Kapitel 34: Velo-Frauen mit Hund
..oder müsste ich besser sagen: Hund mit Velo-Frauen? Egal, es gibt da nämlich Abstufungen, je nach dem, wen ich da aus dem Kreis meiner Fahrrad-affinen Frauen vorstelle. Ich fange mal mit der Familie Schiller an – ein Mädelshaushalt mit einem Schäferhund, der sie alle um den Finger -besser die Pfote – wickelt. Der Mann lebt getrennt von Frau und Töchtern, und ohne ihn bin ich da, bei diesen Mädels, der Mann … für die Fahrräder. Ich mag sie auch alle, diese Schiller-Damen, schon weil sie mit viel Disziplin und Einsatz ihren Hund Gassi führen – gnadenlos, bei jedem Wetter....per Fahrrad!
Die Fahrräder sehen aus wie Sau, das darf ich hier ungeschminkt feststellen. Diese Räder werden dabei nämlich über Feld- und Wiesenwege bewegt, immer dem Hund nach. Was mich fasziniert: Die Schillers sind, was Aussehen und Pflege dieser Fahrzeuge angeht, total entspannt. Andere Leute, die ich über die Fahrrad-Thematik kenne, sorgen sich permanent um Licht, um Helme, um Diebstahlschutz, den Reifendruck und ob es die Klingel auch tut. Nicht so Schillers. Die sind tiefenentspannt. Die haben einfach in kluger Voraussicht immer zwei, drei Räder zu viel vor der Garage liegen, unabgeschlossen. Denn klar, das eine oder andere ist schon mal platt, verunfallt, auseinander gefallen...Und dann nehmen sie halt ein anderes. Irgendwann aber werde ich dann gerufen, oder Frau Schiller steht abends plötzlich vor der Tür, mit Hund und zwei Fahrrad-Leichen in Seitenhalte. Und dann, bitte schön, kann ich in Aktion treten. Um zwei Räder zu reparieren, zurückzubringen und im Gegenzug gleich wieder die nächsten beiden kaputten einzusammeln. Über die Jahre ist das schon eine nette Routine. Ein bisschen hektisch wird es immer, wenn der Herbst und die dunklen Tage kommen. Dann will Frau Schiller tatsächlich, dass bei den Mädels das Fahrrad-Licht funktioniert. Die fahren nämlich mit ihren „Hunderädern“ auch zur Schule …..
Ganz anders Frau Sanchez-Diez. Die muss nicht zur Schule. Nur ihr Mann, der ist nämlich Lehrer. Und das Ehepaar Diez hat keine Kinder, aber … einen Hund. Und wenn Herr Diez morgens zur Schule fährt, bleibt sein Hund zu Hause. Frau Sanchez-Diez auch, denn sie ist Bolivianerin und spricht kaum Deutsch. Ob sie einen Beruf hat oder den Führerschein, weiß ich nicht. Jedenfalls fährt sie viel Fahrrad, ist viel zu Hause und versorgt dann diesen Spaniel, ein 12-Kilo-Spaniel.
Ich kenne sein Gewicht, weil ich für Frau Sanchez-Diez das Fahrrad umgebaut habe. Sie brauchte unbedingt ein Fahrrad mit Korb, mit einem massiven Korb, groß genug für so einen 12-Kilo-Rabauken. Der erste Korb, den ich montiert hatte, war aus einem schwarzen Drahtgeflecht und wurde am Lenker eingehängt – viel zu weich! Tico war darin total gequetscht. Er litt, ja, Tico hatte förmlich Angst vor diesem Korb. Tico bekam dann von mir einen anderen Korb, einen aus Weidengeflecht, viel größer, darunter einen eigenen Gepäckträger, der fest mit dem Korb verbunden war. Jetzt geht es Tico gut, und Frau Sanchez-Diez genießt die Freiheit auf dem Fahrrad, vorne im Gepäck ihr bequem gebetteter Tico, in dessen treuer Begleitung sie ihre Besorgungen macht, während Herr Diez seinen Unterricht.... Wie die auf mich als Hundekorb-Monteur gekommen sind? Herr Diez war, als ich zufällig im Fahrradladen Rat suchte, auch dort vorstellig... wegen dieses Korbes. Als die Monteure ihn dort auf einen Termin "in frühestens 14 Tagen" vertrösten wollten, rannte er unwirsch aus dem Laden und ....mir "Bastler" in die Arme. Klar, dass ich viel schneller helfen konnte, schon zwei Tage später seine bolivianische Frau kennen lernte, seinen Tico, seine Fahrräder....
Die Hundekorb-Montage am Fahrrad, das erlebte ich noch mehrfach, und deshalb kenne ich mich inzwischen ein bisschen aus mit den klassischen Problemen, die da so auftauchen: Da ist nicht nur das Gewicht des Köters von Belang, sondern auch seine Sittsamkeit (Sitzamkeit!) – bleibt er sitzen, wenn da eine Katze vorbeihuscht? Oder muss ein „Deckel“ drüber? Wie kann man die Körbe hundegerecht auspolstern? Und was muss man machen, damit das Lenkverhalten des Fahrrades kontrollierbar und das Rad im Stand stabil bleibt?
Die tollsten Problemlösungen kann man gleich wieder vergessen, wenn man seinen Hund nicht vorne aufs Rad packt, auch nicht auf den hinteren Gepäckträger, sondern ihn auslagert ... in einen Anhänger. Ja, auch das ist heute absolut en vogue, und es gibt speziell zugeschnittene Modelle für alle Arten von Hunden. Die Ausstattung gibt es mit Deckchen, mit Fensterchen, mit einem Näpfchen für unterwegs und extra Proviantfach.... Bei so viel Zuwendung durch Frauchen - ach, Hund müsste man sein!
Erfrischend unorthodox ging übrigens eine Kollegin, Elfi Meyer-Küsters einmal das ganze Hunde-Problem an. Sie fragte mich einfach, ob ich ihr nicht ein Postrad besorgen könnte. Warum ein Postrad, wollte ich wissen. Nun, sagte sie, weil man dadrauf in idealer Weise, egal ob vorne oder hinten, ein stabiles Behältnis für den Hund installieren könne. Und einen vernünftigen Doppelbeinständer hätten die gelben Schwerlast-Räder auch. - „Ja, aber dann werden dich alle mit Christel ansprechen,“ versuchte ich ihr das auszureden, „mal ganz zu schweigen von den 35 Kilo, die du da bewegen müsstest.“ Elfi focht das nicht an, im Gegenteil. „Denk mal an die vielen Briefträgerinnen, die da jeden Tag mit den Dingern unterwegs sind – die schaffen das doch auch!“
Da musste ich ihr Recht geben, und insofern fände ich den Hundetransport auf dem gelben Postrad wirklich sinniger als in einem extra Doggy-Anhänger.