Meine letzte Weihnacht als sehendes Kind.

Erzählung zum Thema Weihnachten

von  franky

 

Im Dezember 44 wurden permanent Luftangriffe auf die Stadt Graz Steiermark geflogen.

Für die taghelle Ausleuchtung der vorgesehenen Ziele, wurden die sogenannten (Christbäume) über die Stadt Graz abgeworfen,

Ich konnte sie, 25 km  von Laufnitzdorf aus beobachten, bis sie hinter den Bergen verschwanden.

Später vernahm man ein Dröhnen von Motoren der Bombengeschwader von Englischen und Amerikanischen Flugzeugen und darauf folgenden Dumpfen Explosionen .

In Meinem Innern plagte mich eine höllische Angst und niemand der mir sie nehmen konnte.

 

In dieser Zeit hatte es meiner Erinnerung nach, ziemlich viel Schnee und empfindliche Kälte.

Papa wurde im vergangenem Jahr 43 zur Fliegerabwehr eingezogen, so musste Mama mit

Fünf Kindern alleine zurecht kommen.

Mit Unterstützung von meinen älteren Schwestern Poldi und Franziska wurden alle Vorkehrung für Weihnachten getroffen, das war für die Beiden in dieser Zeit eine

mords Aufgabe.

 

Meine Neugier für den heiligen Abend war nicht mehr so groß, da ich die Fliegerabwehrkanone aus Gusseisen, ich in Papas Wäscheschrank schon entdeckt hatte,

Die versetzte mich nicht gerade in weihnachtliche Stimmung.

Dann noch ein Bilderbuch, das in grellen Farben darstellte, wie eine Phosphorbombe 

Mitten durch ein Spital mit Patienten schlug, welches trotz deutlich rotem Kreuz auf dem Dach gemalt, von den Alliierten nicht verschont wurde. Menschen wurden von den umsichgreifenden Flammen regelrecht aufgefressen.  

Aber auch ein wunderschönes Bild von einem Sonnenuntergang, wo die Sonnenstrahlen das  Meer in herrliches Violett  tauchte.

Die darauf befindlichen Kriegsschiffe hatte ich total ignoriert. 

 

Was hatte das alles mit einem kindlichen Gemüt von Acht Jahren zu tun?

Wenn nur Kriegverherrlichende Bilder gezeigt wurden.

Räumte diese grauenvolle Sachen zurück in ihr angewiesenes Versteck und verschloss vorsichtig wieder den Kleiderschrank. Mit diesen Eindrücken im Kopf wartete ich auf den heiligen Abend.  

Mit Hacke (Beil) und Säge bewaffnet begleitete ich Mama in den Wald, um einen geeigneten Christbaum ausfindig zu machen. Wir unternahmen diese Aktion gegen Abend, da der Gutsverwalter nicht auf unsere illegale Bäumchensuche aufmerksam gemacht werden durfte.

Einzel stehende Bäumchen zu fällen wäre eine Sünde gewesen, unsere Wahl fiel auf eine Dreiergruppe,

von dort schnitten wir ein brauchbares Exemplar heraus. Ich kniete am Boden und sägte mit einer Bogensäge das Stämmchen ab. Mama stand daneben und hielt die Spitze des Bäumchen fest, damit der Stamm an der Schnittfläche nicht gespalten wurde.

Als Christbaumständer hatte Papa vor einigen Jahren ein Kreuz aus Holz gezimmert, wo das Bäumchen in ein Loch in der Mitte verkeilt wurde. Das war noch eine sehr kniffliche Sache, da der Baum ja auch noch halbwegs gerade stehen sollte.

Es war kein Tanne, sondern eine einfache Fichte.

 

Meine Anwesenheit war nicht mehr gefragt, so zog ich mich in die wärmere Wohnküche zurück. Meine zwei jüngeren Schwestern, Resi vier und Trude fünf jahre alt waren dort mit intensiven Puppenspiel beschäftigt. Ihnen fiel das Warten auf den heiligen Abend nicht so schwer, mir eigentlich auch nicht, da ich ja meine Geschenke schon einige Zeit vorher ausfindig gemacht hatte.

Trude und Resi bekamen als Nachtmahl je eine Trinkflasche voll Milch mit Kindergris von Nestle, die die Beiden am Küchenboden liegend genüßlich bis zum letzten Tropfen verzehrten.

Wohl oder übel fand der heilige Abend bei uns statt. 

Nach dem spärlichen Abendessen, verschwand Mama kurz oben im ersten Stock, um vorsichtig die echten Kerzen am echten Christbaum anzuzünden, ständig auf der Hut, das so ein echtes, heißes Flämmchen einen Fichtenzweig in brand stecken könnte. Außerdem wurden auch Süßigkeiten kunstvoll in Seidenpapier verpackt und als Schmuck an den Christbaum gehängt. Solche Sachen könnten in kürzester Zeit ein Raub der Flammen werden, nicht auszudenken!   

Mit einem hellen Glöckchen rief sie uns dann, die Bescherung in Augenschein zu nehmen. Mit nervös zitternden Knien stolperten wir die Hühnerleiter artigen Stufen empor in unser Schlafzimmer.  

Trude bekam eine Schlafpuppe vom vorigem Jahr, wo man die kaputten Augen wieder in Stand setzen konnte. Resi freute sich über ein neues Puppenkleid. Von Franziska weiß ich nicht mehr genau. Poldi erhielt aus Hochglanzpapier ein Bilderheft, nur mit Bilder von Adolf Hitler und seinen engsten Mitarbeitern, Poldi war ein fanatischer Hitler-Fan.

Mein Weihnachtsgeschenk kannte ich ja schon, darum nahm ich die Kanone etwas zögernd entgegen, meine Freude hielt sich in Grenzen. Als ich in meinem Bilderbuch geblättert hatte, fragte ich halblaut:

„Mama, ist das alles?“

Mama zog mich zu sich und knallte mir zwei saftige Ohrfeigen an den Kopf, dass mir Hören und Sehen verging. Mit hochgezogenen Schultern und rotem, verweintem Gesicht, schlich ich mich aus dem heiligen Abend hinunter in die dunkle Küche,     

Das war das letzte Mal, dass meine lebendigen Augen einen Christbaum leuchten sahen.



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Kommentare zu diesem Text


 blauefrau (30.12.22, 09:35)
Mich würde auch interessieren, wie du direkt nach deiner Erblindung deine Umwelt wahrgenommen hast. Besonders interessiert mich auch, wie und woraus du Hoffnung für dich geschöpft hast. LG blauefrau

 AngelWings meinte dazu am 11.01.23 um 18:11:
Kann sagen nur Frage P. M! Natürlich ist nicht blind, aber er kann wie eine sehen.
Jo-W. (83)
(30.12.22, 09:36)
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 Regina (30.12.22, 09:50)
Nicht immer hieß und heißt es in den Familien "O du fröhliche, o du selige...".

 Saira (30.12.22, 10:03)
Eine sehr traurige Erzählung, lieber Franky.

Ich wünsche dir für 2023 alles Liebe!

Herzliche Grüße
Sigrun
Taina (39)
(30.12.22, 11:19)
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 uwesch (30.12.22, 12:01)
Eine lebendige Erzählung eures Familienkebens lieber franky und dann Dein tragisches Schicksal mit der Erblindung.
Wünsche Dir alles Gute für das neue Jahr.
LG Uwe

 AlmaMarieSchneider (30.12.22, 14:20)
Deine Geschichte hat mich tief berührt. Meine Achtung und mein Respekt vor Menschen mit solch einem Handikap war immer sehr groß.

Dir und Deinen Lieben ein gutes neues Jahr.

Herzlichst
Alma Marie

 Lluviagata (30.12.22, 14:31)
Mein lieber Franky,

ich möchte Deinen Text, Deine Erinnerung, zum Anlass nehmen, um Dir und Deinen Lieben ein gutes und gesundes neues Jahr zu wünschen. Lass Dich umarmen!

Deine Llu ♥

 Graeculus (30.12.22, 14:56)
Das ist mal eine gute Weihnachtsgeschichte, fern von Idylle und Kitsch. Und dann auch noch - für uns Leser absehbar, für Dich damals jedoch nicht - die letzte mit gesunden Augen.

Ray Charles, den Du sicher kennst und der ebenfalls als Kind erblindet ist, hat späterhin eine Operation, die ihm die Sehkraft hätte zurückgeben können, abgelehnt mit der Begründung, das nähme seiner Musik die Tiefe. Wie steht es in dieser Hinsicht bei Dir? War das jemals eine Option für Dich?

 AngelWings antwortete darauf am 30.12.22 um 18:38:
Ja, das heiß nicht wenn man ein OP durch letzte. Das man sein sehe Kraft wieder bekommt. Kommt darauf an was verletzt ist.

 hei43 (30.12.22, 17:53)
Hallo franky,

Deine Kindheitserinnerungen haben mich sehr berührt,denn Du beschriebst das Einfache zum Weihnachtsfest und die damalige Zeit. Mir fehlen dazu passende Worte, weil ich es bewundere, wie Du mit der Erblindung schon als Kind leben musstest. Alles Gute im kommenden Jahr und innere Zufriedenheit, liebe Grüße Heidrun

 AchterZwerg (31.12.22, 07:12)
Lieber Franky,
du hast das Grauen des Krieges und seine wenigen lichten Momente gut dargestellt. Auch das Zerbrechen dieser scheinbaren Idylle:
"War das alles?"

Für 2023 wünsche ich dir alles erdenkliche Glück.

Herzliche Grüße
der8.

 lugarex (31.12.22, 07:33)
Sehr berührt wünsche ich Dir viel Kreativität und viel Kraft im 2023.
Man braucht Glück um nicht aufzugeben. Alles Glück der Erde! Luga.
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