BluBo-Brause, Sprache Eichmanns und die neue Frankfurter Altstadt

Erzählung zum Thema Außenseiter

von  toltec-head

Kracht sagt, er habe aus Deutschland deshalb emigrieren müssen und werde es hier nie länger aushalten, weil er es nicht ertrage, von einem Land umgeben zu sein, das die Sprache Eichmanns hervorgebracht habe. Mit dem gleichen schwuchtelhaft pathetischen Tonfall vorgetragen wie seine Spanking-Sessions aus dem kanadischen Internat. Wo soll eigentlich jemand hin emigrieren, der die Sprache Eichmanns in der me-too Diktatur des Asexuellen oder in der Hetze einer Bund-grüner-Mädels Rädelsführerin wiederentdeckt, die per Lautsprecher einen alten Mann auf verlorenem Posten mit seiner gehbehinderte Frau aus der neuen Frankfurter Fake-Altstadt vertreibt? Nein, echt. Ich glaub, ich wäre gern der katholische Priester gewesen, der den 12jährigen ungezogenen, blonden Jüngling mit seinem Gürtel den Hintern versohlt, bevor er sich wieder in seine Betzelle zurückzieht, um sich weiter in sein Brevier mit Gedichten von Algernon Swinburne und selbsteingeklebten Bildchen zu vertiefen.

"O ihr Feldwege in den Gemarken von Obermörlen und Langenhain, von Münster und Fauerbach, bis hinunter in das Waldtal von Ziegenberg, dem Goethe die Landschaft seiner Wahlverwandtschaften anglich. Und du, Ort der unermeßlichen Schau in die Ferne, Gipfel der höchsten Feldermitte, um die sich dieses Dörferviereck lagert: ist irgendwo ein schöneres auf deutscher Erde als der Kranz der Bilder, die du uns schenkst? Wer hier hinaufsteigt, ist geheimster Witterung gefolgt  und steht wie vor sich selber ausgelöscht, wenn ihn die erste Überraschung überfällt. Was an sein Herz, in seine Sinne drängt, ist fast ein überirdisches Bild. Dass Nah und Weit, dass Hoch und Tief, dass Wald und Trift, dass Feld und Garten, Ätherblau und Saum der Horizonte sich so zum unbedingten Sinnbild deutschen Seins vermählen könnten: wie hätte er dies ahnen können, der sich langsam auf bröckelndem Feldweg und so weiter, und so weiter...." (Henry Benrath, Das Land um Friedberg und Bad Nauheim, aus dem Kapitel "Heilige Höhe")

Heut morgen tat mir ein wenig BluBo-Brause gut. Muss man nicht nach Iran, Nordkorea oder Tibet emigrieren, das Waldtal von Ziegenberg tut´s also auch. Als ich dann da stand, wurde mir klar, dass die Landschaft, die Goethe der seiner Wahlverwandtschaften anglich, leider von der A5 mit Dauerstaus in Richtung Frankfurt durchkreuzt wird und man hier auf dem selben verlorenen Posten wie Gauland mit seiner Fake-AfD steht.

"Dort auf jener Straßenhöhe zwischen Fauerbach und Langenhain, sollte auf grauen Feldsteinen der Altar errichtet werden, zu dem die Wissenden kommen: der Altar der Großen Mutter, sie sich die Erde Deutschlands nennt." Mache mich mit Henry unterm Arm lieber erst mal auf die Suche nach Kaffee und Kuchen, Mensch, was wimmelt das hier aber vor scheuen Kopftuchmädchen und sexy Eritreern in Trainingsanzügen, die auf der Bordsteinkante kauern und einem verdutzt in die Augen schauen: "So künden sie das oberste Gesetz, das unerbittlich zu erlernende, der deutschen Zukunft: sich alles Andre, Fremde anzugleichen, einzuordnen und einmal - endlich aufzuhören sich zu entäußern, zu verflüchtigen." Zugegebenermaßen alles Fake wie Nordkorea oder die echten Männer von Teheran. Aber ich muss gestehen, ich mag diesen schwuchtelhaft pathetischen Tonfall wie Sahne zu meiner Erdbeertorte doch sehr gerne!

Kann´s nicht lassen und gehe mit Tinder on.

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