Es muss in den Monaten Februar, März 1945 gewesen sein, als einer der letzten Juden Transporte zu Fuß auf der Straße von Graz nach Mauthausen unterwegs waren.
Noch als sehendes Kind stand ich im Schweizerhof am Straßenrand der Triesterstraße, PKW und Lastauto waren in dieser gefährlichen Zeit nur spärlich auf den Straßen zu sehen.
Dann aber näherte sich eine Kolonne von erbärmlich gekleideten Menschen, im Gänsemarsch die Straße nach Norden. Abschluss bildete ein junger, unrasierter Soldat, der wirkte sichtlich kraftlos, der Karabiner hing als lästiger Fremdkörper auf seinen Rücken. Der bändelte bei jedem müden Schritt etwas hin und her. Der freudlose Blick war auf die Straße gerichtet, die er nicht so rasch wieder vergessen dürfte.
Die wahrscheinlich erst kürzlich gefangenen Juden, waren zu Fuß auf dem Weg nach Mauthausen in die Gaskammer.
Die Erste in der Kolonne, war eine, jüngere hagere Frau, der hingen die langen schwarzen Haare ungepflegt über den Körper. Ihr Gesicht dürfte sie vor Scham mit Ruß bedeckt haben, damit sie von niemand auf ihren letzten Weg erkannt werden sollte.
Abschluss der Truppe bildete ein Mann, der einen Schubkarren vor sich her schob. Die beiden Griffe hatte er mit seinem Hosengurt befestigt, den er dann über seine Schultern geschlungen hat. Seine freien Hände steckten in den Hosentaschen, damit die Hose nicht ihren Halt verlor. Das Gesicht des Mannes mit hängendem Unterkiefer, war sonnengegerbt, die Augen nur zu schmalen Schlitzen geöffnet. So Balancierte er sein Gefährt wie im Trance auf der Straße. Mit den Knien wurden Richtungsschwankungen korrigiert.
Was sich in dem Schubkarren befand, konnte man von außen nicht eruieren.
Auf dem Rücken des Mannes prangte ein gelber Davidstern, der den ganzen Rücken bedeckte. Auch Andere in dem Gruppe, waren mir so einem Stern gekennzeichnet.
Anzahl der, auf der Straße wie Tiere getriebenen Menschen dürften an die Zwanzig gewesen sein. Nur schleppend entfernte sich die Menschengruppe und war Richtung Kanalbrücke aus meinem Blickfeld entschwunden. Wir konnten beobachten wie der Wachesoldat seinen Tross ziemlich weit voraus laufen ließ. Von Müdigkeit gezeichnet machte er auf jeden zweiten
Grenzstein Pause und stützte sich auf seinen Karabina. Mir war damals nicht klar, wie der Soldat die Menschen wieder einholen soll, die er doch bewachen müsste, wenn er vor Erschöpfung fast keinen Fuß mehr vor den Anderen setzen konnte.
Hinter vorgehaltener Hand erzählte man sich, dass, wenn einer der Gefangenen nicht mehr weiter konnte, wurde er zum Hinknien aufgefordert und mit einem Genickschuss liquidiert.
Für dieses unvorstellbares bestialische Geschäft, konnten sich schießwütige der Umgebung
Freiwillig melden, so etwas wurde nicht geahndet.
Nach Kriegsende konnten diese Menschen sehr wohl eruiert und zur Verantwortung gezogen werden.
Nach so vielen Jahren, ist mir dieses Bild immer noch in meine Seele eingebrannt.
Es war dies nur eine von mehreren Transporten in dieser Art.