Im Hallenbad

Text

von  atala

Ich packe meine Schwimmsachen in meine Tasche, werfe sie über die Schulter und radle zum Hallenbad. Das Gebäude ist rechteckig, von aussen sieht man hinein. Sobald ich die erste Eingangstür öffne, schlägt mir warmfeuchte Luft entgegen. Ich gehe noch in Turnschuhen auf den weissen Fliesen. Ich schwitze, die Kleider kleben an meiner Haut, sie sind hier überflüssig, in der Kabine streife ich sie ab.
Am Beckenrand stehe ich und betrachte die Leute, die in selbstbestimmten Bahnen vor und zurück schwimmen. Durch die Mitte ist eine leuchtende Schwimmleine gespannt wie eine purpurne Perlenkette. Das Gelächter und Gerede, das Abspringen vom Brett des Sprungturms und das spritzende Landen hallen von den Wänden. Es ist nicht zu bemerken, woher die Geräusche genau kommen, alles verbindet sich in einer Tonkulisse. Ich ziehe mir die Schwimmbrille über und zurre sie an der Schläfe fest, dann springe ich ins Becken. Das Wasser dämpft die Geräusche ab. Ich schwimme ein paar Längen und wende, um zu atmen, den Kopf immer auf dieselbe Seite. In der Mitte der Strecke höre ich auf zu kraulen und bleibe unter Wasser. Körper ohne Köpfe kommen von beiden Seiten auf mich zu. Wie Maschinen schlagen sie mit den Armen und Beinen einen unhörbaren Takt. Sie bewegen sich unaufhaltsam auf mich zu.
Um den Körpern auszuweichen tauche ich tiefer, zum Grund. Ich atme aus, Luftblasen steigen an die Oberfläche, Schleimfäden und Haarwolken schweben an mir vorbei. Der Boden ist silbern, doch ich spiegle mich nicht darin. Es liegt Unrat auf dem vergilbten Grund. Die schwimmenden Körper sind zu Flecken geworden, wenn ich hinaufschaue. Vielleicht ist meine Brille verrutscht. Ich versuche Luft zu schnappen, wo keine ist. Mein Körper atmet inwendig. Eine Kette liegt auf dem Grund, sie ist golden und hat einen schwarzen Anhänger. Es ist Mirjas Kette. Ich möchte sie aufheben und sie ihr geben. Ich strecke meine Hand aus, doch ich fasse ins Leere. Das Wasser reflektiert sich im Gold, die Glieder blinken. Ich muss daneben gegriffen haben. Die Luftblasen, die ich ausschnaube fallen nun zu Boden. Wo ist die Kette nun hin? Ich sehe sie nicht mehr. Dort, wo die Blasen hingefallen sind, kommt eine monströse Schlingpflanze auf mich zu. Das Ungeheuer packt mich grob und zieht mich nach unten. Ich versuche mich zu wehren, doch meine Glieder reagieren nicht und aus meinem Mund kommt kein Laut.


„Denkst du, ich soll jetzt einen Notarzt rufen?“
Ich schnappe nach Luft.
Das Licht ist grell. Es ist so als hätte mir jemand Pfropfen aus meinen Ohren herausgerissen, das Hallenbadgetöse schlägt auf mich ein. „Wie geht es Ihnen? Geht es Ihnen gut?“ Ein tropfender Mann kniet über mir. Ein Rotzfaden hängt von seiner Nase. Ein fester Griff ist an meiner Schulter. „Es geht mir gut“, hasple ich und schlage die Hand weg.

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Kommentare zu diesem Text


 Augustus (10.03.17)
"Eine Kette liegt auf dem Grund, sie ist golden und hat einen schwarzen Anhänger. Es ist Mirjas Kette. Ich möchte sie aufheben und sie ihr geben."

Der Satz sticht aus dem Rest des Textes heraus und wirft Fragen auf. Wieso liegt die Kette da? Eine mögliche Erklärung könnte sein: weil Mirjam genau an dieser Stelle ertrunken ist.
Die Schwimmerin, die die Kette aufheben und Mirjam geben möchte, möchte in Wahrheit - an genau derselben Stelle ertrinken. Der Verlust der Mirjam für die Schwimmerin ist groß.
Der Retter der freiwillig ertrinkenden Schwimmerin erntet keinen Dank, wie es denn gewöhnlich sein müsste, sondern seine Hand wird weggeschalgen, er erfährt eine regelrechte Abfuhr, da er gegen den Willen der Schwimmerin gehandelt hat.
Hier treffen zwei Welten aufeinander, während die innere subjektive Welt sich nach Mirjam verzehrt und bereit wäre ins schwarze Loch sich ziehen zu lassen, zieht die äußere Welt dagegen mit aller Kraft den Körper aus dem Sog der inneren subjektiven Welt heraus.

Ave

 Dieter_Rotmund (11.03.17)
Typisches Hallenbad-Gedöns sehr gut beobachtet. Der Traum-Teil könnte etwas kürzer und straffer sein, finde ich, da spiegelt sich doch eher die Lust des Autors/der Autorin am Schreiben wieder als eine echte Notwendigkeit.
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