[short story] Rosenmuster

Skizze

von  nadir

Er schnitt das Brot. „Es ist wahr, sie war toll, die Alte.“ Er schnitt es behutsam, fast zärtlich, mit dem langen, silbernen Messer, als genösse er es, den Laib langsam und gründlich zu zerteilen.

„Ich habe es im Traum gesehen, die ist die Leiter hochgegangen, die Alte. Und da oben war Licht, ganz hell, wie in den Erzählungen von diesen Nahtodspinnern. Die ist da hoch, hat die verdient, wennde mich fragst, son bisschen Licht.“

Er schnitt noch immer, war beinah erst bei der Hälfte. Ich schwieg.

„Ziemlich hart das Zeug", er lachte, es klang bemüht.

„Glaubste, dass die da oben uns zuhören? Sagen ja viele.“ Er sah mich an, ich schwieg noch immer. „Is ja auch egal. Herrgott, so eine find ich nie wieder.“

Das Messer hatte das Brot inzwischen vollständig zerteilt und schnitt eine Rille in das Brett mit dem Rosenmuster darunter. Er bemerkte es erst nicht, dann doch. „Verdammt, das war doch von ihr!“ Er lachte, es klang wieder bemüht.

„Meinste, dass die mir verzeiht? Hab ja auch nicht alle richtig gemacht … jaja, ich weiß, spars dir …“

Er setzte das Messer an den Brotleib und begann eine zweite Scheibe abzuschneiden, langsam, die ganze Länge des Messers nutzend, gründlich.

„Jetzt hol dir mal die Scheibe hier, bin ja nicht für alles zuständig, oder willste die ganze Zeit dumm in der Gegend rumstehen? Mein Gott, ihr jungen Leute…!“ Aber ich wollte nicht zu ihm.

„Jetzt mach schon, oder was soll das!“ Er seufzte, fuhr sich übers Gesicht. Dann schnitt er wieder. Langsam. Zu langsam.

Nein, ich wollte nicht zu ihm. „Leg das Messer weg!“, sagte ich, langsam, betont.

„HERGOTT, DIESES SCHEIẞDING!“, brüllte er und warf es in die Ecke. Und wieder; „DIESES SCHEIẞDING! SCHEIẞE!“

Ich lachte. Und er vergrub das Gesicht in den Händen.









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Kommentare zu diesem Text


 Létranger (27.11.21, 22:35)
Ziemlich abgründig - und spannend geschrieben.

Lé.
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