Wie ich einmal meinem Freund helfen wollte

Erzählung zum Thema Hilfe/ Hilflosigkeit

von  eiskimo

Mein etwas verschrobener Freund Meyer-Rudloff plagt sich, seitdem er die 60 überschritten hat, mit immer neuen existentiellen Fragestellungen.

Zuletzt bewegte ihn massiv sein körperlicher Verfall, den er quasi täglich protokollierte – natürlich speziell für mich, seinen besten Freund, wie er dann gerne anmerkte. 

Da Meyer-Rudloff von Arzt-Praxen grundsätzlich nichts hält („da kommst du kränker raus als du reingegangen bist!“ und von Krankenhäusern schon gar nichts („allein, dass sie da die multiresistenten Keime nicht in den Griff kriegen!“), bin ich natürlich die erste Adresse bei jedem seiner Gesundheitsbulletins.

„Mein Urin war gestern ungewöhnlich dunkel – nicht rot, nicht kräftig-ocker, sondern so zwischen orange und hellbraun,“ bekam ich gerade die Hiobsbotschaft.

Nein, das war für ihn keine Lapalie. Seinen Ausscheidungen widmete Meyer-Rudloff höchste Aufmerksamkeit. Das war schon immer so. Aber jetzt:  Alarmstufe Rot, besser: Orange-Hellbraun!

Was sollte ich dem Guten sagen?  Die Wahrheit?

Denn ein farblich derart veränderter Urin kann durchaus sehr ernstzunehmende Ursachen haben. Das weiß ich allzu gut, denn ich war mit dieser Symptomatik schon beim Urologen.

Ich versprach dem Guten, kurz bei ihm vorbeizukommen, sozusagen als Hausbesuch. Als er mir öffnete, kaum Stimme, angstvolle Miene,  klinisch nahezu tot , entschloss ich mich, die brutale Methode anzuwenden:

 „Leberzyrrhose, Malaria tropica, Polypen in der Harnblase, Hepatitis, Verschluss der Gallenwege,  vielleicht sogar ein Infekt der Bauchspeicheldrüse –  

Meyer-Rudloffs Augen weiteten sich, er wandte sich gramgebeugt ab - da konnte ich natürlich nur  zurückrudern.

„So ist das doch nicht gemeint – nicht alles zusammen!  Im ungünstigsten Fall könnte dich eine dieser Sachen erwischt haben“.

Ob er Meyer-Rudloff gerade Sinn für Witzchen hatte? Jedenfalls hellte sich seine Miene wieder auf.

„Mit größter Wahrscheinlichkeit aber hast du einfach zu wenig getrunken. Dann hast du da unten zu wenig Spülwasser, Junge. Und die Verdünnung stimmt nicht.“

Meyer-Rudloff schluckte, dachte nach und nickte dann dankbar.

„Stimmt – das wird es sein. Ich trinke kaum. Es ist aber auch nicht so, als hätte ich Durst.“

„Egal,“ befahl ich, „du lässt dich jetzt erst einmal volllaufen. Und dann geht es dir garantiert besser. Falls du ein Bier da hast, würde ich sogar eins mit trinken!“

 




Anmerkung von eiskimo:

Ich lag mit der Diagnose übrigens richtig

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Kommentare zu diesem Text


 Aron Manfeld (09.01.23, 16:57)
Du hast Freunde ...

 Verlo (09.01.23, 17:14)
Mit Freunden ein Bier trinken – die beste Medizin!

 eiskimo meinte dazu am 10.01.23 um 15:22:
Aber keiner darf sein Smartphone dabei haben ....  dann gerne. Und prost!

 diestelzie (10.01.23, 03:53)
Freunde sind sehr wichtig, ausreichend trinken ist auch sehr wichtig, Bier ist verfügbar, Situation ist gerettet, eine gute Tat ist vollbracht und du hast auch gleich noch was für die eigene Gesundheit getan. Prima 😀.

Liebe Grüße 
Kerstin

 eiskimo antwortete darauf am 10.01.23 um 15:25:
Boh, du baust mich auf .... so toppen wir glatt noch den Lauterbach!
Danke!
Eiskimo

 AchterZwerg (10.01.23, 07:14)
Mir gehen solche Bulletins seit Jahren auf die Zwergeneier!
Kaum sitze ich mal in einer Praxis rum, wird schon das Hosenbein einer Wartenden aufgerollt und mir das offene Bein gezeigt.
Da kommt schon Freude auf. ---
Bei uns im Haus lebt eine Dame, die sich ins Krankenhaus einweisen ließ, weil sie nach dem Konsum von Dulcolax Durchfall hatte ...

Tja. Was soll man sagen.

(Die Göttin schenke mir deine Geduld.)

 eiskimo schrieb daraufhin am 10.01.23 um 15:28:
Gut , dass Du Meyer-Rudloff nicht in Echt erlebst. 
Gut für ihn!
Praxisgetestete Grüße 
Eiskimo

 EkkehartMittelberg (10.01.23, 19:41)
Du bist ein Glückspilz. Wer die richtigen Freunde hat, kann ihnen helfen und davon profitieren.

LG
Ekki

 eiskimo äußerte darauf am 12.01.23 um 08:55:
Danke!  Die guten Freunde fallen allerdings nicht vom Himmel. Man muss sie sich auch verdienen.
LG
Eiskimo

 Quoth (12.01.23, 09:34)
Ja, reichlich Flüssigkeitsaufnahme ist für alte Säcke und Säckinnen das A und O! Lehrreicher Text, solltest Du der Apothekerzeitung anbieten!
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