Der Kracher - eine Fortsetzungserzählung Teil VI

Satire zum Thema Abrechnung

von  pentz

Der Hobbydetektiv

Plötzlich klopft es an der Tür.
„Herein!“, sagt Michael. Ich drehe meinen Kopf und sehe einen großen Mann in grüner Uniform hereintreten. Noch bevor ich mich Michael zuwenden kann, stößt dieser die Worte aus: „Auch das noch!“ Sofort fasst er sich und raunt mir zu: „Die habe ich nicht gerufen, glaube mir!“
Man kann sich denken, wer den gerufen hat.
Michael setzt sein nonchalantes Lächeln auf, als er aufsteht und den Ordnungshüter stehend jeweils rechtwinklig zu uns beiden einen Sitz zuweist. Er unterlässt es, ihm die Hand zu reichen. Dann setzt er sich wieder. Warum ist er dann aufgestanden? Zudem, sie kennen sich scheinbar gut und ohne viel Federlesen wird die Zeremonie eröffnet: Anzeigen aufnehmen wegen Diebstahls, wozu der Neuhinzugekommene einen Wulst von Unterlagen auf den Tisch legt.
Der Gastgeber bemerkt einleitend, dass wir uns schon seit einiger Zeit unterhalten würden und lässt sich schließlich erschöpft, wie mir scheint - peinlich berührt? ich wünsche es mir zutiefst! – nach hinten in seinen Chefsessel fallen, ein Zeichen zudem, dem Walten der Ordnungsmacht freien Lauf zu lassen.
Dieser hat sich ein Formular auf die Tischplatte gelegt: Protokoll.
Die üblichen Fragen nach persönlichen Daten.
Als ich diese beantwortet habe, verkünde ich bedeutungsvoll, dass ich unschuldig sei und zu unrecht hier sitze. Daraufhin lehnte ich mich zurück und lasse die Arme schlaff herunterbaumeln.
Hörte ich den Polizisten sagen: „So, so. Das sagen sie alle!“ Nein, eine andere typische noch nichtsagendere Redewendung kommt über seine Lippen: „Schön!“ Was daran schön sein soll?
Jedenfalls, Herr Polizeimensch fragt nach besagten Gegenstand, um dem sich alles dreht. Ich fische mein Buch aus der Tasche und lege das Beweisstück meiner Unschuld auf den Tisch, als handele es sich um eine fragile Pflanze. Na klar, ist auch meins, nicht? „So, hier sehen sie das Corpus Innocentiae!“ Dieser Hauptmann schaut mich an, als ob er dieses Wort zum ersten Mal gehört habe.
„Ähm, dieses Buch ist mein.“ Pause! „Mein Eigentum, will ich sagen!“
Er, erstaunlich unbeeindruckt: „So, woher haben Sie das?“
„Vor ein paar Tagen in einer anderen Buchhandlung gekauft.“
„So. Können...“
Ich merke, Schweißperlen treibt’s aus meiner Stirn. Um die anderen abzulenken, lasse ich mich gar nicht auf weitere zu erwartende, besser zu befürchtenden Gegenüberstellungen und Fragen ein, am Ende fühle ich mich schuldig, - nein, lieber nicht - sondern drehe den Spieß um.
Dazu richte ich meinen Blick fixierend auf den Untersuchungsleiter: „Worauf gründet sich der Verdacht, dass ich dieses Buch geklaut habe? Ähm, will sagen, illegal an mich genommen habe?“ Die geschwollen Redewendung soll natürlich mein staatsbürgerliches Bewusstsein demonstrieren. Ich ergänze: „Herr Geschäftsführer!“, und richte meinen Blick – damit muss der Polizist sein Gesicht um 180 Grad drehen, sehr komisch - zu Michael hin. Ein bisschen bluffen, schadet nicht.
Außerdem doch geschickt, den Schwarzen Peter weitergegeben zu haben und mir eine Verschnaufpause gegönnt? Ich brauche etwas Zeit, um die Eventualitäten abzuklopfen, damit ich sie besser abpassen kann.
Michael bleibt scheinbar ungerührt. Aber ich vermute, er wird es mir übel nehmen, ihn in diese Rolle bugsiert zu haben, die er offenbar hätte vermeiden wollen und die seinem sanft lächelndem Gesicht so zuwider steht. Aber ein bisschen soll mir mein „Freund“ schon leiden, umsonst gibt es nichts, zumal nicht in einer so hohen Stellung.
„Ich kann nur das wiedergeben, was mir mein Kollege erzählt hat.“ Schlau, diplomatisch, dieser Michael, keinem auf die Füße treten, sich stets auf andere berufen, zumal wenn sie nicht anwesend sind. Damit zieht er sich gegenüber dem Polizisten aus der Schlinge. Also, jedes seiner Worte klingen so, als wären sie aus dem Mund des Krachers gekommen. Dies bringe erst einmal einer zustande, diese diplomatische Raffinesse!
Aha, er verdreht danach die Augen steif nach links und lässt sie ostentativ so schräg stehen. Will er mir Schuldgefühle einhauchen, lachhaft. - Nein, wunderbar, er ist pikiert!
Der Polizist bewegt erneut den Kopf zu mir. Schnell frage ich nach: „Mich verdächtigt er. Herr Geschäftsleiter, wie sehen Sie das selbst?“
Erneut höre ich einen Kopf flappen.
Nachdem Michael es in etwas anderen Worten transferiert hat, was er bereits gesagt hat, und es schon so klingt, als müsste er selbst als Chef hinter seinem Bediensteten stehen und also es selbst so sehen, was jener gesagt hat, mit anderen Worten, er mich damit auch anklagt, dreht sich wieder der Polizistenkopf zu mir. Weil es so schön aussieht mit dem Hin- und Herdrehen dieses Schädels und ich außerdem auch Michael weiter hineinreiten will in den morastigen Sumpf des unangenehmen Anklagens, frage ich nach: „Schätzen Sie ihren Mitarbeiter auch als seriös ein? Herr Geschäftsleiter!“
Leider dreht sich des Polizisten Kopf jetzt nicht mehr mit, sondern schaut geradeaus nach unten auf seine Unterlagen. Michael bekräftigt zähneknirschend meine Frage.
Ich sehe mich bemüßigt, erneut meine Unschuld zu bekräftigen, indem ich mich zu wiederholen beginne, unterlasse jedoch weitere Ausführungen und verstumme, weil des Polizisten Augenbrauen sich verengen und er angestrengt kombiniert. Ich glaube nicht, dass dies mich direkt eingeschüchtert hat. Aber er ist auch nur ein Mensch, der pfleglich behandelt werden will, oder will ich es mir vielleicht nicht ganz verscherzen mit ihm?
Es dauert etwas, bis die Frage kommt, welche von unzweideutig detektivischen Gespür zeugen soll, jedoch erstaunlicherweise nichts anderes darstellt, als die Wiedergabe des bereits Gesagten.
„Sie trugen also das Buch in der Hand, als Sie diese Buchhandlung betraten?“ Klingt unglaubwürdig, jemand betritt einen Buchladen mit einem Buch unterm Arm. Ist es nicht verdächtig und unlogisch, dass dieser aus dem Buchladen wieder mit dem gleichen oder zumindest nicht noch einem zweiten tritt?
Dennoch sage ich: „Richtig!“ und verklickere mühsam, dass ich passionierter Leser sei und niemals einen Schritt ohne ein Buch bei mir aus dem Hause setze und schamloserweise ich auch eines in eine Buchhandlung mitnehme, und am Eingang an der Pforte oder an der Kasse mitgebrachte Dinge abzulegen, ist hier nicht üblich.
Michael, froh zu sein, mich unterstützen zu können oder wieder aus seiner Rolle des Anklägers zu schlüpfen, vielleicht eher einfach für sein Imperium Schleichwerbung zu machen, pflichtet bei: „Das ist wahr. Der Aufwand rechtfertigt dies nicht. Außerdem versteht sich die Buchhandlung Fiola als ein offenes Geschäft, ein Begegnungszentrum sozusagen. Sie wissen auch, dass wir uns geweigert haben, am Ausgang elektronische Scanner zu installieren. Das passt nicht zu unserem Stil!“
Der Polizist nickt. Trotzdem ist er noch nicht überzeugt - was Polizisten doch misstrauisch sein müssen! Könnte ich nicht!
Während der Untersuchungsmensch alles Gesagte sorgfältig in sein Notizheft notiert und, wie mir scheint, einiges Darüberhinausgehende zudem, schleicht sich unaufhaltsam quälende Langeweile ein. Was macht er denn nur, denke ich allmählich. Der Mann schindet doch nur Zeit. Macht er das mit Absicht, dass er uns nervt? Alberne Geheimniskrämerei das, warum nur liest er nicht gleichzeitig vor, was er da schreibt, schließlich sind wir wirklich sehr gespannt darüber. Aber wahrscheinlich wartet er auf eine zündende Idee, wie er das Gespräch weiterführen kann hin zum Ziel, dass ich mich reumütig, geständig und um Milde bittend zeige.
Michael lässt jetzt jeden freundschaftlich gemeinten Blick meinerseits stoisch an sich abgleiten, wobei er stetig aufmerksam auf des Polizisten Gekritzle starrt. Er ist trotz allem vorsichtig und sehr professionell, was ihm meinem Respekt einträgt: er bringt die Geduld auf, jeden Idioten das Gefühl zu vermitteln, sich als Mensch zu fühlen, worin ich mich gleichfalls eingereiht sehe.
Wir werden endlich erlöst durch einen genialen Vorschlag in Form eines Befehls: man solle doch Herrn Kracher herbeizitieren. Was das jetzt soll, stutze ich. Ach ja, das bringt bestimmt Licht ins Dunkel dieses Vorgangs. Na denn!

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram