Ein anarchistischer Banker, ein anarchistischer Friseur, ein anarchistischer Irgendwas...

Erzählung zum Thema Täuschung

von  toltec-head

Wahrscheinlich ist das in Wirklichkeit der Grund, weshalb alles letztlich doch wie am Schnürchen läuft, dass alle bei allem, was sie tun, einen Mentalvorbehalt einbauen, dass sie  das, was sie tun, gar nicht sind, dass sie nur so tun als ob und in Wirklichkeit Yogi, Zenmönch oder eben Anarchist oder Weiß-was-ich sind. Fern davon, den wahren Anarchisten zu verkörpern, der in sich Theorie und Praxis vereint, ist die Figur des "anarchistischen Bankers" die des heutigen ganz normalen Spießers, des erfolgreich Angepassten, der den Trick raus hat, angepasst ohne angepasst zu sein. Denn Angepasste, denen man ihre Anpassung anmerkt, mag niemand, weshalb man sie über kurz oder lang aussortieren muss. Ich wette, selbst Trump sieht sich als anarchistischen Präsident und macht, wenn er mit jemandem aus seinem Old-Boys Netzwerk nachmittags Golf spielen geht, Witze über seinen Job. Nicht anders als der Kassierer mit Dutt-Frisur und Wangenpiercing an der Kasse von Denns Biomarkt, der sich wahrscheinlich als so etwas wie einen "anarchistischen Kassierer" sieht, sich als einen "anarchistischen Kassierer" sehen muss, weil er wahrscheinlich morgens sonst gar nicht auf Dauer pünktlich zur Arbeit erscheinen könnte. Nicht anders als Trump, der darauf, ein ganz normaler, konservativer Präsident zu sein, wahrscheinlich auch keinen Bock hätte, was ihm heute doch wohl wirklich niemand zu verübeln vermag, oder? Hier in Hannover jedenfalls kommen selbst die Verwaltungsrichter morgens mit Hoody und Hipsterbart zur Arbeit, nicht alle, aber beinahe doch alle wenigstens der Tendenz nach, denn dies ist nicht nur nicht verboten, sondern es ist sogar das heimliche Gesetz, was es dann doch irgendwie schon ein wenig unheimlich macht.

Alptraum eines richtigen Schriftstellers, sagen wir so vom Typ Sibylle Berg, der mich zu einem Abendessen einlädt, sagen wir in irgendeinem Szenelokal am Prenzlauer Berg, sich hinterher auf seinem Stuhl zurücklehnt, an seiner Zigarre pafft und sagt:
- Ich bin in Wirklichkeit auch nur Hobby-Autor. Mein Richtiger-Autor-Sein ist nur eine Maske in einer imperfekten Welt, die einem leider noch nicht erlaubt heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirte oder Kritiker zu werden. In einer perfekten Welt würde auch ich meine Texte nur noch auf einem LitForum wie keinVerlag einstellen. Aber Idioten wie du, welche in dieser Welt, wie sie nun einmal ist, ihre Zeit verschwenden, Texte auf einem Internetliteraturforum zu posten, sind "anarchistische Autoren" eben doch nur der Theorie nach, bei derem Geschreibs sehr viel mehr als Hass auf sich selbst und andere nicht rumkommt. Ich aber, ich bin "anarchistischer Autor" sowohl in der Theorie wie auch in der Praxis!

Und bevor er, oder besser: sie, mit ihrer Erklärung fortfährt, habe ich das Lokal schon verlassen. Weil ich schon im voraus verstanden habe...

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Kommentare zu diesem Text

cannon_foder (50)
(04.05.19)
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 Judas (04.05.19)
Bis zum ersten Absatz cool, aber dann schon wieder LitForen? Mlerrrg. Und das ist mit jeder Silber so gemeint, wie es klingt. Empfehlung für bis "ein wenig unheimlich macht".

 toltec-head meinte dazu am 04.05.19:
Sei nicht so zofenhaft streng zu mir, wenn ich wie du ein Eichsfeld mit alten Bekannten hätte, täte ich halt in jedem Text über diese schreiben. Gibt es überhaupt etwas anderes als Heimatliteratur? Ist "Mlerrg" so etwas wie ein Mantra? Lothar hilf ;)

 Judas antwortete darauf am 05.05.19:
Mlerrg ist ein bisschen wie Knaröstopöpel.

 LotharAtzert schrieb daraufhin am 05.05.19:
Om pensa sattoh samaya manupalaya / pensa sattoh tenopa / tista dridho me bhava / sutocayo me bhava / supocayo me bhava / anurakto me bhava / sarva siddhim me prayaccha / sarva karma su ca me / cittam sreyah kuru hum /ha ha ha ha ho / bha­gavan sarva tathagata / pensa ma me muncha / pensa bhava mahasamayasattva ah

 Judas äußerte darauf am 05.05.19:
Gesundheit.

 autoralexanderschwarz (09.05.19)
... sich als einen "anarchistischen Kassierer" sehen muss, weil er wahrscheinlich morgens sonst gar nicht auf Dauer pünktlich zur Arbeit erscheinen könnte."


Großartig!
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