Mein Name ist Robert Becker, ich wohnte zusammen mit meinem Bruder Alexander in Marienheim einer kleinen Stadt in der Nähe von Cuxhaven. Seit mehren Jahren kommt es in unserer kleinen Stadt zu Halloween zu seltsamen Todesfällen. Die Polizei tappt seit Beginn der Morde im Dunklen. Aber die Masche soll immer dieselbe sein. Die Opfer hörten die Stimme einer Frau die um Hilfe bittet, sie sei in Not, jemand habe versucht sie zu vergewaltigen. Sie habe keinen Handyempfang und kein Bargeld bei sich. Wenn die Leute dann öffneten, wurden sie getötet. Seltsam ist dass nie etwas gestohlen wurde, auch sah niemand etwas, man hörte nur die Schreie der Opfer wenn die Täterin über sie herfiel. Es gab keine Spuren, keine Fingerabdrücke und keine Kampfspuren. Nur Haar- Haut und Faserspuren der Opfer. Das Seltsame war auch, dass es sich laut der gerichtsmedizinischen Untersuchung um das Haar einer Toten handeln musste. Die Täterin hinterließ so gut wie keine Spuren, außer den Abdruck ihrer Zähne. Sie mussten lang und spitz sein, fast wie bei einem Vampir oder einem Raubtier. Es gab keine Speichelspuren. Das waren die rätselhaftesten Morde in der gesamten Kriminalgeschichte, behauptete die Presse. Auch das Fernsehen berichtete rund um die Uhr über die Vorfälle und bat die Bevölkerung Türen und Fenster geschlossen zu halten und auf keinen Fall Nachts allein auf die Straße zu gehen. Über eine generelle Ausgangssperre ab 22:00 Uhr würde diskutiert werden, es sei aber sehr unwahrscheinlich, dass dazu kam, hieß von Seiten des Nachrichtensprechers. Seltsam, normalerweise war es unmöglich, an einem Tatort keine Spuren zu hinterlassen. Die Opfer waren Männer, Frauen und Kinder gleichermaßen. Allen Opfern war der Hals aufgerissen worden, außerdem fehlten den Opfern, Augen und Zunge. Ich hatte von diesen Fällen gehört, aber ehrlich gesagt glaubte ich nicht daran. Eine Frau die während einer Halloweennacht bei fremden Leuten klingelte und um Hilfe bat? Das war schon sehr unwahrscheinlich und warum nur an Halloween? Diese Frage ging uns nicht aus dem Kopf. Da fiel mir etwas ein, vor einigen Jahren, war eine Frau hinter seinem Haus unseres Nachbarn auf dem Feld gefunden worden. Herr Geisling war sein Name. Mehr wussten wir aber alle nicht. Man sah den Herrn so gut wie nie das Haus verlassen. Ich hatte den Eindruck, dass Herr Geisling Probleme mit Alkohol hatte. Seine Nase war immer so rot und dieses Zittern seiner Hände. Zudem war er ein richtiger Miesepeter, wenn ihm was nicht in den Kram passte, fing er an herumzubrüllen. Vor einiger Zeit hatten zwei Freunde von mir mal bei Herrn Geisling Klingelmännchen gespielt, da war Herr Geisling hinter ihnen hergekommen packte sie an den Armen und versuchte sie zur Polizei zu zerren. Dem Zufall verdankten sie es, dass mein Vater in der Nähe war. Er hat dem Herr Geisling die passenden Worte gesagt und ihm anschießend bei der Polizei wegen Körperverletzung angezeigt. Das Verfahren war jedoch eingestellt worden. Herr Geisling war verbittert, vor vier Jahren war seine Frau unter rätselhaften Umständen gestorben. Die Todesursache konnte nie eindeutig festgestellt werden. Wie man sich erzählte, hatte sie Frau Geisling jede Menge Hämatome an Armen und Beinen sowie auf der Brust. Da fällt mir ein, dass Frau Geisling häufig lange Kleider und eine Sonnenbrille trug. Auch im Sommer bei über 35° Celsius trug sie immer langärmlige Pullover und lange Hosen. Nie hatte man sie in einem T- Shirt oder einem Spaghetti Shirt gesehen. Ich konnte mich jedenfalls nicht daran erinnern sie jemals in kurzärmligen Klamotten gesehen zu haben. Anfangs dachte ich, dass Frau Geisling vielleicht an einer seltenen Hautkrankheit leidet und darum auch im Hochsommer immer langärmlige Kleidung trägt. Gerüchte von häuslicher Gewalt machten die Runde, aber Beweise dafür gab es nicht. Doch seit Frau Geislings Tod vor fünf Jahren gerate auch ich ins grübeln, ob an den Gerüchten der Leute vielleicht doch etwas dran sein könnte? Der Täter war nie gefunden worden. Dieser Mord geschah am 31.Oktober 2012. Und am 31.Oktober 2013 begannen die Morde. Manche Kinder erzählten, dass hinter den Morden der Geist von Frau Geisling steckt. Sie sei aus ihrem Grab zurück gekehrt um sich an ihrem Mann zu rächen. Als Herr Geisling seine Frau ermordete, hätte er ihr in rasender Wut beide Augen aus dem Kopf geschlagen, sodass sie das Haus nicht wiederfindet und von daher jede Halloweennacht irgendwo klingelte, bis sie ihre Mann gefunden und zur Rechenschaft gezogen hat. War an diesen Gerüchten etwas dran? Hatte Herr Geisling seine Frau ermordet? Oder steckte er selbst hinter den Morden zu Halloween? Die Polizei hatte natürlich in dieser Richtung ermittelt, aber sie konnte ihm nichts nachweisen. Er besaß für alle Tatzeiten ein wasserdichtes Alibi. Vielleicht war es auch ein anderer Wahnsinniger, der aus einem Gefängnis oder einer geschlossen Anstalt entwichen ist? Aber dann hätten die Nachrichten doch über den Ausbruch berichtet. Die Sache war schon seltsam. Mein Bruder und ich hatten den Fernseher eingeschaltet, es war zehn Uhr und gerade fing Halloween 5 an, genau der richtige Film für einen kalten Samstagabend am 31 Oktober. Meine Eltern waren nicht Zuhause sie waren bei unseren Nachbarn zu einer kleinen Privatpartie eingeladen. Das war cool, so hatten wir die Bude ganz für uns.
„Heute Abend wird sie kommen um dich zu holen.“, sagte mein Bruder.
„Wer kommt?“, fragte ich und tat so, als ob ich nicht wüsste wovon er sprach.
„Frau Geisling, du wirst schon sehen, heute Abend wird sie kommen um dich zu holen.“, dann lachte er hämisch.
„Hör auf mit dem Quatsch, du kannst mir keine Angst machen, sowas wie Geister oder Untote gibt es nicht.“
Mein Bruder sprang auf mich zu und nahm mich in den Schwitzkasten, dann fuhr er mit der geballten Faust über meinen Kopf.
„Hör auf, lass den Quatsch, du tust mir weh.“, rief ich.
„Sag erst ich ergebe mich.“
„Niemals.“, ich wollte nicht dass mein Bruder gewinnt, nicht dieses mal. Es war jedes Mal dasselbe wenn wir uns neckten, ich war immer der der als erstes aufgab. Doch dieses Mal hatte ich nicht vor aufzugeben, ich wollte ihm zeigen, dass ich es durchaus mit ihm aufnehmen konnte. Ich packte meine Bruder im Nacken und grub meinen Fingerkuppen in sein Fleisch. Mein Bruder lies von mir ab und sagte: „Wo hast du denn das her? So einen guten Konter kenne ich von dir ja gar nicht.“
„Tja Bruderherz, auch ich habe dazu gelernt.“, sagte ich und warf ihm ein Kissen ins Gesicht.
„Na warte, das bekommst du zurück.“, rief er und stürmte mit zwei Sofakissen auf mich zu. Er drosch wie von Sinnen auf mich ein und schon bald verfielen wir in heiteres Gelächter. Ich musste so lachen, dass ich keine Luft mehr bekam und anfing zu husten. Dann klingelte es an der Tür. Mein Bruder stand auf und näherte sich ihr.
„Geh nicht.“, sagte ich, „Was ist wenn das die Frau ist, du weißt die Untote, die an Halloween zurück kehrt um sich zu rächen.“
Mein Bruder lachte.
„Glaubst du das etwa? Du müsstest eigentlich langsam wissen, dass es keine Geister gibt. Du Angsthase.“
Mein Bruder verließ das Wohnzimmer. Das Herz schlug mir bis zum Halse,
„Nein bitte Paul, lass die Tür zu.“, rief ich.
Ich hielt den Atem an, die Welt schien mit einem mal still zu stehen. Die Sekunden wurden zu Minuten und die Minuten zu mehreren Stunden. Kalter Schweiß lief meinem Nacken hinab, mein Herz hämmerte wie eine Dampfwalze in meiner Brust. In dieser Sekunde sah ich wahrscheinlich wie eine lebende Leiche aus. Ich versuchte aufzustehen um meinen Bruder davon abzuhalten die Tür zu öffnen, aber ich konnte nicht. Es war als wäre ich auf dem Sofa festgenagelt.
Ein weiteres Klingen, dann das Rufen einer Frauenstimme:“Hallo ist jemand da, bitte helfen Sie mir, jemand hat versucht mich zu vergewaltigen. Bitte ich möchte nur kurz telefonieren, der Täter hat mir alle meine Sachen abgenommen.“,
Ich hörte wie mein Bruder die Türklinke nach unten drückte. Ich musste etwas unternehmen, aber was?
„Nein Bruder nicht.“, rief ich aber es war bereits zu spät. Ich hörte einen entsetzlichen Schrei, begleitet von seltsamen Schmatzen, das Röcheln meines Bruder drang zu mir herüber. Ein gewaltiger Donnerschlag ließ das Haus erzittern. Blitze zuckten vom Himmel herab. Ein Blitz schlug in die Eiche in unserem Garten ein und schon stand der Baum in Flammen. Regen prasselte plötzlich auf die Erde herab. Ich hörte ein schmatzendes Geräusch, das erstickende Gurgeln meines Bruder, welches langsam immer leiser wurde, bis es erstarb. Mit einem Knall fiel die Tür ins Schloss. Ich wagte es nicht aufzustehen oder Geräusche zu machen, was war wenn die Frau immer noch da war? Was war wenn sie mich bemerkte? Dann wäre ich ihr nächstes Opfer. Ich lauschte aber ich hörte nichts, nichts als Stille. Gespenstische Stille. Sollte ich meinen Bruder rufen? Hatte er den Anschlag vielleicht überlebt? Was war wenn die Frau noch da war und ich sie auf mich aufmerksam machte? Ich schaltete den Fernseher aus und wartete. Nichts ich hörte nichts, absolut nichts. Ich weiß nicht wie lange ich so regungslos auf dem Sofa gesessen habe bis ich allen meinen Mut zusammen nahm und nachsah. Lautlos glitt ich von der Couch herab. Auf Zehenspitzen schlich ich in den Flur.
„Paul?“ , rief ich, doch ich erhielt keine Antwort.
„Paul.“, nichts, nichts als diese gespenstische Stille. Ich ging die Tür zu. Langsam streckte ich die Hände nach der Klinke aus, doch zog ich sie gleich wieder zurück, als könnte ich mir an der Klinke die Finger verbrennen.
Ich sollte meine Eltern anrufen, oder die Polizei? Aber was soll ich ihnen erzählen, dass eine Untote Frau meine Bruder ermordet hat? Das war lächerlich, mir würde niemand glauben. Ich drückte den Türknauf nach unten, meine Hände waren schweißnass. Mit einem leisen quietschen öffnete ich langsam die Tür. Ich hielt den Atem an. Als ich die Tür öffnete stieß ich einen markerschütternden Schrei aus. Tränen liefen meinen Wangen hinab. Mein Bruder lag mit aufgerissener Kehle im Hausflur. Man hatte ihm die Augen ausgestochen, sein weißer Pullover war mit Blut befleckt. Sein Gesicht war aschfahl. Ich stürmte auf ihn zu, Tränen liefen mir übers Gesicht als ich sagte: Warum hast du nicht auf mich gehört du Narr? Warum musstest du die verdammte Tür öffnen? Ich stand auf und griff zum Telefon um meine Eltern und den Notarzt zu verständigen.