Der dritte Wolf - Teil 4

Kurzgeschichte zum Thema Hunger

von  MrDurden

Jahre vergehen wie Wimpernschläge, wenn man ein glückliches Leben führt. Wenn ich Erfolg habe und es mir gut geht, denke ich so selten an den Schmerz vergangener Tage, bis ich ihn beinahe vergessen habe und mich nur wundern kann, wohin meine Zeit verfliegt.

Drei Jahre sind vergangen, seit meinem ersten Gespräch mit David Carson. Seltsamerweise hatte ich nie die Gelegenheit, ihn persönlich zu treffen. Natürlich ist er ein vielbeschäftigter Mann. Sein Verlagsunternehmen gehört zu den größten des Landes. Und bestimmt arbeitet er auch jetzt an der Veröffentlichung eines Bestsellers.

Wieder ist es Herbst, doch von der nächtlichen Kälte ist seit geraumer Zeit nichts mehr auszumachen. Versunken in Gedanken sitze ich auf einem der Heizkörper meiner geräumigen Eigentumswohnung in Downtown, Detroit. Die Silhouetten von Wolkenkratzern spiegeln sich in der riesigen Glasfront meines Apartments und warmes Abendlicht fällt auf ein ganz besonderes Buch auf meinen Schreibtisch. Der dritte Wolf. Hardcover. Gebunden in schwarzes Leder. Der Buchtitel als Relief. Starkes Papier. Doch den Temperaturen der kalten Jahreszeit muss mein Werk nun nicht mehr standhalten.

Dieser Carson hat es tatsächlich geschafft. Seit mehr als zwei Jahren ist meine Geschichte auf dem Markt und sogar auf den Listen der meistverkauften Werke Michigans. Ich habe wieder Kontakt zu meinen beiden Mädchen und selbst Claire hält mich nicht mehr für einen Totalversager. Letztendlich hat sich alles zum Guten gewandt. Ich schnappe mir mein Handy und wähle Carsons Nummer. Erinnere mich an eine Nacht im Herbst, als ich es dringender gebraucht hätte, als heute. Doch das ist Vergangenheit. Und selbst die schlimmste Geschichte endet.

„Mister Carson? Schön, dass ich Sie erreiche. Alles im grünen Bereich, Sir. Danke der Nachfrage.“

Wie immer ist er nur telefonisch zu erreichen. Doch heute bitte ich ihn um ein Treffen, um mich für alles bedanken zu können. Ihn kennenzulernen. Ihm den Erstdruck meines Werks zu schenken. Ihn Freund nennen zu dürfen.

Er willigt ein. West Fort Street, Café gegenüber dem Cadillac Tower. In einer Stunde treffe ich den Mann, der mein Leben aus dem Dreck gezogen hat. Der Mann, dem ich mein Leben überhaupt verdanke. Jacke, Autoschlüssel und mein Buch. Selbst die schlimmste Geschichte endet.

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