Nach etwa zehn, zwölf Tagen hatte man beschlossen, die gegen Schmerzen verabreichten Morphium-Spritzen bei mir abzusetzen. Was aber nicht bedacht wurde, dass mein kindlicher Körper schon gewissermaßen süchtig geworden war und durch die abrupte Absetzung mächtige Probleme bekam und rebellierte! , .
Aus nicht ersichtlichen Gründen fing ich aus Leibes Kräften zu schreien an. Es war wie ein anonymer Hilfeschrei meines Körpers. Ich schrie einen halben Tag ununterbrochen, bis ich dann erschöpft und schweiß gebadet zusammenbrach. Es hörte sich so grässlich an, wie ein Schwein zum Schlachthof geführt würde. So hat man es mir später erzählt.
Ich war heil froh, dass nicht der Primar Zyper mit Skalpell in meinem Inneren nach der Ursache der Schreie gesucht hatte.
Mein Eiserne Wille und mein starkes Herz haben auch diesen Schock bezwungen.
Nach kurzer Zeit schwollen meine Augen zu einer Übergröße an. Die Entzündung durch das eingedrungene Schießpulver, war kaum zu stoppen, So was wie Antibiotika gab es damals noch nicht.
Am Rückend liegend, rannen links und rechts ein Bächlein auf das Kissen. Es dauerte einige Tage, bis die Flüssigkeit total aus meinen Augen ausgelaufen, verschwunden war. Die Blindheit war so für mein weiteres Leben besiegelt, wenn es noch ein Leben gab
Eines Vormittags schob man ein Ersatzbett in das schon ziemlich volle Zimmer sieben. Ich war etwas verwundert, als ich dort hinein verfrachtet wurde. Es war wesendlich kleiner.
In mein großes Bett kam ein alter sehr kranker Mann zu liegen, der hatte nach ärztlicher Diagnose, keine nennenswerte Überlebenschance.
Dann, in der Nacht, trug man zwei weitere Ersatzbetten in den Mittelgang unseres Zimmers. Es gab ziemlich Aufregung: Zwei Brüder hatten mit einer Panzerfaust hantiert, die starke Detonation hatte ihnen lebensgefährliche Verletzungen zugefügt. Verzweifelte Verwandte standen neben den vor Schmerzen stöhnenden Kindern und weinten bitterlich. Am folgenden Tag war der kurze, heftige Lebenskampf der beiden Brüder schon zu ende, verloren. Zwei Schutzengel waren arbeitslos, mussten die Heimreise antreten. Sie gestanden ihren Boss nur ungern, dass sie verloren hatten. Doch arbeit gab es in diesen Tagen in Hülle und Fülle!
In einer der folgenden Nächte wurde ich von einem eigenartigen Geräusch geweckt. Es kam aus der Richtung des alten, sehr kranken Mannes aus meinem großen Bett. Der schnarchte so heftig und stoßweise. Da gab es wie Aussetzer der Atmung, die immer länger und länger wurden und schließlich ganz aufhörten. „Habe ich da gerade einen Menschen sterben hören?“ Ein ganz eigenartiges murmliges Gefühl beschlich mich. Nach der nächtlichen Episode schlief ich wieder ein.
Als am nächsten Morgen Pfleger Franz durch das Zimmer sieben ging und allen einen guten Morgen wünschte, kam aus dem Bett des alten Mannes Herrn Huber keine Antwort. Franz schüttelte ihn an der Schulter und fühlte seinen Puls. Der Mensch war tot, keine Frage.
Nun lief ein eingespieltes Ritual ab. Der Tote wurde mit einem Leintuch bedeckt, das Bett auf das Fahrgestell montiert und ins Leichenhaus transportiert. Hier kamen keine Angehörigen, die um diesen einsamen Mann getrauert hätten.
Als feststand, dass keine Verwandten oder Bekannten Anspruch auf den Nachlass des Herrn Hubers hatten, wurde der Inhalt des Nachtkästchens unter die Anwesenden des Zimmers Sieben verteilt. Aber wie schon geahnt, waren hier keine Reichtümer vergraben.