30.08.2015 Sonntag
6 Uhr
In den Räumen ist es immer feucht, so bin ich froh, mal herauszukommen. Zu einer Hochzeit eingeladen, aber ob wir es rechtzeitig schaffen, steht sehr unsicher.
Leider habe ich nicht genug Geld mit mir, um alle sich bietenden Möglichkeiten, die sich plötzlich auftun, zu nutzen.
Andrew is going for the car battery und I have a appointment with Herbert for a wedding celebration. I’m afraid he will not be in time, because I don’t trust him in this way. [Andrew sorgt sich um die Autobatterie und ich habe eine Verabredung mit Herbert für eine Hochzeitsfeier. Ich befürchte, ich werde jedoch nicht rechtzeitig dort sein. Ich vertraue Andrew in dieser Hinsicht nicht.]
Um 8 bei Herbert sein wollen, um aufstehen zu wollen, um dahin zu kommen, um auf eine Hochzeit zu fahren, sagt Andrew: „6 Uhr 30 reicht!“
Um 6 Uhr 30 weckte ich ihn.
Mit dem Satz „Ich muss die Batterie holen beim Nachbar“ springt er aus dem Bett. Jener ist wohl einer, der Autos repariert oder nur Batterien oder hat er nur das benötigte destillierte Wasser, denn daran läge deren Untüchtigkeit, behauptet Andrew.
Ich wartete.
Andrew kam um 8 Uhr.
Schnell bauten wir das Teil ein. Das Auto sprang jedoch nicht an. Wir schoben es aus der Garage aus an. Es sprang immer noch nicht an. Es stellte sich heraus, als es im Hof stand, dass es zudem einen Platten hatte.
Batterie sprang nicht an, obwohl neu gewartet, zudem ein unerwarteter Platten des Reifens!? Dieser hatte sich quasi über Nacht gebildet, obwohl Andrew ein Ingenieur ist, in Japan in der Autoindustrie praktiziert hat und hauptsächlich vom Automechanik lebt.
Ich rannte auf die Straße. Schnell setzte ich mich auf ein an jeder Ecke stehendes Motorrad mit jugendlichen Fahrern. Blieb mir schließlich etwas anderes übrig?
Einmal hat Andrew, als wir auf den Sseze-Inseln waren, kurz nach dem Erwachen gesagt. „I got scared!“, will heißen, irgendetwas belastet mich und ich bekomme Angst. Was er wohl damit meint?
Ich mache mir Sorgen um ihn. Ist es wegen der vielen Kinder, die er hat, vier an der Anzahl, dass er fürchtet, nicht genug Geld zusammenarbeiten und –bringen zu können, um sie gut ernähren und verpflegen zu können? Er kämpft ja stets um jeden Schilling, scheint es, sagt, er zerrinne ihm zwischen den Fingern. Wer sagt so etwas noch im Westen?
Es herrscht hier in Afrika ein täglicher Kampf ums Überleben.
Dazu passt: Heute waren Kinder zu Besuch. Knaben. Einer wollte mir das Essen aus den Händen reißen. Scheinbar bekommen die Kinder niemals den Bauch voll. Latentes Hungergefühl treibt sie um. Allerdings, die kleinen Mädchen von der Nachbarin zeigen dieses Verhalten nicht. Auch wenn sie etwas zugesteckt bekommen, essen sie durchaus zurückhaltend und nicht gierig.
17 Uhr
Jinja, am weißen Nil
Das Hochzeitfest beginnt zuerst in der Kirche, auf dessen Podest bereits mikrofon-bewehrte Unterhalter stehen, die begleitet werden von einem kindhaften Keyboard-Spieler. Wir werden vom Onkel der Braut, der die Hochzeit in diesem Umfange organisiert hat, gebeten, uns ganz nach vorne in die erste Reihe zu setzen. Herrmann erklärt mir, jener sei der reichste Mann in seinem Dorf.
Danach ging es zu einem Großzelt auf einer Wiese mit professionellen Unterhaltern, Entertainment nennt sich dies, lärmend und kitschig, außer einer aus Jugendlichen bestehenden folkloristischen Musik- und Tanzgruppe. Selbst kleine Kinder tanzten vorm Publikum, aber sehr couragiert, hingebungsvoll und diszipliniert, denn sie vollführten ihre Kunststücke atemberaubend perfekt und erstaunlich synchron zueinander, als hätten sie sich auf ihren Auftritt stundenlang vorbereitet.
„Das sind aber sehr, sehr, sehr kleine Kinder!“, würde Andrew sagen. Ich würde ihm zustimmen.
Mit einem Cabrio-Mercedes kommt bald das Brautpaar angefahren. Von Feuerwerkskörpern illuminiert, tanzt es durch einen Spalier von Reihen links Männchen, rechts Weibchen, nachdem es aus ihrem flotten Schlitten ausgestiegen ist und durchs Zelt ihrem Thron schlängelnd entgegentanzt, der Bräutigam ein weißes Tuch schwenkend. Ein weißes Sofa steht auf einem Podest einen Meter über dem Boden und ist wie eine Empore überdacht. Von dieser Gallery oder Loge aus beobachtet und verfolgt das königliche Ehepaar das Spektakel immerzu lächelnd. Hin und wieder wird es zu diversen Spielchen animiert und aufgefordert.
Zwischendurch kam einmal eine Frau her und sagte zu mir, als ich mit ihr in ein Geplänkel kam: „Ich liebe weiße Männer!“ Mir verschlug es die Stimme und Worte über diese Aussage und dachte daran, wenn ich diese gesagt hätte: „Ich liebe schwarze Frauen!“, wie ich mich des Rassismus ausgesetzt gefühlt hätte.
Andrew hat mich von Herbert abgeholt, der mein Gastgeber für die Hochzeit war und mich mitgenommen hatte, und nach Hause gebracht. Andrew ist sofort zur Arbeit aufgebrochen, worüber ich ziemlich froh bin. Ich denke, jetzt hat er endlich wieder Aufträge bekommen. Er wird dadurch wieder mehr Geld besitzen und weniger versucht sein, zu schnorren. Es ist schließlich sowohl für den Beschnorrten als auch Schnorrer unangenehm.
31. 08. 2015 Montag
14 Uhr
Joanita hat mir gesagt, sie sei schwanger.
Ich tippe im ersten Moment auf den Wendler, der eine Eisentürmanufaktur neben ihrem Laden führt und öfter mal verschämt grinsend plötzlich in ihrem Türrahmen des Wohnzimmerbereiches gestanden hat und jede Gelegenheit ergriff und versuchte, sie zu betatschen und am Arm zu berühren. Oder war das Sitte und Gepflogenheit? Doch Joanita beteuerte betrübt, dass das Baby mit Bestimmtheit von Andrew sei.
„Aber Du hast gesagt, Andrew schläft nicht mehr mit Dir, weil er keine Kinder mehr haben möchte und...“ „Ja, das stimmt. Er wollte nie eines haben. Auch Cloe ist ein Versehen gewesen und wir waren betrunken gewesen, als es geschah.“
Sie wandte den Kopf in die Ferne auf die teilweise beleuchteten Lichter des Stadthorizontes, sprich der Skyline von Kambala, die sich aber weniger von imposanten Hochhäusern und Wolkenkratern geprägt auszeichneten, sondern von einer weit verstreuten unplanmäßig auf die Hügeln geworfenen Häuseransammlung. Deren Lichter warfen die sanft geschwungenen Hügel in ein mildes, buntes Kaleidoskop von Farben.
Dann zog sie ihren Blick wie einen Zoom zurück und heftete ihn auf das pastell-blaue Himmelsfirmament, dessen Grundfarbe, das Blau, viel Weiß durchscheinen ließ, also ein beruhigendes, unaufdringliches, mildes Blau Weiß bildete.
Ich erinnerte mich, vom Flugzeug aus hatte ich sehr verwehte Schäfchenwolken sachte über das Land ziehen sehen. Im Himmel hingen nicht so schwere, gewaltige und bombastische Wolkenberge, wie woher ich komme. Obwohl sommerlicher, heißer und wärmer, war doch das Klima erträglicher. Ihm fehlten die kalten Umbrüche wie beim Kontinentalklima. Afrikaner in Europa klagten über diese Wetterverhältnisse, dass es die körperliche Konstitution mehr angreife, belaste und in Mitleidenschaft zöge als in Afrika.
Der Himmel in Afrika ist also blau-weiß und nachts erscheint der Mond zwar klar, steht aber nicht so scharf kontrastierend am Firmament. Die Sterne sieht man durchaus, wenn auch nicht glasklar und messerscharf.
„Und dabei hatte ich nicht einmal einen Spaß gehabt“, äußerte mit einem Mal Joanita.
Unendlich bedauernswert kam sie mir in diesen folgenden Momenten vor: ausschließlich zur Hausarbeit verurteilte Mutter mit Kind, die sich selbst den Lebensunterhalt verdienen musste und tagtägliche Arbeit und Not ums Brot hatte. Von Andrew war kaum viel zu erwarten.
„Willst Du es abtreiben?“
Sie fährt hoch. „Niemals! Das verbietet mir meine Religion.“
Danach sackt ihr Oberkörper zusammen und sie ist in Gedanken versunken.
Nach einer Weile richtet sie sich wieder auf, in dem sie sich wieder strafft und in aufrechte Haltung begibt und meint: „Ich muss darüber nachdenken...“
Bunamwaya/Kampala – Nächste geplante Visite ist Kigali in Ruanda.
(c) werner pentz