Die Fröblerin

Elegie zum Thema Lebensweg

von  Quoth

Hat sie nicht stets sich bemüht, ein gutes Mädchen zu heißen?
und in der Ehe blieb treu sie dem treulosen Mann.

Nichts hat sie mehr gehasst als die Frömmelei ihrer Mutter,
die’s ihr mit Schlägen vergalt, wenn bei der Predigt sie schlief.

Wahrheit war ihr das Werk des kindergärtnernden Fröbel,
im Jahrhundert des Kinds meint‘ sie zu leben naiv.

Muscheln waren gesetzt zum deutschen Gruß in die Sandburg,
sie lag im Zwickelkostüm anmutig lächelnd davor.

In den Romanen des großen britischen Autors
hätte sie gerne selbst Chatterleys Rolle gespielt.

Hatte nicht auch Sven Hedin, der kühne Held ihrer Jugend,
dem Diktator die Hand anerkennend gereicht?

Und war der Pionier der Vollwertkost, Bircher-Benner,
nicht dem Führer genehm, der sein Müsli genoss?

Weinend saß sie im Fenster, den furchtbaren Brief in den Händen,
doch es war nur ein Fuß, den er in Russland verlor.

Pathos und blähende Fahnen, Fanfar’n, die geschmeidige Stimme:
noch im Seniorenstift schwärmte sie traurig davon.

War all dies eitel Betrug, getarntes Verbrechen gewesen?
Glauben konnte sie’s nicht; war nicht auch glücklich die Zeit?

Unterstellte man ihr, sie sei eine Feindin der Juden,
sprach die Beracha sie stolz, die sie bei Juden gelernt.

Und obgleich sie die Kirche weiter von Herzen verachtet,
las von der Lagerlöf Christuslegenden sie vor.

In die Weiten des Alls entführten sie Einsteins Gedanken,
die ihr geliebter Sohn einfühlsam ihr erklärt.

Unschuld‘ge Welt der Gänse, der Kraniche und Limicolen
warf ihr den Rettungsring zu, ließ sie nicht sinken hinab.

Als sie dann, alt unter Alten, lebte im pröpstlichen Stifte,
arrangierte sie sich mit dem Halleluja.

Sündlos wollte sie sein wie ein kreisender Roter Milan. Blieb
sie der eignen Natur deshalb womöglich fremd?

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Kommentare zu diesem Text


 AlmaMarieSchneider (11.11.21)
Nachdenkliche Worte.
LG
Alma Marie
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