Das Ich-oder-Du-Sonett

Erlebnisgedicht zum Thema Abgrund

von  Bergmann

für Gu Bin, alternativ für mich selbst

Zum Sauerkraut gab’s im Salvator Bier,
und das genügte für dein ganzes Heil.
Doch hat die schöne Kellnerin in dir
noch andren Appetit erweckt – denn weil

sie dir den heißen Teller ziemlich geil
servierte, einem aufgereizten Stier,
so stand im Süden deines Magens schier
die wahre, eigentliche Seele steil.

Um den Gebrauch der Lüste kämpft vergebens,
wer sich so dumm und hoffnungslos vernarrt.
Am falschen Ort bist du nicht du gewesen.

Ach, hättest du Michel Foucault gelesen
und hättest lieber in dich selbst gestarrt:
Es geht um die Ästhetik deines Lebens.


2019

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (07.02.20)
Hallo Uli,
"sie dir den heißen Teller ziemlich geil
servierte, einem aufgereizten Stier,
so stand im Süden deines Magens schier
die wahre, eigentliche Seele steil."
Umgangssprachlich drückt man das wohl so aus, dass das LyrIch scharf auf die Kellnerin war. Deine ambitionierte, etwas exotische Metaphorik gefällt mir aber.
LG
Ekki

 Bergmann meinte dazu am 07.02.20:
exotisch - Tippfehler? Egal. Freut mich, dass dir's Sonett gefällt. Ihm, dem ich die Verse widmete, gefiel's nicht.
Herzlichst: Uli

 loslosch antwortete darauf am 07.02.20:
vllt war die kellnerin dunkelhäutig. dann geht erotisch in exotisch über.

 Bergmann schrieb daraufhin am 07.02.20:
Nee nee, mein Lieber. Eine schöne Frau ist in jeder Farbe erotisch und exotisch. Die Kellnerin im Salvator war (leider: war) eine junge Chinesin aus Shanghai.

 AchterZwerg äußerte darauf am 08.02.20:
Erotik mit Geilheit gleichzusetzen, finde ich etwas kühn, mit Verlaub.
Für mich handelt es sich an dieser Stelle um ein schiefes Bild, das durch den Gebrauch von Jugendsprache nicht "richtiger" wird.
Gut gefallen mir die elegant gesetzten Enjambements.

Freundliche Grüße
der8.

 Bergmann ergänzte dazu am 08.02.20:
Die Grenzen sind fließend - alles ist im Fluss, panta rhei, sagt Heraklit. Ich sag's auch.
Beste Grüße
U.

 Didi.Costaire (07.02.20)
Süß-sauer schmeckt vielleicht doch besser als nur sauer...

Schöne Grüße, Dirk

 Bergmann meinte dazu am 08.02.20:
Wie gesagt, die Grenzen sind fließend. Auch hier.
:-)

 Reliwette (21.02.20)
Schönes Gedicht, Uli. Dass es dem Zugedachten nicht gefällt, kann ich nachvollziehen. Du hast ihn entlarvt. Wer möchte das schon? Gruß! Reli

 Teichhüpfer (18.09.20)
Bei einer Serviererin kommt es auch mal vor, daß sie bei der Bestellung sich selbst nur sieht, in ihrer Empfehlung an den Gast. Sie läßt gute Speisen aus der Empfehlung, weil ihr die Speise zu teuer ist.
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