Der Brief, oder: Ein Schiffbrüchiger zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Bild zum Thema Wunsch

von  Fuchsiberlin

Er sitzt im Bistro. An einem Tisch mit drei Stühlen. Sein Blick bleibt an der Backwarenauslage hängen. Kaffee und belegte Brötchen für drei? Vergiss es. Er sitzt allein an diesem Tisch.

Sein MP-3-Player spielt Musik aus einer anderen Zeit. ABBA. „I have a dream“. Doch Träume, die auf einer Sandbank strandeten, kennen kein Festland. Auf einer unbewohnten Insel bilden Gedanken eines Schiffbrüchigen nur einsame Sätze. Und erzeugen Hoffnung. Irgendwann (wieder) Worte mit anderen zu teilen.

Er denkt an seinen Briefkasten. Werbeschriften drohen der Hoffnung auf einen persönlichen Brief den Platz zu nehmen. Wer schreibt heute noch Briefe? Im modernen E-Mail-Zeitalter. Sein elektronisches Postfach befindet sich gerade im Irgendwo. In einem Akt des Mit-mir-nicht-mehr-Wahnsinns schnitt er das Kabel zur Telefonbuchse durch. Dem Handy entnahm er den Akku. Eine Handlung im Affekt. „Soll mir doch jemand einen Brief schreiben, wenn er mir etwas mitteilen möchte“, denkt er. Doch wer schickt ihm eine solche Wundertüte im Briefumschlag? Einen von Hand geschriebenen Brief.

Er schaut auf die leeren zwei Stühle an seinem Bistro Tisch. Er weiß, auch morgen wird sich wieder nur Werbung in seinem Briefkasten befinden. Und auch übermorgen …  Und kein persönlicher Brief. Wer sollte ihm auch ein solch einmaliges Schriftstück schicken!?

Er überlegt, wem er eine persönliche Mitteilung zukommen lassen könnte. Ihm fällt nur ein Mensch ein. Dieser sitzt gerade an einem Bistro Tisch mit zwei leeren Stühlen. Und so reiht sich dank seiner mit Tinte gefüllten Feder Buchstabe an Buchstabe.

Später kauft er ein neues Telefonkabel, und legt den Akku wieder in sein Handy.

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Kommentare zu diesem Text


 Annabell (15.05.14)
Sehr anschaulich und präzise geschrieben. Gefällt mir gut.
LG Annabell

 Fuchsiberlin meinte dazu am 16.05.14:
Ich danke Dir Annabell. Es freut mich sehr, dass mir dies mit dem Text gelang.

Liebe Grüße
Jörg

 TrekanBelluvitsh (15.05.14)
Zorn treibt Taten an. Diese sind zuweilen Unsinn, doch sie ermöglichen Einblicke - gut getroffen.

 Fuchsiberlin antwortete darauf am 16.05.14:
Da schreibst Du etwas sehr Wahres. Auch dies ist in meinem Text erkennbar.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg
ichbinelvis1951 (64)
(15.05.14)
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 Fuchsiberlin schrieb daraufhin am 16.05.14:
Vielleicht ist es manchmal auch zu viel an Technik. Und dann noch das neue Phänomen: Menschen, die auf der Straße mit dem Handy in der Hand, auf dieses blickend, durch den Alltag laufen, und neben und vor sich kaum noch etwas mitbekommen.

Liebe Grüße
Jörg
Graeculus (69)
(15.05.14)
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 Fuchsiberlin äußerte darauf am 16.05.14:
Ich finde es auch sehr schade. Gerade weil persönliche Briefe etwas Bleibendes hinterlassen. Und nicht kopierbar sind, einzigartig bleiben. Du erkanntest es richtig: Dieser Mensch ist auch einsam.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg

 franky (15.05.14)
Hi lieber Jörg,

Ich hätte Zeit ihm einen Brief zu schreiben, schick mir seine Adresse. Sitze zeitweise auch alleine an einem Tisch und warte bis die Türe aufgeht.

Herzliche Grüße

von Franky

 Fuchsiberlin ergänzte dazu am 16.05.14:
Ach lieber franky,

eine Antwort würdest Du dann sicherlich auch bekommen. Natürlich einen von Hand geschriebenen Brief.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg
B-Site (30)
(15.05.14)
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 Fuchsiberlin meinte dazu am 16.05.14:
Ja, da bin ich Deiner Meinung, am Ende merkt man, dass es doch nicht mehr ohne geht. Man kocht sein Essen ja auch nicht mehr am Lagerfeuer.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg
B-Site (30) meinte dazu am 16.05.14:
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Pocahontas (54)
(02.06.14)
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 Fuchsiberlin meinte dazu am 02.06.14:
Liebe Sigrun,

ich danke Dir sehr. Leider befürchte ich, dass die Veriensamung immer mehr zunehmen wird, u. a. auch auf Grund der hochtechnisierten Medienwelt. Traurig. Kommunikationen ohne Persönlichkeit machen den einsamen Menschen eher einsamer, da zu vieles dann fehlt ... Die Folgen sind dann schlimmer als schlimm, glaube ich.

Liebe Grüße
Jörg
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