Es war in Juli, Sommer 1945
Nach dem Mittagessen nahm mich Vater zu einem kurzen Mittagsschlaf in die nun leerstehende Wohnküche von Familie Pohl mit, die kurz vor Kriegsende sich auf den Weg in ihre ehemalige Heimat nach Süden aufgemacht hatten. So stand diese Rauchküche von Vulgo Natzbauern leer. Selbst gezimmertes Bett, Tisch und Stühle hatten sie in der (Rauchkuchl) zurückgelassen. In dieses Bett von Volksdeutschen Frau und Herrn Pohl machten wir uns es bequem. Bequem war der falsche Begriff, da das Heu an allen Stellen stach und juckte. Ich versuchte immer wieder eine neue Position zu finden, dabei zappelte ich ziemlich nervös herum, bis mein Vater plötzlich einen bösen Fluch ausstieß, Kruzifix! „Bua! Kannst nicht endlich a Rua geben, i mäicht gern schlofm!“ Irgendwann schlief ich dann doch ein.
Ein anderes Mal schlug er sogar mit der Hand nach mir, ich zuckte vor Schreck zusammen und war wie gelähmt. Lag dann in einer schockstarre ruhig da und beobachtete das Schnarchen von meinem Vater, bis er ausgeruht sich erhob und mich dann alleine zurückließ.
Ich getraute mich nicht sofort Vater zu folgen, passte einen Augenblick ab, als er den anderen Raum verließ und ins Freie trat. Orientierte mich dann den Fußboden entlang in unsere Wohnküche und legte mich auf das Lottabett, das nicht so stachelig wie das Heulager von Pohl war.
Mit meiner Blindheit und nur mit einem Bein hatte ich sonst keine Chance von A nach B zu kommen und Prothese konnte man mir noch keine anpassen, da mein Stumpf noch nicht
Ordentlich verheilt war.
Die Wiesen um unser Haus, die nicht abgemäht werden konnten, wurden von den Kühen aus dem Gutshof Schweizerhof abgegrast. Einige große Wiesen in unserer Umgebung waren zu diesem Zweck eingezäunt, so dass die Kühe nicht wild durch die Gegend rennen konnten.
An diesem Tag wurden die, etwa 20 Kühe hinter unser Haus bis hinauf zum Waldrand getrieben. Die hälfte der Weide war flach, doch zum Wald hin gab es einen steilen Anstieg. Die gesamte Fläche war ohne Zaun, total frei. Kühe fühlen sich bei steilem Gelände nicht so wohl, doch ein paar Stunden war alles im grünen Bereich. Ich weiß nicht warum man keinen Kuhhüter beigestellt hatte;
An diesem Vormittag befand ich mich auf der kleinen Wiese zwischen unserem und Nachbar Graßeckers Haus um zu spielen. Von Weitem vernahm ich ein anschwällendes Dröhnen, das von wild trammpelden Kühen herrührte, die in Panik den einzigen Kaarenweg ins Tal suchten. Viel zu spät wurde mir klar, dass ich genau auf diesen einzigen Weg, die die zwanzig Kühe nehmen würden, auf der Wiese saß. Das wilde Getrampel kam immer näher bis die Erste Kuh um die Hausecke bog, an mir vorbei stürmte, alle Übrigen folgten ihr.
In meiner höchsten Verzweiflung begann ich hysterisch zu schreien. Legte mich auf den Bauch und verkrallte meine Finger in die frisch gemähten Grashalme.
Im Inneren erwartete ich, dass mich jetzt und jetzt eine schwere Klaue auf dem Kopf und Körper treffen würde. Aber nichts, gar nichts davon geschah! Der Lärm von ins Tal stürmenden Kühen wurde Leiser und leiser.
Nach diesem Horror Ereignis lag ich noch eine Weile zähneklappernd auf der Wiese,
bis ich mich wieder halbwegs beruhigt hatte.
Mein Schutzengel kniete neben mir und hielt seine Hände schützend über mich. Ja, doch!
Er hatte seine Aufgabe wieder mal ganz Toll gemacht.