Umwege nach Utopia

Text

von  max.sternbauer

Auf der langen Suche nach der besten Regierungsform ist der Menschheit so mancher Fauxpas passiert, was seine Spuren auch in den Gesetzen und Verfassungen vieler Staaten hinterlassen hat.


Der Philosoph und Enzyklopädist (im 18. Jahrhundert, war das ein Beruf unter Intellektuellen). Denis Diderot reiste einst in das ferne Russland, um seiner Mäzenin Katharina der Großen einen Besuch abzustatten. Bei einer ihrer gepflegten Konversationen, in denen Diderot der Monarchin immer wieder Tipps für eine gute Staatsführung gab, wies Katharina diese höflich ab, mit dem Hinweis, wie gerne Sie zwar seinen brillanten Ausführungen folge, er arbeite nur mit Papier und das sei geduldig, sie arbeite aber hingegen auf menschlicher Haut (sur la peau humaine).

Was mal wieder schön den guten alten Theorie-Praxis-Konflikt aufzeigt. Oder auch, dass Herrscher nur soweit bereit sind zu zuhören, wie es ihnen in den Kram passt. Jetzt kann man endlos über ein Problem nachdenken, ohne etwas zu tun und das ganze in der Schublade lassen. Der Vorteil gegenüber dem überstürzten Handeln ist, es kann nichts passieren. Es sind ja nur Ideen auf einem Blatt Papier. Wenn aber unreife Ideen in die Realpolitik transferiert werden, können die dann großen Schaden anrichten. Siehe Maos geniales Konzept des großen Sprunges, wo Bauern mit selbstgebastelten Hochhöfen in der Pampa, Stahl erzeugen sollten.

Hier wird von einigen weiteren Versuchen erzählt. Ein kleines und exquisites Sammelsurium
von politischen Fehlgriffen ist entstanden, wo man sich selbst an den Kopf greifen möchte. An die aber Tausende von Leuten glauben und mitgestaltet haben, um sie umzusetzen                                                                                          . Das sollte man nicht vergessen bei der Lektüre.

Der einzige Staat der de jure eine Leiche als Staatsoberhaupt sein eigen nennt, ist die Demokratische Volksrepublik Korea. Im Jahre Juche 87 (1988, ja Nordkorea hat einen eigenen Kalender), wurde Kim Il Sung zum ewigen Präsidenten ernannt. Und er ist es momentan noch über seinen Tod hinaus; er starb 1994. Nun kann man über das Kuriositätenkabinett Nordkorea den Kopf schütteln bis dieser abfällt, nur sollte man dabei eines nicht vergessen,  dass sich Nordkorea als Republik versteht, mit Rechtsnormen. Artikel 6 und Artikel 7 dieser Verfassung sprechen eine klare Sprache, von fairen Wahlen und dass durch diese Wahlen gewählten Politiker ihren Wählern jederzeit Rechenschaft schuldig sind. Dass dürfte bei der konterrevolutionären Organisation Amnesty International noch nicht durchgedrungen sein, die dieses Regime immer ganz unten in ihrem Ranking zu den Staaten mit den meisten Menschenrechtsverletzungen einreiht.

Die iranische Republik ist eigentlich nur das Provisorium, bis zur Ankunft des Mahdi.                                                  Diese schiitische Interpretation des Islams (das politische Konzept dazu erdachte Chomeini), glaubt an die Rückkehr des 12. verborgenen Imams. Eine messianische Gestalt, die eine Gesellschaft regieren soll, im Sinne der Wertvorstellung Mohammeds.                                                                                                                                                              Bis er wieder erscheint, sollen islamische Gelehrte provisorisch die Staatsgeschicke lenken, aber eben streng nach islamischen Glaubensätzen. Von anderer theologischer Seite wird diese Theokratie dahingehend abgelehnt, denn egal wie kompetent diese Gelehrten auch sein mögen, haben sie doch einen Makel: Sie sind nicht unfehlbar. So wie der verborgene Imam. Als Inspiration wäre diese Kritik aber gut für europäische christlich-konservative Parteien, die sich in einer Glaubenskrise befinden. Sich einfach entspannt zurücklehnen, bis Jesus den Job übernimmt.

Die Schweiz ist dafür bekannt, nicht von chauvinistischen Alligatoren bewohnt zu werden. Dennoch war sie das letzte europäische Land, dass sich zu einem Frauenwahlrecht durchboxen konnte.                                                            Ein Problem für dieses offiziell unter dem Strich 120 Jahre andauernde Hick-Hack, lag und liegt auch an der politischen Struktur der Politik in der Schweiz. Fragen der Verfassung werden durch Stimmenmehrheit der Wähler, und durch Stimmenmehrheit der Kantone ausgeknobelt. Die starken föderalen Rechte der Kantone, führten dazu, dass erst im Jahre 1990 durch eine Verfassungsklage, die letzte Bastion des Frauenwahlrechtes fiel. Das war nämlich der Kanton Appenzell-Innerrhoden. Interessanterweise wurden bei den Abstimmungen das Wahlrecht nicht nur von männlicher Seite abgelehnt. Ein Hauptargument der Gegner, auch der weiblichen, war die Ansicht, dass ein Frauenwahlrecht nicht der Schweizer Mentalität entspräche. 1969 war eine deutliche Mehrheit im schon erwähnten Kanton Innerrhoden, gegen ein Wahlrecht der Frauen. Nämlich die Frauen selber.
Eine seltsame Form des demokratischen Zentralismus, betreibt die österreichische Partei Team Stronach. Zur Erklärung: dieses Parteikonzept stammt eigentlich von Lenin, hat aber interessante Anlehnungen in den Statuten des Team Stronachs gefunden. Nun kaufen sich Milliardäre nicht nur Jachten und Sportclubs, sondern gründen ab und dann eine Partei.

Dem austro-kanadischen Geschäftsmann Frank Stronach kann man keinen Strick daraus drehen, dass seine Partei keine wirklich demokratische sein kann. Gehört ja ihm, das Ding.
Liest man sich dieses Statut durch, das die Komplexität einer Speisekarte aufweist, sticht einem die Rolle des Obmannes ins Auge. Der Vorstand der Partei besteht nur aus drei Leuten: dem Finanzreferenten, dem Geschäftsführer und dem Obmann. Letzterer, also der Frank, kann die zwei anderen Posten abberufen und einberufen. Zudem gibt es den interessanten Punkt, dass der Obmann auch über die Parteimitgliedschaft des Finanzreferenten und dem Geschäftsführer entscheidet. Dreimal dürfen sie raten wer über Ausschlüsse aus der Partei entscheidet. Genau, der Vorstand, in dem ein mit Rechten überhäufter Obmann hockt. Einspruch kann zwar vor dem Schiedsgericht vorgetragen werden, dessen Entscheidungen laut Statut „endgültig“ sind. Nur haben diese Entscheidungen keine innerparteiliche Relevanz, weil da kein Wort von den Kompetenzen steht.

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