Traum? Kapitel 14

Kurzgeschichte zum Thema Meer

von  Manzanita

Unter dem Artikel hatte man einen roten Kasten abgedruckt, in dem dick und fett steht:


Falls Sie irgendeine Art Informationen haben, melden Sie sich bitte sofort unter der Rufnummer 112!


Soll ich jetzt die Feuerwehr anrufen und mit meinem Englisch-Niveau behaupten, ich wäre mit einem Rettungsboot mitten auf dem Meer? Nein, niemand würde mir glauben, nicht mal ich selber würde das glauben. Denn auf einem Rettungsboot mitten im Meer zu schwimmen, und sein Handy dabei zu haben, um die Zeitung zu lesen und danach die Feuerwehr zu rufen, das wist einfach viel zu unglaubwürdig. Das würde mir nie jemand glauben. Man würde mich im Stich lassen, für immer.

Aber eine Idee habe ich noch: Ich könnte ja so tun, als ob ich eine Person wäre, die mich gesehen hat, und die das jetzt melden möchte. Ich bräuchte nur eine gute Vorgeschichte und einen Namen. Oder keinen Namen. Ich könnte anonym sein. Mit einem Namen könnte man ja bestimmt herausfinden, wo ich wohne und wo ich arbeite und einen ausgedachten Namen würde man sofort detektieren, also verrate ich meinen Namen besser nicht. Ich brauche nur noch einen Grund dafür. Aber auch das müsste machbar sein. Ich könnte vielleicht als Fischer aufs Meer gefahren sein, und da hätte ich von weitem ein kleines Holzboot mit einer Person (also mich) gesehen. Ich wäre dann aber nicht näher zum Boot gefahren, weil ich dachte, es wäre ein Fischer, und weil ich in letzter Zeit ein wenig mit den anderen Kollegen zerstritten war. Als ich dann aber von dem untergegangenen Schiff las, rief ich sofort die Feuerwehr, denn es könne ja gut sein, dass ich einen Überlebenden gesehen hatte. Ich bin mir zwar nicht sicher, aber einen Fischer in so einer Entfernung von der Küste finde ich sowieso unrealistisch. Meinen Namen wolle ich aber nicht verraten, weil man mich sonst womöglich noch anklagen würde, ich hätte nicht sofort dem Jungen geholfen. 

Nachdem ich das gedacht hatte, entsperrte ich mein Handy (das sich gesperrt hatte) und tippte die Nummer 112 und dann auf das grüne Telefon.

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