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von  RainerMScholz

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Irgendjemand in der FAG-Leitung hat beschlossen, dass im Sommer zusätzliche Arbeitskräfte gebraucht werden. Also werden studentische Aushilfskräfte beschäftigt, die eine Arbeitsperiode von sieben Nachtschichten bewältigen sollen. Die Hälfte springt nach drei Nächten ab. Weil die Aushilfskräfte keine Ahnung vom Arbeitsablauf haben, und auch gar nicht erst bekommen sollen, müssen sie ziehen, nur Koffer ziehen, die Koffer aus der Anlage reißen, während wir daneben stehen und die Tacks scannen, damit der Kram auch irgendwo ankommt, oder Eintragungen in blödsinnige Formulare vornehmen, die niemand mehr lesen wird. Wenn ich meinen neuen Kollegen abwechseln möchte, so ist das mein Risiko, sollte etwas schief gehen, und ich gestehe: manchmal ist es mir lieber, wenn die anderen alleine arbeiten. Das geht natürlich nicht immer. Außer bei denjenigen, die ich nicht leiden kann. Berger und seine Clique konnte ich nicht leiden. Ein Jurastudent aus angeblich wohlhabendem Hause - handelte sich vermutlich um eine Art von Lebenserfahrung in Sachen Proletarierdasein, was er hier veranstaltete -, der schon einmal im alubefelgten BMW vorfuhr, mit so einer Art, dass ich in die Verlegenheit geriet, ihn auf der Stelle inbrünstig zu hassen, ein Aufschneider vor dem Herrn, einer, der glaubte, in der Gnade geboren worden zu sein, stets andere für sich arbeiten zu lassen, der es nicht nötig hat und das auch so zum Ausdruck bringt. Jemand, den ich nicht leiden kann. Also schuppste ich ihn, wo ich konnte, ließ es ihn spüren, ließ den Blaumann 'raushängen, mein Vorarbeiter-Ich. Er und seine Opportunistenbande, ihre Attitüde der Unbekümmertheit, ihre aufgesetzten Pokergesichter brachten mich zum erbrechen, sie ekelten mich an bis zur Gelbsucht. Den selbstgestreuten Gerüchten zufolge verkehrte er regelmäßig im Bad Homburger Casino, sei dortselbst schon Croupier gewesen. Berger sei auch schon, abstrus genug, Pornodarsteller gewesen (das würde schon eher passen) und leite – nicht, dass das eine etwas mit dem anderen zu hätte - ein Anglerblättchen für verkappte Sportfischer als Redakteur. Als Redakteur! Die Sau! Also gab ich 's ihm. Doch als ich mit der Schlepperameise hinter ihm herfuhr, um ihn zur Arbeit anzutreiben, rastete er aus und beschimpfte mich als Festangestellten. Scheißefressender Festangestellter! War sicher nur ein Irrtum, doch diese Klassifizierung brachte mich so in Rage, dass ich beim Brüllen und Gestikulieren versehentlich seine Lippe mit meinen Fingernägeln streifte. Es blutete. Und das war's dann. Er rannte auf der Stelle zum Gepäckmeister und verlangte den Sicherheitsdienst, der den Vorfall aufnehmen sollte. Das hätte für mich die Kündigung bedeuten können, Berger, du Arsch! Ich geriet in Panik - heute, vom jetzigen Standpunkt aus gesehen, schwer nachvollziehbar. Holger und die anderen Festies standen zwar entschieden auf meiner Seite, doch wenn Berger darauf bestand, musste der Fall aufgenommen werden. Schließlich blutete seine Unterlippe – von der Kuppe eines meiner Fingernägel. Wirklich! Und seine Kollegen winkten ständig mit dem Zeigefinger in meine Richtung und schrieen, dass sie das bezeugen könnten. Ich dachte: ich leg´ euch um! Und dann ging ich zu ihm , greinte ihm 'was vor, dass ich das Geld brauchte und den Job, Frau und Kinder, am Rande des Ruins und so weiter. Schließlich, nach gespielt langem Zögern, nahm er mein Auf-dem-Bauch-kriechen an, mit Handschlag, kurz bevor der Sicherheitsdienst anrückte, hieb mir freundschaftlich jovial auf die Schulter und ging wieder an die Arbeit, hinaus in die Halle. Kein Schlag hatte mich je so niedergestreckt. Die Lippe hatte aufgehört zu bluten. Kurze Zeit später hat er gekündigt und nach und nach seine Kumpels auch. Wenn ich ihn heute auf der Straße sehen würde, ich würde... Nein, es geschähe gar nichts. Vermutlich. Weil es völlig gleichgültig ist, eine lächerliche Episode, eine Posse. Ich komme auch nicht so oft ins Casino oder auch nur in die Nähe einer Redaktion, auch wenn es bloß die der Anglerzeitung wäre (Porno ist da schon etwas anderes). Tatsächlich habe ich schon fast seinen Namen vergessen. Vermutlich. Ver. Mut. Lich.
Licher.

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