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von  RainerMScholz

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Anfangs ging ich noch voller Elan zur Nachtschicht, mehr oder weniger, und arbeitete preußisch pflichtbewusst, was mir aufgetragen wurde. Ich hatte sogar noch die Kraft, mich morgens hinzusetzen und etwas zu Papier zu bringen, ein paar Bier zu trinken und dann tatsächlich zu einigen Universitätsseminaren aufzukreuzen, die ich jedoch meist im Halbschlaf vertändelte. Das war zu jener Zeit, als ich mit der nächsten Freundin Schluss machte, vielmehr sie mit mir. Im Grunde hatte ich für so etwas auch gar keine Zeit mehr. Allerdings dachte ich auch nicht wirklich über eine Karriere in irgendeiner Form nach. Aus den zwei Schichten die Woche waren längst drei oder mehr geworden, und Geld zum sinnlosen Verschleudern zu besitzen war gar nicht so schlecht.
Ich lernte die Kollegen näher kennen. Ansgar war studentischer Vorarbeiter, was soviel bedeutete wie: ich zeige dir wo die Arbeit ist und die machst du dann. Da war er schon eine Stufe näher an den Festangestellten dran als wir. Bis aus der Veranstaltung der öffentlichen Hand Flughafen ein halböffentliches Unternehmen und schließlich eine Aktiengesellschaft mit Börsennotierung wurde, dauerte es noch ein Weilchen, so dass das mittlere Management noch nicht auf die ausgeklügelte Idee gröberer Rationalisierungsmaßnahmen zu kommen sich genötigt sah. Also machten sich die Festangestellten in der Nachtschicht locker und ließen sogar Führungsaufgaben von Studenten erledigen, während sie selbst fünf Stunden am Stück Karten spielten, schliefen oder vollends verschwunden waren. Aber 1993 hatten wir auch noch genügend Zeit zur Muße, und Ansgar zeigte uns nicht nur wo die Koffer stehen, sondern auch wie man Skat spielt. Bei einem Pfennig pro Punkt machte ich im Schnitt dreißig Mark Verlust, den ich bei meinen spielerischen Fähigkeiten bis zum heutigen Tage nicht wieder eingespielt habe. Ist aber nicht so tragisch, denn heute arbeitet Ansgar immer noch am Flughafen - nicht dass er wirklich arbeiten würde - und ich hab's hinter mir. Mit Kemal war ich sogar einmal auf einer Party, die Ansgar mit seinen Kumpels irgendwo im Wald bei Hanau veranstaltete. Es gab Bitburger vom Fass, ich hatte meinen schwarzledernen Angebermantel an und ließ mich tierisch volllaufen. Ein angehender Sozialpädagoge wollte mich zu einer Therapie überreden, als ich gerade unter der Bank hervorgerollt kam; eine blonde Schlampe ließ sich auf dem Plumpsklo vögeln, während ihr Freund und noch ein paar andere Besoffene zusahen; und ich rollte weiter über das  Lagerfeuer und wieder unter die Bank zurück, um mal richtig auszuschlafen. Vorher holte ich mir aber noch eine Wurst. Die hatte wahrscheinlich auch vorher auf dem Boden im Dreck gelegen.
So liefen die Tage davon, ich wurde nicht wirklich schlauer an der Uni und das mit der nächsten Freundin klappte auch nicht. Dafür war ich ständig im Tran oder am Flughafen. Oder am Flughafen im Tran. Oder und umgekehrt.

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