Das schwärzeste dunkelste Schwarz, dorthin will ich gelangen, reisen ins Nichts des Alls, wo das Licht so hell erstrahlt, dass es das pure Dunkel ist, schimmernde absolute Abwesenheit, gleißende Nacht. Allein. Absent. Ein Niegewesener. Abgeschnitten und isoliert. Von der Welt entfernt. Was wir Welt zu nennen pflegen. Selbst die Farben will ich fliehen, das gaukelnde Licht, und die Geräusche und Gerüche, die Empfindungen, die trügerisch ein Bild entwerfen, das nie existierte, das nie geschah, ein Schemen. Ein Zerrbild für den Spiegel, der wir sind, in den wir schauen und erschauern und der in uns hinabsieht. Das Wesentliche übersehen wir und vermögen es gar nicht zu sehen, das, was in dieser Welt des Indirekten nur aus den Augenwinkeln heraus zu erahnen ist, so flüchtig in all diesem Lärmen und der falschen Buntheit, diesem Flitter und Abglanz, dass es nahezu verschwunden zu sein scheint. Aber es ist da. Die dunkle Essenz jenseits des Beschienenen, der Kern all dessen, der im Schatten fortexistiert und nie verschwunden war, immer schon dagewesen ist, längst existierte, bevor Sternenstaub sich über diesen leblosen Felsen legte, den Erde wir nennen, Welt.
Einige haben es gewusst oder erahnt, hatten vielleicht diesen Hauch im Nacken gefühlt, sich klammheimlich zu vergewissern gesucht, dass da niemand hinter ihrem Rücken die Krallen ausstreckt, um doch immer und immer ins Leere zu starren, dort, wo niemand schien, um dann mit eingezogenem Kopf weiter ihren Weg zu suchen, das Dunkle erahnend. Poe vielleicht und Algernon Blackwood und Lovecraft vielleicht, Joseph Conrad, Caspar Brötzmann – „aus dem Nichts – geteerte Teufel“ * -, Hieronymus Bosch. Annäherungen nur an das, was dahinter liegt oder tief im Innern, so tief, dass das Unvorstellbare daraus hervorgehen mag. Herbert van den Thys, der in diesem Keller am Fluss sitzt und schwarze Bilder auf schwarze Leinwand malt, sich die Haare rauft, bleich, krank und stumm. Oder die vielen Überbringer und Vollzieher, deren Anführer die Hitlers sind und die Idi Amins und die Pol Pots.
Da wo das Dunkle ins Schwarz übergeht, wo niemand hinzugehen vermag, werde ich mein Lager aufschlagen, um den Monstren und Ungeheuern zu begegnen, die dort nur leben können, von dort hervorgehen und dort ihre letzte Ruhestätte finden, wo das Licht die Dunkelheit gebiert. Diese Schuld trage ich ab, jene Pein und das Leiden am Leid selbst, das aus mir entspringt und entsprungen ist wie ein beständiger Quell flüssigen Pechs. Denn nun, in diesem leeren Raum, in dem und der ich bin, mache ich mich bereit um dorthin zu reisen. Das Fleisch ist von den Knochen und das Blut entrinnt den Venen. Nur so ist es möglich in die Sphären zu gelangen, in denen mein schwarzes Herz sich vereint mit der Schwärze des Alls, den Ort der schwersten Schwere, in das Zentrum dieses Universums, um das alles und jedes kreist. Um zu erfahren, zu wissen, körperlos und leichter als leicht, ein Geist. Um den Zufluchtsort allen Anbeginns zu schauen, die Geburtsstätte, zu der alle Seelen sich zurückfinden um eins zu werden mit der Traurigkeit und der Morgenröte der Welt.
Das Blut zerrinnt.
Ich tausche die Schwere dieses Körpers mit der absoluten Gravitation der Unendlichkeit aller möglichen Welten. Ich kehre heim in den Schoß des Schwarzen Lochs der Allwelt. Um Licht zu sein. Um Dunkelheit zu sein, die das Licht ist.
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* Caspar Brötzmann Massaker: „Koksofen“
© Rainer M. Scholz