Die Maschine habe ich im Onlineshop bestellt. Sie kam in einem kleinen Köfferchen an und als ich die Hülle aufklappte, sah das Gerät auf den ersten Blick so aus, als wäre es hergestellt worden, um Menschen zu töten. Aber anstatt dass sich ein Schuss löste, als ich auf den Knopf drückte, drehte sich der Lauf, an dem verschiedenförmige Aufsätze angeschraubt werden kann. Die L-Form, die kompakte Oberfläche, diese Ähnlichkeit mit einer Pistole gibt ihr den Namen Gun. Darum hielt ich sie so James Bond mässig in meinen Händen, zielte mir im Spiegel auf Herzhöhe, dann auf meine Schläfe, tat so, als drückte ich ab.
Ich weiss um die Macht der Sprache.
Weiss, dass Worte alles formen und verwandeln. Dass sie tief Verborgenes hervorholen können, dass sie das Resultat einer Übersetzungsarbeit sind. Weiss auch, dass diese Übersetzung in den wenigsten Fällen gelingt.
Und deshalb schweige ich.
Ich habe deinen Rücken massiert mit meinen blossen Händen. Bin mit dem Zeigefinger den Schulterblättern entlang und habe unter die Knochen gefasst, habe die Muskelwölbung darüber geknetet, eine Hautwelle geformt und über den ganzen Rücken gleiten lassen.
Deine Augenlider waren geschlossen, ich konnte die eine Hälfte deines Gesichts sehen, die, auf der du nicht lagst. Und hinter den Lidern hat es geglüht.
Das konnte ich ohne Maschine erreichen. Meine warme Haut hat deine gerötet. Und trotzdem habe ich im Onlineshop nach der Gun gesucht, habe Preise und Funktionen verglichen. Ich brauchte eine Brücke zwischen dem, was in mir ist und der Aussenwelt. Etwas, gegen die Unmöglichkeit den Mund aufzumachen und zu formulieren, was ich fühle. In der Maschine liegt mein ganzes Schweigen, alle Geheimnisse.
Während eines Aufenthalts in New York sass ich einmal alleine in einem Café und frühstückte, als sich ein junger, gutaussehender Mann neben mich setzte. Was sich als eine Flirt-Situation entwickeln könnte, verlief anders: Der muskulöse Mann streckte mir ein Kärtchen hin auf der eine trainierte Brust zu sehen war und erklärte mir, er sei personal trainer. „First I will give you an ass“, sagte er, als erzählte er mir ein Geheimnis. „Then legs and at the end we create a sixpack.“ Ich stellte mir vor, wie auf der Madison Avenue Leute umherschweben ohne Beine, ohne Po. Die Mäntel hängen in der Luft, nur Köpfe mit Sonnenbrillen wandeln umher, und das nur, weil sie diesem Mann noch nicht in einem Café begegnet sind, der ihnen Körperglieder gibt.
Ich werde dir die Massage Gun niemals zeigen.
Ich fürchte zu sehr, dass die Gegenstände für mich sprechen könnten. Dir alles erzählen könnten, was sich in den Abgründen angesammelt hat.
Du wirst sie nie sehen, auch wenn ich mich früher oder später zu einem Cyborg transformieren werden muss wegen dem ganzen Schweigen.