Ach du lieber Friede!

Manifest zum Thema Frieden

von  Graeculus

Vorbemerkung:
Der folgende Text bezieht sich auf die Besprechung eines Buches des Kollegen Heor, seines Zeichens ehemaliger Offizier der Nationalen Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik, sowie auf eine Diskussion mit ihm:
https://www.keinverlag.de/435417.text
Heor vertritt dort den Standpunkt, für Kriege sei der Kapitalismus verantwortlich, während der Sozialismus den Frieden sichere.

Text:
Der Kapitalismus führt böse Kriege.
Die Religion führt heilige Kriege.
Der Sozialismus führt Kriege für den Frieden.

Polen 1939
Finnland 1939
Estland 1940
Lettland 1940
Litauen 1940
Rumänien (Bessarabien) 1940
Korea 1950
Tibet 1950
Ungarn 1956
Tschechoslowakei 1968
Afghanistan 1979
Kambodscha 1979

Nachbemerkung:
Meine Frau, Bürgerin der DDR bis zu deren Ende, fragte erstaunt: „Du diskutierst mit einem Offizier der NVA? Welchen Sinn soll das haben?“
Daß wir miteinander diskutieren statt aufeinander zu schießen, ist die einzige Hoffnung auf Frieden, die mir geblieben ist.

Hinweis: Der Verfasser wünscht generell keine Kommentare von Mondscheinsonate.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (08.03.20)
Ich versuche mal nicht zynisch zu werden...



Der Kommunismus/Sozialismus entstand in der augenblicklichen Phase der Nationalstaaten. Eine Überwindung dieses Ordnungsprinzip hat kein sozialistischer Staat ernsthaft unternommen, höchstens Gedankenexperimente vorgelegt, die - meiner Ansicht nach - sogar nur bedingt in den Bereich der Utopie gehören. Sie erinnern mich eher an das, was z.B. heute ein Spiel wie Civilization[/u] anbietet.

Aber zurück zum Nationalstaat...

Weil der Kommunismus/Sozialismus eben in dieser Phase entstand, wendet er sich in erster Linie nach Innen. Das bedeutet, dass er innerstaatliche Strukturen verändert. Weil er aber eben das Nationalstaatsprinzip nicht in Frage stellt, kann er nur nach Innen wirken. Nach Außen geschieht nichts. Dort wird weiter nach den alten Maßstäben gerechnet und gehandelt.

Die SU ist dafür ein gutes Beispiel. Seit Iwan dem Schrecklichen ist Russland expandiert. Als Begründung dafür war eine Sicht auf die Nachbarn, die allgemein als "Einkreisungsphobie" beschrieben wird. Dabei ist es nicht entscheidend, ob die russischen Herrscher sich tatsächlich bedroht sahen. Das wichtige ist, dass die "Einkreisung durch Feinde" das Narrativ der russischen Außenpolitik war. Es war die Begründung für die russische Expansion bis zum russischen Imperialismus.

Mit der Machtübernahme der Bolsheviki änderte sich daran... NICHTS! Tatsächlich scheint die Furcht vor einer Einkreisung sogar begründet, wenn man die ausländische Intervention in den russischen Bürgerkrieg bedenkt. Doch hierbei handelt es sich eher um ein gesellschaftspsychologisches Phänomen. In seiner Existenz waren "die Roten" durch die Kontingente der ausländischen Mächte nie. Gefährlicher waren immer "die Weißen".

Bis zum Zweiten Weltkrieg war das Hauptziel der sowjetischen Außenpolitik (nach Innen) die internationale Anerkennung des Staates. Ein Ziel, dass erreicht wurde.

Mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen im September 1939 wurde der sowjetische Imperialismus offensichtlich. Ganz wie das russische Zarenreich zuvor, expandierte die Sowjetunion an seiner Peripherie. Ironischerweise ging es dabei sogar in vielen Fällen um jene Gebiete, die mit dem Untergang des Zarenreichs abhanden gekommen waren. Ein Zeichen einer direkten Kontinuität zwischen russischem und sowjetischen Imperialismus.

Mit dem deutschen Überfall begann eine dramatische Phase in der sowjetischen Geschichte. Die SU stand - den horrenden Verlusten an menschlichem Leben zum Trotz - 1945 jedoch als eindeutiger Sieger da, z.B. durch die internationale Anerkennung der im sogenannten "Hitler-Stalin-Pakt" Gebietsgewinne an polnischem Territorium (daraus folgen die sogenannte "Ostverschiebung" Polens).

Die Möglichkeiten der Grenzverschiebungen, die der Zweite Weltkrieg bot, hat die SU offensiv und expansionistisch genutzt. Mit Beginn des "Kalten Krieges" war dies nicht mehr möglich. Gegenüber den Verbündeten verhielt sich die SU nun - bis 1989 - wie eine typische imperialistische Macht gegenüber seinen Kolonien. Die Wirtschaft der "Verbündeten" hatte sich an den Bedürfnissen der sowjetischen Wirtschaft auszurichten.

Die größere wirtschaftliche Kraft, die Industrialisierung und Diversifizierung jener Staaten, lässt in uns heute nur schwerlich das Bild aufkommen, dass es sich z.B. bei Polen, Bulgarien, der DDR etc. um Kolonien handelte, wie wir sie aus überseeischen Kolonien des klassischen Imperialismus kennen. Doch waren die Strukturen und Ressourcen- und Produktflüsse ähnlich. Dies lässt sich deutlich an den Zusammenbrüchen der nationalen Wirtschaften (z.B. in Polen, Bulgarien oder Ostdeutschland) nach 1989 nachvollziehen. Sie ähneln frappierend dem, was geschah/geschieht, wenn Länder, die wir als "klassische Kolonien" der Großmächte betrachten, versuchen, sich nicht nur aus deren politischer, sondern auch aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit zu lösen.

Nach 1989 gab es auch keine Änderung der Außenpolitik des neuen Russland gegenüber den Jahrhunderten davor. Die Annexion der nach Unabhängigkeit strebenden baltischen Staaten scheiterte. Im Kaukasus wurde die russische Armee in jahrelange blutige Kämpfe verwickelt. Mit dem Einmarsch in die Ukraine und der Annexion von Teilen deren Staatsgebiets ging Russland einen bekannten Weg. Die militärische Schwäche und Inkompetenz der russischen Armee darf aber nicht drüber hinweg täuschen, dass es sich hierbei um das bekannte Muster imperialistischer Expansion handelt.

Fazit[/b]:
Die SU hat Kriege geführt. Wie zuvor das Zarenreich und das heutige Russland. Es existieren Kontinuitäten, keine Brüche, betrachtet man die russisch/sowjetische Außenpolitik vergleichend. Das alte und neue Muster heißt "Expansion". Einen Krieg des Friedens willen hat die SU niemals geführt. Dies ist eine bemerkenswerte Tatsache, war die SU doch der größte jemals existierende sozialistische Staat.



P.S.: Vielleicht gab es doch einen sozialistischen "Friedenskrieg". Am 28. Dezember 1978 marschierten die Truppen des vereinigten sozialistischen Vietnams ins benachbarte Kambodscha ein um die Schreckensherrschaft des dortigen Regimes zu beenden. Ironischerweise handelte es sich bei den "Roten Khmer" selbst um Sozialisten (zumindest behaupteten sie das). Im folgenden Guerillakrieg wurden die "Roten Khmer" unterstützt - u.a. vom sozialistischen China.

Aber vielleicht marschierten die Vietnamesen ja auch nur nach Kambodscha ein, um die von den Roten Khmer initiierten Grenzzwischenfälle zu beenden. Dann wäre auch das nur ein "klassischer" Krieg, wie es in so oft in der Weltgeschichte gab...



Verzeih meine Geschwätzigkeit,
Trekan

 Graeculus meinte dazu am 08.03.20:
Kein Problem mit "Geschwätzigkeit", wenn sie so von historischen Kenntnissen getragen ist. Heute habe ich leider nicht die Zeit, mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Später.
P.S.: Vielleicht gab es doch einen sozialistischen "Friedenskrieg". Am 28. Dezember 1978 marschierten die Truppen des vereinigten sozialistischen Vietnams ins benachbarte Kambodscha ein um die Schreckensherrschaft des dortigen Regimes zu beenden. Ironischerweise handelte es sich bei den "Roten Khmer" selbst um Sozialisten (zumindest behaupteten sie das). Im folgenden Guerillakrieg wurden die "Roten Khmer" unterstützt - u.a. vom sozialistischen China.
Dies habe ich mit "Kambodscha 1979" gemeint: den Angriff des sozialistischen Staates Vietnam auf das (sozialistische) Kambodscha.
!979 hatte ich in Erinnerung, evtl. muß ich das in 1978 ändern. 28. Dezember, naja.
Aber wir verstehen uns.

 TrekanBelluvitsh antwortete darauf am 08.03.20:
Wenn ich eine richtig schöne Diskussion gewollt hätte, wäre mir der Kosovo-Krieg von 1999 eine Erwähnung wert gewesen.

 Graeculus schrieb daraufhin am 08.03.20:
Inwiefern? Das war der Sündenfall (oder die Lektion) für die Grünen, aber Die Linke (hieß sie damals schon so?) hat doch nicht dafür gestimmt, oder?

 Graeculus äußerte darauf am 08.03.20:
Zu dem langen Exkurs: Eine sehr gute historische Analyse. Die UdSSR stand in einer Tradition russischer Politik, und sie hat die nie aufgegeben. Daß sich das gut mit der Idee von der Weltrevolution vertrug, kommt hinzu.

Nur eine Bemerkung zu der Intervention der Alliierten ab 1918: Ich glaube, man muß da zwei Faktoren zumindest erwähnen:
1. Rußland hatte sich 1914 darauf verpflichtet, keinen Separatfrieden mit den Mittelmächten zu schließen.
2. Der Separatfrieden von Brest-Litowsk, den Rußland dann doch geschlossen hat, war daher nicht nur der Bruch eines Abkommens, sondern inhaltlich auch so, daß er den Mittelmächten Zugeständnisse machte, welche die Alliierten nicht hinnehmen konnten, sofern sie sich überhaupt noch auf Ideale berufen wollten.

Ob sie sich auch ihrem ehemaligen Verbündeten, dem Zaren, verpflichtet fühlten, weiß ich nicht. Sicherlich haben die Bolschewiki nicht zufällig oder versehentlich die gesamte Familie ausgelöscht.

 TrekanBelluvitsh ergänzte dazu am 09.03.20:
Oh, hätte ich etwas zum Kosovokrieg 1999 geschrieben, hätte ich bestimmt geschrieben, das dieser noch am ehesten dem entsprach, was man einen "friedenssichernde Krieg" nennen kann, besonders weil die politische Führung niemals die Zügel aus den Fingern gegeben hat. Ich habe nichts dazu geschrieben, also musste ich das nicht behaupten.



Zur Intervention in den russischen Bürgerkrieg:

Mit Blick auf die Bolscheviki meinte ich eher, dass dies keine substanzielle Gefahr war, weil die Ententemächte sich völlig überschätzten. Genauer gesagt: Wie ausgezehrt ihre Staaten und Armeen nach dem WW1 waren.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.20:
Ach so, das meinst Du mit dem Kosovo-Krieg.

Und natürlich, die Entente-Mächte haben ihre Möglichkeiten und die der Weißen überschätzt. Ich wollte lediglich zu Erhellung ihres Motivs etwas sagen.
Cora (29)
(08.03.20)
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 Graeculus meinte dazu am 08.03.20:
Sollen wir Ägypten und Syrien als sozialistische Staaten ansehen? Das ließe mir Heor nur dann durchgehen, wenn dort das Privateigentum an Produktionsmitteln abgeschafft gewesen wäre. Das ist nämlich für ihn - mit einigem Recht - das entscheidende Kriterium für einen sozialistischen Staat.
Cora (29) meinte dazu am 08.03.20:
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 Graeculus meinte dazu am 08.03.20:
Ja, gewiß, sie nannten sich so und waren mit der UdSSR verbündet.
Daß sie die Produktionsmittel vergesellschaftet hätten (außer dem Suez-Kanal), meine ich nicht. In Diskussionen ist es immer gefährlich, irgendwie zweifelhafte Fälle als Beispiele einzuführen; dann diskutiert man nämlich bald über diesen Einzelfall statt über das eigentliche Thema - hier: Sind sozialistische Staaten im Gegensatz zu kapitalistischen Friedenswahrer?
Heor hat auch so schon an der angegebenen Stelle versucht, mich auf ein anderes Thema zu locken, nämlich nach dem Motiv meiner kritischen Einstellung zum Sozialismus zu fragen. "Hattest du eine schwere Kindheit?" Auf solche Ablenkungsspielchen möchte ich mich nicht einlassen.

Von mir aus kann man Ägypten und Syrien 1973 hinzunehmen. Entscheidend ist, denke ich, daß die UdSSR, der sozialistische Staat schlechthin ("Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen!"), alles andere als ein friedliebender Staat war, sondern sich im Bündnis mit Hitler Polen geteilt, Finnland angegriffen hat usw.
Dazu gab es keine Äußerung von Heor.

Antwort geändert am 08.03.2020 um 15:27 Uhr
Cora (29) meinte dazu am 08.03.20:
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 Graeculus meinte dazu am 08.03.20:
Von Dir war das nicht als Ablenkung, sondern als Ergänzung gedacht, das ist mir bewußt. Ich wollte lediglich deutlich machen, warum ich möglichst keine Ergänzungen vornehmen möchte, aus denen man (Heor) eine Ablenkung fabrizieren könnte.

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 08.03.20:
Der Krieg von 1973 wurde von Anwar as-Sadat - d.h. also zumindest von ägyptischer Seite - geplant, um Israel an den Verhandlungstisch zu zwingen. Er wollte den Israelis klar machen, dass sie der Bedrohung im Süden kriegerisch niemals Herr werden würden.

Am Ende stand zwar ein klarer militärischer Erfolg der Israelis, aber die IDF war ausgezehrt, Israel waren seine begrenzte Rüstung und seine politische Abhängigkeit (vor allem von den USA) vor Augen geführt worden. Nichts davon gefiel der israelischen Regierung.

Am Ende ging Sadat's Kalkül auf. Ägypten und Israel einigten sich auf einen Frieden - der bis heute hält. Zusammen mit den Verträgen mit Jordanien war diese "Front" für Israel gesichert. Und die zwei (militärisch) stärksten Gegner der Vergangenheit waren keine Gegner mehr. Jordanien gilt heute sogar als mit Israel verbündet.

Mit Blick auf die Ereignisse vor 1973 und nach 1973 wird eine ethische Beurteilung des von Sadat vom Zaun gebrochenen Krieges verzwickt.

(Das bringt mich auf eine Idee: In diesem Zusammenhang sollte ich mal etwas über die Entstehungsgeschichte des israelischen MBT "Merkava" schreiben. Aber das ist ein anderes Thema...)

 Graeculus meinte dazu am 08.03.20:
Das Ergebnis dieses Krieges war nicht schlecht, aber der Krieg als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, das wird dem Sozialisten, auf den ich mich beziehe (und anderen wohl auch) nicht gefallen, vermute ich.

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 09.03.20:
Eine Konstante der israelischen Außenpolitik ist, dass man (in der Regel) die eigenen militärischen Möglichkeit sehr realistisch einschätzt und auch danach handelt.

(Das hat sich in diesem Jahrtausend ein wenig geändert, was aber wohl daran liegt, das Israel militärisch von keinem Nachbarn mehr bedroht wird. Wer nicht ständig im Einsatz ist, überschätzt seine eigenen Möglichkeiten schnell, siehe die türkische Armee, die es schaffte, sich von einer durch einen jahrelangen Bürgerkrieg geschwächten (allerdings dadurch sehr erfahrenen und von Russland unterstützten) syrischen Armee besiegen zu lassen.)

Das hatte Sadat erkannt und und danach seinen - zugegebenermaßen durchaus riskanten Plan - konstruiert.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.20:
Schätzen die Israelis ihre militärischen Möglichkeiten realistisch ein?
Ich erinnere mich an einen Dokumentarfilm über fünf ehemalige Chefs des Schin Bet. Sie sagten über Israels Verhältnis zu den Palästinensern dem Sinn nach unisono, auch wenn nur einer es wörtlich so formulierte: "Wir können jede Schlacht, aber wir können diesen Krieg nicht gewinnen." Und: "Ein demokratischer Staat, der ein besetztes Gebiet beherrscht und die dortige Bevölkerung unterdrückt, wird zwangsläufig zu einer Diktatur."

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 09.03.20:
Ich meinte tatsächlich die militärischen Möglichkeiten nach Außen. Das ich nehme ich in meinem Kopf zugegebenermaßen zu schnell als selbstverständlich an, weil ich den Einsatz einer Armee im Inneren für ziemlichen Unfug halte. Das von dir gebrachte Zitat ist da ein guter Grund.

Ein weiterer - der wird auch von den Unionspolitikern, die in Deutschland in feuchten Träumen den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ersehnen gerne übersehen, wobei ich ihnen fairerweise zugestehen will, dass sie ganz Allgemein von einer Armee überhaupt keine Ahnung haben - Grund ist, dass eine Armee weder was die Ausrüstung noch - wichtiger - die Ausbildung angeht, darauf vorbereitet.

 Graeculus meinte dazu am 10.03.20:
Ist die Auseinandersetzung der Israelis mit den Palästinensern in der Westbank denn der Innenpolitik zuzuordnen?
Nun, ein besetztes Land liegt irgendwo zwischen Innen und Außen, oder? Einen eigenen Staat wird man die palästinensischen Siedlungsgebiete wohl nicht nennen können. Gehören sie nicht völkerrechtlich (noch) zu Jordanien?

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 10.03.20:
Die Landfragen zwischen Israel und Jordanien sind endgültig geregelt. Es gibt wohl nur einen Landstreifen, den Israel gepachtet hat und diese Pachtzeit läuft demnächst aus. Israel möchte gerne erneut pachten, Jordanien will es aber wohl zurück... oder nur den "Preis" in die Höhe treiben.

Ich bin eigentlich immer davon ausgegangen, das ein Teil - nicht alle - der Palästinenser theoretisch betrachtet Bürger Israels sind. Das die sich nicht als solche betrachten, steht auf einem anderen Blatt...

Aufgrund des Charakters der Auseinandersetzung zwischen Israel und den Palästinensern würde ich aber eher von einer innenpolitischen "Auseinandersetzung" sprechen,teilweise einem Bürgerkrieg.

 Graeculus meinte dazu am 10.03.20:
Aha, Jordanien hat also auf das Westjordanland verzichtet. Und da es zur dem im Oslo-Abkommen vorgesehenen selbständigen Palästina nicht gekommen ist, gehört dieses Westjordanland jetzt ... wem? Die Annexion durch Israel gilt der UNO doch als völkerrechtswidrig.

 eiskimo (08.03.20)
Männer haben - egal, unter welchem Vorwand - Krieg geführt. Heute ist Internationaler Frauentag. Von daher habe ich Hoffnung.
vG
Eiskimo

 Judas meinte dazu am 08.03.20:
Michael Mittermeier sagte mal: Frauen würden keine Kriege führen, es gäbe dann nur einige Länder, die nicht mehr miteinander reden ;)

 Graeculus meinte dazu am 08.03.20:
Mit Frauen mag es in dieser Hinsicht tendenziell besser stehen; mit Frauen an der Macht habe ich, Margaret Thatchers Falkland-Krieg in Erinnerung, meine Zweifel.
Man könnte mal die langjährige Kontroverse zwischen Friedrich II. von Preußen und Maria Theresia von Österreich analysieren. Kaltblütig hat Friedrich II. den Krieg zur Eroberung Schlesiens begonnen. Maria Theresia hat das nicht gewollt, hat aber drei Kriege geführt, um es rückgängig zu machen, d.h. sie hat sich hartnäckig gewehrt. Sie liebte den Krieg nicht, beharrte jedoch auf ihrem Recht.

Das Mittermeier-Zitat ist prima! Hoffen wir, daß es auch wahr ist, denn Schweigen kann man überleben.

 eiskimo meinte dazu am 08.03.20:
Die wenigen Frauen, die einmal ganz oben angekommen waren, hatten männliche Strategien angewandt.
Worauf ich hoffe: Dass es viel mehr Frauen in den höchsten Ämtern gibt, die dann weiblichen Pragmatismus walten lassen.
Ob sie viel oder wenig dabei reden, das wäre mir egal.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.20:
Die wenigen Frauen, die einmal ganz oben angekommen waren, hatten männliche Strategien angewandt.
Das läßt mich vermuten, daß man zusätzlich zum Personalaustausch auch noch bestimmte Strukturen auf dem Weg zur Macht ändern müßte. Das erscheint mir sehr schwierig, denn Macht erzeugt ihre eigenen Strukturen.
Ansonsten stimme ich Dir zu, wenn auch nicht mehr ganz so gläubig-hoffnungsvoll wie vor 40 Jahren.

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 08.03.20:
Die These hinter all dem ist natürlich, dass die Akteure die "Kultur des Umgangs" bestimmen.

Meine Antithese wäre es, dass die Strukturen (hier: der Macht bzw. hierarchische Strukturen) die Kultur des Umgangs bestimmen.

Denn dass, was (im Westen) oft als "weibliche Kultur des Umgangs" dargestellt wird, entwickelte sich als eine "Kultur der Machtlosen" unter dem Patriarchat. Daher ist es kein Wunder, dass diese als Gegenentwurf erscheint. Dies ist zwingend erforderlich, um eben als ein Gegenentwurf wirksam zu sein.

(Interessanterweise sind die gesellschaftlichen Stereotype im Matriarchat über Männer jenen ähnlich bis gleich, wie sie im Patriarchat über Frauen existieren: übermäßig in ihren Gefühlen verfangen, unfähig zum logischen Denken.)

Des weiteren sei darauf hingewiesen, dass heute bei uns immer wieder argumentiert wird, eine Frau müsse sich mehr rechtfertigen, wenn sie zielstrebig (und damit: rücksichtslos) vorgehe. Dabei ist das als wütender Kritikpunkt gemeint.

Die Ansicht, mit mehr Frauen an der Macht würde die Welt irgendwie besser werden, erinnert mich irgendwie an die Ideen von Karl Marx' Kommunismus. Hört sich schön an, ist aber eine Märchenutopie.

 LottaManguetti meinte dazu am 08.03.20:
Frauen, die sich aggressiver gebärden als Männer, um ihre Fähigkeiten zu demonstrieren, werden nur Gegenteiliges ausrichten können.
Was es braucht, sind Menschen mit Verantwortungsbewusstsein. Da ist es egal, ob männlich oder weiblich.

Lotta

 Graeculus meinte dazu am 08.03.20:
Ich gönne Menschen gerne ihre Schwächen. Aber nicht in verantwortlichen Positionen. Da hätte ich dann schon lieber Verantwortungsbewußtsein. Und ja, ganz unabhängig vom Geschlecht.
Nachdem Jahrtausende lang Männer diese Positionen innehatten, ist der Gedanke, Frauen verhielten sich anders, verlockend.
(Eigentlich - ich sag's mal ganz vorsichtig, weil ich nicht CDU wähle - ist Angela Merkel in dieser Hinsicht schon nicht schlecht. Sie beherrscht die Tricks, die den Weg zur Macht ebnen, aber sie vernichtet niemanden.)

 Graeculus meinte dazu am 08.03.20:
An Trekan:

Hast Du eigentlich nie den Glauben gehabt, die Welt könne durch irgendetwas besser werden? Oder warst Du immer schon ein Pessimist, ein Mensch ohne Illusionen?
Ich gestehe, daß ich das nicht immer war.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.20:
Ich habe immer noch Freude an diesem Mittermeier-Spruch.

 Judas meinte dazu am 09.03.20:
Ich weiß leider nicht mehr, aus welchem Programm es war, aber ich glaube, es war Paranoid oder Back to Life?

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 09.03.20:
@ Graeculus:

Nein, ich glaube nicht.
Nation, Religion, Kommunismus, Faschismus, Kapitalismus (um nur einige zu nennen)... in nichts von dem sehe ich einen strukturellen Ansatz, der seine Anhänger dauerhaft dazu bringen könnte, friedlich mit einander umzugehen. Allein deswegen weil jedes dieser Gedankenkonstrukte in letzter konsequenz rassistisch ist, d.h. es denjenigen, die sich nicht zu ihm bekennen, nicht die gleichen Rechte einräumt, wie seinen Anhängern.

Darum auch das Zitat von Kant auf dem (KV-)Deckblatt meiner Textesammlung "Ares herrscht":
"Der Friedenzustand unter Menschen, die nebeneinander leben, ist kein Naturzustand, der vielmehr ein Zustand des Krieges ist.

Zudem bin ich Vertreter einer Ansicht, die wohl eher wenige Anhänger findet. Ich erlaube mir mich selbst zu zitieren:
Für die Frage nach den Beweggründen, warum Kriege geführt werden, versetzt uns diese Einsicht in die Lage, eine dritte Antwort neben dem Streben nach Macht und Besitz zu formulieren. Manche mögen es erschreckend finden, doch die Menschen führen Kriege aus dem einfachen Grunde, weil sie es können.
Hier:  "Was wir von euch wollen - Teil 4: Das Wetter? Die Wikinger und der dritte Grund" - ein Text von mir.

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 09.03.20:
Das hätte ich früher nicht so ausdrücken können, aber dieses Prinzip habe ich - glaube ich - schon immer vertreten. Ein Indiz dafür: Ich habe und hatte niemals Vorbilder. Damit wollte oder will ich niemanden diskreditieren, doch in denke nicht das das Leben irgendeines Menschen taugt, um ihn sich zur Gänze als Vorbild zu nehmen.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.20:
Gut, danke für Deine Antwort.

Zum Kant-Zitat: Da hat er seinerseits Thomas Hobbes zitiert, den Gedanken jedoch fortgesetzt - was Du nicht erwähnst. Kant war kein Pessimist!

Vorbilder anerkenne auch ich nicht mehr, wohl aber Menschen, die mich sehr stark beeindrucken (immer bezogen auf das, was ich von ihnen weiß).

 EkkehartMittelberg (08.03.20)
Lieber Graeculus, deine Frage interessiert mich schon. Aber vielleicht bin ich repräsentativ für die meisten deiner Leser. Mir fehlt es an historischem Wissen, um sie beantworten zu können. Das, was Trekan kenntnisreich dazu geschrieben hat, erscheint mir einleuchtend. Eigentlich müssten rein statistisch gesehen Kommunisten/Sozialisten friedliebender sein, weil die internationale Solidarität Bruderkriege verbietet. Aber die Überfälle der der Sowjetunion auf Ungarn und die Tschechoslowakei wurden ja bekanntlich mit kapitalistischer Zersetzung der reinen marxistisch/leninistischen Ideologie begründet. Da es immer wieder solche Anlässe für Bruderkriege gab, denke ich nicht, dass der Sozialismus friedliebender als der Kapitalismus ist. Aber meine Denke ist nur das dürftige Geschwafel eines in dieser historischen Frage absoluten Dilettanten.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.20:
Anders als der Faschismus ist der Sozialismus nicht schon von der Idee her auf Krieg angelegt, wenn auch auf eine Revolution (--> Bürgerkrieg).
Aber die Umsetzung dieser Idee läßt einige Fragen aufkommen.
Vieles von dem, was ich angeführt habe, lieber Ekkehart, ist ja in unserer Lebenszeit passiert, sodaß schon die Erinnerung informativ ist. Wenn alte Leute sich an den Einmarsch des Warschauer Paktes in die CSSR erinnern, wo man einen Sozialismus "mit menschlichem" Gesicht aufbauen wollte, dann ist das mehr als "Geschwafel" - es ist wichtig, sich daran zu erinnern. Ebenso, daß der fürchterliche, inzwischen über 40 Jahre währende Krieg in Afghanistan mit einem Einmarsch der UdSSR in dieses Land begonnen hat.

Ob der Sozialismus weniger Kriege anfängt als der Kapitalismus, das können wir den Fachhistorikern überlassen - es war dies aber nicht Heors These, gegen die ich mich wende.
Dieter Wal (58)
(08.03.20)
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 Graeculus meinte dazu am 08.03.20:
"The war to end all wars" war immerhin mal eine ernstgemeinte, wenngleich illusorische Parole. "Der Zweck heiligt die Mittel" ebenso, oder?
Es war leicht für Orwell, das satirisch zuzuspitzen. "1984" und "Animal Farm" sind dennoch uendlich wichtige Bücher. Ich fürchte, auch sie fallen für Heor unter 'bürgerliche Propaganda'.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.20:
Dabei war für all die von mir genannten sozialistischen Kriege die Friedensideologie ein papierner Regenmantel.
Dieter Wal (58) meinte dazu am 08.03.20:
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 Graeculus meinte dazu am 08.03.20:
Ein früherer NVA-Offizier. Heute über 80. Es ist extrem schwer, sich klarzumachen, daß man den Großteil seines Lebens einer falschen Sache gewidmet hat. Palmström-Logik.
Man konnte das in Interviews mit Margot Honecker geradezu beispielhaft sehen.

 TassoTuwas (09.03.20)
Was bleibt den Stützen eines gescheiterten Systems?
Die Opportunisten werden über Nacht zu Wendehälsen.
Die Starrköpfigen verharren in trotziger Rechthaberei!
Diskussion überflüssig.
TT

 Graeculus meinte dazu am 09.03.20:
Statt "überflüssig" möchte ich sagen "nicht zu irgendeiner Einigung führend". Aber solange wir reden (oder schlafen), schießen wir noch nicht.
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