Der Clown

Text

von  MrDurden

Große Menschenmenge. Kleine Manege. Ausgelassene Musik. Schallendes Gelächter. Donnernder Applaus. Je höher meine Sprünge, desto lauter ihr Jubel. Mein Spiel begeistert jedermann. Kinder. Erwachsene. Alte. Mein tägliches Spiel. Einstudierte Tollpatschigkeit. Routinierte Heiterkeit. Manchmal erfreue ich mich am Lächeln der Menschen. Doch heute spiele ich ihnen vor. Meine unbezahlte Hauptrolle mit ewig währendem Lächeln.

Große Menschenmenge. Kleine Manege. Ich bin einsamer Protagonist einer unabänderlichen Geschichte. Zweimal täglich erzählt zum Preis einer Eintrittskarte. Vorhang auf. Scheinwerferlicht auf mich. Scheinbarer Freund im Anzug aus synthetischem Kautschuk. Einziger Freund in diesem Meer aus Gesichtern. Alle lachen sie mit mir, denn heute spiele ich ihnen vor. Meine unbezahlte Hauptrolle mit ewig währendem Lächeln.

Große Menschenmenge. Kleine Manege. Jahre vergehen langsam wie Äonen. Erinnerungen an die Freiheit alter Tage verblassen an der Oberfläche dieser neuen Welt. Die Liebe des Publikums gilt nicht dem Wesen hinter der Maskerade. Denn hinter dem ewig währenden Lächeln des Clowns verbirgt sich nichts, wofür Zuschauerjubel die Sitzreihen erfüllt. Deshalb spiele ich ihnen heute vor. Meine unbezahlte Hauptrolle mit dem Lächeln, das ewig währt.

Große Menschenmenge. Kleine Manege. Kinder. Erwachsene. Alte. Aus allen Teilen des Landes reisen sie an um mich zu sehen. Jedermann will sich begeistern lassen. Mein ewig währendes Lächeln füllt ihre Herzen mit vergänglichem Glück. Zum Preis einer Eintrittskarte. Letzte Vorstellung. Kein Comeback. Kein heiteres Wiedersehen in dieser viel zu kleinen Manege. Mit dem verschmitzten Lächeln, das meine grauen Lippen niemals verlassen wird, sinke ich auf den Grund meiner Bühne. Kühle Schwerelosigkeit trägt mich gen Freiheit. Verstummendes Gelächter. Erstickender Applaus.

Denn heute spiele ich niemandem vor. Weder einstudierte Tollpatschigkeit noch routinierte Heiterkeit. Kein Zuschauerlächeln währt ewig. Doch meines stirbt niemals. Auf grauen Lippen. Auf dem Grund meiner kleinen Manege. Euer Meer aus Gesichtern ließ mich die Freiheit des wahren Meeres vergessen. Doch heute fällt der Vorhang und glücklich kehre ich heim. Keine Maskerade mehr. Nur ewig währendes Lächeln des Glücks. Auf den grauen Lippen eines Delphins.


Anmerkung von MrDurden:

Suizid durch Ertrinken ist ein verbreitetes Phänomen unter Delphinen in Gefangenschaft.

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Kommentare zu diesem Text

Regentrude (53)
(17.08.12)
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 MrDurden meinte dazu am 17.08.12:
Freut mich! Danke für Kommentar und Empfehlung! David
fragilfluegelig (49)
(17.08.12)
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 MrDurden antwortete darauf am 17.08.12:
Freut mich, dass der Text dir zusagt. Stimme dir in jedem Punkt zu. Danke dir fürs Lesen und einen schönen Abend! David

 princess schrieb daraufhin am 18.08.12:
Ein leiser, ein eindringlicher Text, der mich berührte und weiter  forschen ließ. Dankeschön, David. Liebe Grüße, Ira

 Seelensprache äußerte darauf am 22.08.12:
ich dachte auch bis zum Schlussatz es sei ein Clown, war danach verwirrt und habe festgestellt, wenn man es nochmal liest, kommt man gar nicht erst auf die Idee es sein ein Clown, genial, was unsere Erwartungen an einen Text so hervorbringen können, abgesehen davon, finde ich, dass du eine wirklich gute Art zu schreiben hast, man liest ohne sich zu wünschen, dass es bald zuende ist

 MrDurden ergänzte dazu am 23.08.12:
Vielen Dank auch an princess und Seelensprache. Freut mich, dass man es lesen kann
gaby.merci (61)
(21.03.13)
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 MrDurden meinte dazu am 22.03.13:
Danke dir, das bezweckt der Text. Grüße, David!

 Jorge (28.07.13)
Immer wenn ich in solche Unterhaltungsparks gehe oder ein kleiner Zirkus seine Zelte bei uns aufschlägt, denke ich an den Preis von Tierdressuren.
Du hast einen guten Text dazu geschrieben.
LG Jorge
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