte mit aller Kraft gegen senen Todeswunsch an, bis er laut zu schreien beginnt, ein Schreien, das tief aus seiner angeschlagenen Seele drang, aber auch ein Schreien, was eine beruhigende Wirkung auf ihn haben sollte.

Aber mein Protagonist, sitzt immer noch in seinem Wohnzimmer und vor ihm die leere Cognac-Flasche, die ihn so traurig anzuschauen meint. Doch mein Protagonist, steht nun auf und geht unruhig in seiner Wohnung auf-und ab. Seine Stimmung war seit der Wirkung des Alkohols nachgelassen hat, auf dem Nullpunkt angekommen. Was also tun, dachte sich mein Protagonist. Da sieht er plötzlich seine erste Ehefrau vor seinem geistigem Auge. Sie hatte so schönes, blondes Haar und so lustige Kulleraugen und ihr Lächeln war so wie das eines Kindes, so unschuldig und schön. Bei jedem Gedankengang jedoch, wurde mein Protagonist wieder um einiges trauriger und deprimierter. Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich wie eine dunkle Wolke und er starrte regungslos zu Boden, als würde er sich aus jener starren Haltung niemals mehr befreien können. „Ich will niemals mehr, ein glücklicher Mensch werden“, murmelte er vor ich hin und fügte apathisch hinzu“: Ich habe alles falsch gemacht ,  in diesem beschissenen Leben“. Und dann lachte er plötzlich wieder, aber es war ein anderes, ein falsches Lachen, es war ein sarkastisches Lachen, eines das ihn selbst verhöhnte, ja es könnte an Zynismus grenzen, genau jener Zynismus, der einen menschenverachtenden Unterton hatte, der Verbitterung zum Ausdruck brachte, jene Verbitterung meines neurotischen Protagonisten, den Vorkämpfer allem Traurigem auf dieser diabolischen Welt, einem neurotischem Menschen, der die Freude nicht mehr zu kennen scheint. Und wer, wie mein Protagonist, in der Starre der Freudlosigkeit haften bleibt, der sieht oftmals nur den Ausweg, durch eine suizidale Handlung. Hoffen wir aber, das mein Protagonist, einem derart selbstverletzenden Impuls, aus dem Wege gehen kann und vielleicht ein bisschen Licht am Ende des Tunnels sehen kann, um ein wenig optimistischer, in die Zukunft blicken zu können.

© Wilhelm Westerkamp, Februar 2011


Anmerkung von Horst:

Depression oder euphorisches Erleben, hängen
für meinen Protagonisten, eng zusammen.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (21.02.11)
"kapreziöses" ???

Bitte die Texte, bevor man sie hier hereinstellt, durch ein Rechtschreibprogramm jagen!

 Horst meinte dazu am 21.02.11:
Herrr Rotmund, vielen Dank für den Hinweis. Ich meinte natürlich
"kaprizös" statt "kapreziös".
Horst
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