"Daniel Kehlmann rezensiert Terminator Genisys" oder "Vom Niedergang deutschsprachiger Literatur"

Kommentar

von  autoralexanderschwarz

Normalerweise lese ich die ZEIT ebenso wenig, wie ich Daniel Kehlmann lese. Dementsprechend ist es dem Zufall geschuldet, dass ich im Urlaub im bildungsbürgerlichen Feriendomizil meiner Eltern in Südfrankreich auf jene Rezension stieß, die den Titel "Der Wurzelsepp explodiert" trägt. Jener in vielerlei Hinsicht mäßige Text wäre wohl kaum weiterer Erwähnung würdig gewesen, wenn die ZEIT-Redaktion ihn nicht mit folgendem Zusatz versehen hätte: "Daniel Kehlmann zählt zu den renommiertesten deutschsprachigen Autoren." Dieser Satz empörte mich in einem Maße, dass ich ungeachtet aller Verdrängungsversuche nicht schlafen kann und nun gegen 5:30 Uhr im Freien sitze, um mich gewissermaßen schreibend von meiner Empörung zu befreien. Natürlich sagt das Renommee eines Schriftstellers erst einmal nichts über seine literarische Qualität sondern lediglich etwas über die Korrelation seines Schreibens mit dem Zeitgeist aus. Vielleicht hätte es mich nicht gestört, wenn man diesen Schreiberling über das Adjektiv "lebend" in eine Reihe mit Konsorten wie Richard David Precht oder Hape Kerkeling gestellt hätte, aber diesen Namen aus redaktioneller Nachlässigkeit in eine Reihe mit Schiller, Kafka oder Bernhard gestellt zu sehen, bringt mich um meinen Schlaf. Wie kann man nur? Ist dies vielleicht nicht einmal ein verzeihlicher Fehler eines überarbeiteten Redakteurs, sondern liegt dem tatsächlich der Gedanke zugrunde, dass besagter Autor, der sich darüber echauffiert, dass in einem Actionfilm Autos und Häuser explodieren, durch seine mir unverständliche Bedeutung für die Gegenwartsliteratur tatsächlich in einer Reihe mit vergangener Größe deutschen Schriftstellertums steht? Oder ist dies der Versuch einer Zeitung das eigene Renommee zu heben, wenn ein solch bedeutender Schriftsteller für das eigene Feuilleton schreibt? Die Sonne geht auf. Meine Fragen werden wohl nie beantwortet werden. Meine Zigaretten habe ich auf einer liebevoll restaurierten Steinwand aus dem 18. Jahrhundert ausgedrückt. Irgendwie ist das symbolisch. Vielleicht werde ich jetzt schlafen können.

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Kommentare zu diesem Text

doktor_mueller (51)
(26.07.15)
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 autoralexanderschwarz meinte dazu am 24.08.15:
Bislang blieb dieses Welt-Happy-End aus.

 Dieter_Rotmund (26.07.15)
Das mit dem Aschenbecher und der Freundin wirkt recht fremdkörperartig in diesen ansonsten recht schön-bissigen Text.

 autoralexanderschwarz antwortete darauf am 27.07.15:
Yep, da gebe ich dir irgendwie Recht, aber genauso war es.

Lieben Gruß
AlX

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 27.07.15:
Du schwingst die Authentitätskeule, das tut aber keinem Text gut...

 autoralexanderschwarz äußerte darauf am 24.08.15:
Nach einigem Hin und Her: Ja. Irgendwie schon und ich glaube auch, dass - ungeachtet aller Authentizität - dahinter wohl der bislang unbewusste Versuch stand, diesen Affront meinen Eltern gegenüber - sollten sie diese Zeilen einmal lesen - zu rechtfertigen, zumal sie es waren, die diese Mauer restaurierten.

Dementsprechend kick ich's oben aus dem Text raus und ergänze es in der Anmerkung.

Manche Dinge brauchen Zeit.

Lieben Gruß
AlX
(Antwort korrigiert am 24.08.2015)

 autoralexanderschwarz ergänzte dazu am 24.08.15:
Der ursprüngliche Satz lautete:

Da ich den Aschenbecher im Haus vergessen habe und meine Freundin nicht aufwecken möchte, habe ich meine Zigaretten auf einer liebevoll restaurierten Steinwand aus dem 18. Jahrhundert ausgedrückt.
drhumoriscausa (60) meinte dazu am 26.09.15:
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 autoralexanderschwarz meinte dazu am 29.09.15:
Tja, so subjektiv ist die Rezeption halt. Empfand jenes Büchlein weder als Genuss noch als Lesevergnügen. Was bedeutet in dem Kontext "junger"?

Gruß
AlX
(Antwort korrigiert am 30.09.2015)

 Dieter_Rotmund (24.10.21)
Lyrich mit sehr viel Sozialneid.
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