Es fing bereits an zu dämmern, als Manfred seinen Basketball die Straße entlang dribbelte. Die Autos waren unter dicken Schneemassen begraben und der Gehweg mit Sand bedeckt, zumindest an den meisten Stellen. Nur wenige Leute schienen es nicht für nötig zu halten, den Bürgersteig von der weißen Pracht zu befreien. Eines Tages, wäre er ein berühmter Basketballstar sowie Lauri Markkanen von den Chicago Bulls oder Kareem Abdul - Jabbar von den L. A. Lakers. Irgendwann glaubte Manfred wäre er auch einer der berühmten Basketballspieler der NBA. Er würde zu den Chicago Bulls gehen und die Leute würden ihn rufen, Manfred, Manfred, Manfred. Man würde ihn auf der Straße erkennen, er hätte eine Vorbildfunktion und die Menschen würden ihn um Autogramme bitten. Das wäre ein aufregendes Leben, dachte er. Er würde in einer großen Villa mit einem Swimmingpool leben und hätte einen Butler, der ihn von vorne bis hinten bediente. Manfred würde nicht wie sein Vater den Rest seines Lebens in einem Mobilkonzern wie Mercedes Benz verbringen und dort einen Stuhl mit seinem Arsch polieren und den Vorgesetzten in den Hintern kriechen, damit die Familie was zu fressen auf dem Tisch hatte. Das war nicht sein Ding, er wollte ein großer Star sein, wie Michael Jordan. Manfred sah auf die Uhr, es war bereits viertel vor sieben, er musste sich beeilen, wenn er nicht zu spät kommen wollte. Seine Mutter hatte ihn ausdrücklich ermahnt, dass er spätestens um sieben wieder zu Hause sein sollte. Manfred beschleunigte seine Schritte, während er den Ball vor sich her dribbelte. An einer nicht gestreuten Stelle rutschte Manfred aus und setzte sich auf den Hosenboden. Ein stechender Schmerz schoss ihm ins Steißbein und trieb ihm die Tränen in die Augen. Er wischte sie sich mit dem Handrücken fort und erhob sich. Sein Basketball rollte eine Auffahrt hinauf auf eine Garage zu, dessen Tor nicht ganz heruntergelassen war und verschwand in der Dunkelheit. Manfred lief die Auffahrt hinauf. Sollte er wirklich bei wildfremden Personen klingeln, weil sich sein Basketball in ihrer Garage befand? Warum hatten sie auch das verdammte Tor halb offen gelassen? Was war, wenn sie ihn einen Lügner nannten und den Ball nicht herausgeben wollten? Dann würde er morgen mit seinem Vater wiederkommen. Was sollte denn schon geschehen? Manfred stieg die Stufen hinauf, sein Herz raste. Man sollte nicht mit fremden Personen sprechen. Seine Mutter hatte ihm das immer wieder eingetrichtert. Was war wenn es sich bei den Leute um böse Menschen handelte, die in ihrem Keller....? Manfred wollte den Gedanken lieber nicht zu Ende spinnen. Quatsch, bestimmt waren das ganz nette Personen. Die meisten Menschen waren gute Menschen. Bestimmt war ihnen als sie klein warn auch mal so ein Missgeschick passiert. Seine Hände waren feucht und sein Herz raste. Manfred nahm all seinen Mut zusammen und klingelte. Er wartete einen Augenblick, doch im Haus rührte sich nichts. Er trommelte mit seinen Fingern auf seinem Hosenbein herum, dann klingelte er erneut, aber niemand öffnete. Was war wenn sie im Urlaub waren? Vielleicht im Skiurlaub oder auf Mallorca, dann würde er seinen Ball vielleicht erst nach Weihnachten oder im neuen Jahr zurück bekommen. Aber was sollte er seinen Eltern sagen? Er konnte sie bereits im Geiste hören, wie sagten, kannst du nicht aufpassen? Der Ball war teuer, weißt du wie lange ich dafür arbeiten musste? Von uns bekommst du keinen neuen. Manfred sah noch einmal zur Auffahrt. Das Garagentor stand einen Spalt breit offen, zumindest einige Zentimeter. Er könnte doch einfach durch den Spalt kriechen, sich seinen Ball schnappen und verschwinden. Niemand würde etwas davon mitbekommen. Manfred lief die Auffahrt zur Garage hinauf, als er plötzlich ein leises Rascheln hörte, welches aus dem Innerem der Garage kam. Er hielt in seiner Bewegung inne. Was war das? Was war wenn die Hausbesitzer wiederkamen, gerade dann wenn er aus ihrer Garage kam? Vielleicht sollte er die Sache doch lieber lassen. Manfred schloss die Augen. Du wirst nicht erwischt werden, du holst dir nur deinen Basketball zurück. Das ist alles, die Bewohner sind nicht da und bevor sie merken, was geschehen ist, wirst du bereits über alle Berge sein.
Der Junge öffnete die Augen und ging auf die Garage zu, kalter Schweiß floss seinen Nacken hinab, sein Herz raste. Er ging wie auf Stelzen, während sich seine Nackenhaare langsam aufrichteten. Hatte er das Geräusch wirklich vernommen oder hatte er es sich nur eingebildet? Er lief zwei weitere Schritte auf das Garagentor zu, als er plötzlich etwas an seinem linken Knöchel spürte. Es riss ihn zu Boden und Manfred fiel direkt auf sein Steißbein, er schrie. Sein linker Knöchel brannte, als hätte er ihn Salzsäure getaucht. Er hatte das Gefühl, das etwas langsam seine Haut zersetzte. Manfred wurde einige Meter über den Boden geschleift. Seine Augen quollen aus den Höhlen hervor, während er schrie wie am Spieß. Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg ihm in die Nase. Was war das für ein Ding, das seinen Knöchel umschlang? Das war das Letzte woran er dachte, bevor der Fangarm ihn in die Garage zog. Manfreds Eltern meldeten ihn zwei Stunden später als vermisst. Die Polizei dursuchte mit einem Großaufgebot die Gegend und umliegende Wälder, doch gefunden wurde nichts. Die Hartmanns kehrten zwei Wochen später aus dem Urlaub zurück und entdeckten in ihrer Garage einen blutigen Kinderschuh, einen Basketball sowie einen großen Blutfleck auf dem Boden. Sie riefen die Polizei, nachdem Manfreds Eltern bestätigten, dass es sich bei dem Schuh um den Schuh ihres Sohnes handelte, wurden die Hartmanns verhört, jedoch konnten sie nachweisen, dass sie zur Tatzeit im Skiurlaub gewesen waren. Der Mörder des Jungen wurde nie gefunden.